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Die besten Schockbilder auf Zigarettenpackungen

Wir bekommen bald eine Flut kreativer Krebs- und Todesbilder auf unsere Zigarettenpackungen. Inspiriert von anderen Ländern haben wir die bisher eindrucksvollsten Motive aus aller Welt zusammengesucht.

Es steht fest: Schockbilder auf Zigarettenpackungen kommen auch in der EU. Bald werden 65 Prozent der Vorder- und Rückseiten mit Tumoren, sterbenden Menschen und toten Föten bedruckt sein. Zumindest kann man von solchen Motiven ausgehen, wenn man sich an den Kiosken der Welt umschaut. Damit ihr einen Eindruck bekommt, was euch erwartet, präsentiere ich euch sechs Länder und ihre Motive—von schlecht bis gut. Dabei geht es nicht um die Frage, ob die Bilder Leute vom Rauchen abhalten. Dass das überhaupt funktioniert, wurde erst dieses Jahr in einer Studie bezweifelt. Macht euch doch einfach euer eigenes Bild unter „etwa 33.100“ Studien zu diesem Thema. Es ist erstmal ziemlich egal, ob diese „fear arousing communications“—wie man in der Psychologie sagt—bei Rauchern Erfolg haben. Es geht eher darum, wie die Gesundheitsbehörden verschiedener Länder versuchen, den Leuten Angst einzujagen. Und wie gut die Kreativen ihre Aufträge erfüllt haben. 6. USA

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Das Motiv eines Mannes nach einer Kehlkopfoperation, aus dessen Loch am Hals Rauch strömt, ist gleich mehrfach daneben: Der Rauch, wenn nicht gar das Loch, sind miese Photoshop-Produkte. Die dunkle Hautfarbe des Mannes lässt mit Sicherheit große Teile des US-Publikums denken, mit weißer Haut passiere sowas nicht. Der Grundgestus des Bilds ist abgesehen davon einfach lächerlich. Haben amerikanische Blogger natürlich schon längst erkannt und vermutet, dass die Tabaklobby bessere Motive einfach verhindert hat. 5. Brasilien

Die Verantwortlichen des brasilianischen Gesundheitsministeriums haben sich das Pathos dieser Bilder wohl bei irgendwelchen Telenovelas abgeschaut. Über einem weiblichen Gesicht, dessen Verfall eine bedruckte Streichholzschachtel simuliert, steht das Wort „Horror“. Außerdem ein Typ, dessen Hände bei einem mehrstündigen Shooting versucht haben, eine Geste der Machtlosigkeit angesichts seiner Erektionsschwäche hinzubekommen. Ein nach unten gehaltener weiblicher Daumen verdeckt die Schande. Es dürfte ein beliebtes Instagram-Motiv auf brasilianischen Partys sein, dieses komplexe Setting nachzustellen. 4. Kanada

In Kanada macht man einen auf Authentizität: Zu sehen ist ein Mann mit—diesmal glaubwürdigem—Loch im Hals. Unter der Überschrift „Ich hätte niemals mit dem Rauchen anfangen dürfen“ erzählt Leroy: „Ich war 48, als ich erfuhr, dass ich Kehlkopfkrebs habe. Man hat mir die Stimmbänder entfernt. Seither atme ich durch ein Loch in der Kehle.“ Unten noch der Slogan: „Befreien Sie sich endlich vom Tabak“ und die Telefonnummer 1 866 ICHHÖREAUF. 3. Uruguay

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Hier kennt man die Studien zur Sinnlosigkeit von Schockfotos und nimmt die Sache mit einiger Ironie. Ein rauchendes, abgefuckt geschminktes Baby mit dem Slogan: „Ähnelt es Ihnen?“. Und ein kunstvoll aus angeknicksten Kippen arrangierter Stinkefinger mit dem Spruch „Sag nein zur Zigarette“. Und der Info, dass der Suchtfaktor bei Nikotin mindestens genauso stark sei wie bei Kokain oder Heroin. Wenn man schon die klassischen Künstlerdrogen ins Spiel bringt, kann man eigentlich auch gleich draufschreiben, dass Rauchen das Coolste auf der Welt ist. 2. Iran

Wir sehen zwei Lungen: rechts eine gesunde, links eine kaputte. Wir lesen (von rechts nach links natürlich!): „Entscheiden Sie selbst: Leben / Tod“. Für meine von der europäisch-christlichen Tradition geprägten Augen kam das im ersten Moment ganz großartig: zwei Engelsflügelpaare—ein Engel steht für das Leben, der andere, Luzifer, für den Tod. Im nächsten Moment fiel mir ein, dass ich in der Islamischen Republik Iran mit dieser Sichtweise wohl nicht viele Freunde finden werde. Aber trotzdem: Eine wunderbare, deshalb sicher auch extrem wirksame Komposition! 1. Russland

Kommen wir zu meinem absoluten Favoriten. Seit 2012 gibt es auch in Russland ein Set von Schockbildern. Darauf ist meistens ein splattermäßiges Motiv mit Geschwülsten und anderen Abscheulichkeiten zu sehen. Im Vordergrund steht ein besonders grässliches Wort in Großbuchstaben. Es gibt zum Beispiel das Wort „TOTGEBURT“ („МЕРТВОРОЖДЕНИЕ“), in dessen Hintergrund ein so kunstvoll mit Zigarettenstummeln arrangierter blauer Fötus liegt, dass man an die Low-Fi-Version eines Fotos von Cindy Sherman denken muss.

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Oder das Wort „LEID“ („СТРАДАНИЕ“). Oder „SELBSTZERSTÖRUNG“ („САМОУНИЧТОЖЕНИЕ“). Das ist Ein-Wort-Poesie. Das ist Emblematik am Abgrund des Menschlichen. Völlig einleuchtend, dass das Land der Ikonenmaler, Avantgarde-Plakatkünstler und Sowjet-Propagandisten in dieser Disziplin die Nase vorn hat. Diese Hitliste ist der wissenschaftliche Beweis: Regierungen, die nicht so viel von Demokratie halten, besitzen einfach mehr Dreistigkeit, ihrer Bevölkerung die Fakten zur Schädlichkeit des Rauchens einzuhämmern. Erste These. Zweite These: Wenn den meisten eh klar ist, dass die Schockbilder bei Rauchern völlig wirkungslos bleiben, müssen sie eine Art menschliches Grundbedürfnis erfüllen. Ich fürchte, es ist ein religiöses. Man denkt bei diesen Bildchen schnell an Darstellungen von Menschen im Fegefeuer, bzw. in der Hölle, mit denen die Kirche ihre Schäfchen einschüchterte und so bei der Stange hielt. Es gab dadurch aber nicht nur Angst vor der Hölle, sondern auch eine Sehnsucht nach der Hölle (falls es jemanden interessiert). Ähnlich ist es heute. Zwar glaubt niemand mehr, dass er oder sie nach dem Tod mit einer Mistgabel an einem Grillspieß gedreht wird. Doch die Höllenvision hat sich ins Leben, in die Krankheit verlagert. Und so sehr du den Krebs verdrängst, willst du ihn auch sehen. Das wissen Künstler natürlich schon seit Langem. Aber gut, dass wir Krebskunst bald massenweise am Kiosk kaufen können—zu Preisen, für die man bei Sotheby’s noch nicht mal ein Glas Champagner bekommt.

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