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Tu nicht so, auch du liebst heimlich Flops im Basketball

Du musst dich gar nicht so aufregen, wenn CP3 mal wieder den sterbenden Schwan gibt. Denn in Wirklichkeit bewunderst du doch seine artistischen Schauspieleinlagen.
Foto: USA TODAY

Wenn wir von Flops—also Schwalben im Basketball—sprechen, reden wir uns schnell so sehr in Rage, als wäre von lästigen Klickfang-Überschriften im Internet die Rede. Die zwei Nervtöter haben ja auch ein paar Sachen gemeinsam: Beide sind sie eine schamlose und irreführende Praxis—gewissermaßen ein Betrug am Publikum. Wir hassen sie inbrünstig und sind uns einig darüber, dass wir dazu auch jedes Recht haben.

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Aber jetzt mal ehrlich: Warum geben wir uns nur so große Mühe, so zu tun, als ob wir Flops verabscheuen, wenn wir sie doch eigentlich von ganzem Herzen lieben? Flops gehören eben zu den unterhaltsamsten Aspekten von Basketball. Man kann bei ihnen einfach nicht wegschauen—fast so wie bei Slideshows von kämpfenden Kätzchen oder saukomischen GIFs. Also, liebe Leser, sprecht es einfach mal laut vor: „„Ich liebe Flops."

Ich weiß, wovon ich rede, schließlich kenne ich die Zahlen dahinter. Jedes Mal, wenn ein NBA-Spieler mal wieder den sterbenden Schwan gibt und dabei ungewollt eine Menge Komik aufs Parket legt, pilgern wir zu YouTube und klicken verlässlich—und mit reichlich Vorfreude—auf die Play-Taste. Rookie P.J. Hairston von den Charlotte Hornets hat uns erst vor Kurzem mit dieser herrlich tollpatschigen Tanzeinlage daran erinnert, was wir an Flops so lieben:

Natürlich kannst du Hairston für seine mehr oder weniger—ähm, weniger!—artistische Schummelei kritisieren. Dann müsstest du mit seinem Mannschaftskameraden, Lance Stephenson, noch härter ins Gericht gehen. Denn der kam letzten November auf die glorreiche Idee, sich selbst ins Gesicht zu schlagen, um ein Foul zu provozieren…

Du kannst über die Aktion sagen und denken, was du willst. Fest steht: Es bedarf schon einer gehörigen Portion Chuzpe, um vor so vielen Zuschauern—in der Halle und vor den Fernsehern—eine solche Show abzuziehen. Das ist nämlich gar nicht mal so einfach. Nur echte Clowns—die bereit sind, für den Teamerfolg einfach alles zu geben und die darum wissen, dass man für die meisten Schauspieleinlagen ohne Foul davonkommt (auch wenn nachträgliche Geldstrafen drohen)—können solch eine peinliche Aktion so überzeugend abziehen.

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Hairston wurde für seinen plötzlichen Schwächeanfall von der NBA mit einer Strafe in Höhe von 5.000 Dollar belegt, während die Hornets Stephenson für seinen Akt von Masochismus eine deutlich höhere Geldstrafe aufgebrummt haben. Doch viel schlimmer als der finanzielle Schaden wiegt für Stephenson wohl die öffentliche Bloßstellung nach seinem Flop—auch wenn frühere Berichte darüber, dass er außerhalb des Courts unerträglich sein soll (es gab auch schon Anschuldigungen häuslicher Gewalt), seinem Ruf eh schon nicht gerade zuträglich waren.

Im Fall von subtileren Flops (und wohl auch bei bestimmten Protagonisten) sind wir weniger bereit, die Hate-Keule zu schwingen. Chris Paul, zum Beispiel, hat es irgendwie geschafft, dass wir seine Vorliebe für kurze Liegeeinheiten auf dem Parkett als leicht pervertierten—und dennoch harmlosen—Ausdruck seines unbändigen Siegeswillens auslegen. Im Gegensatz zu anderen Spielern wie Stephenson oder Hairston kommt er so um all den Hohn und Spott herum—und das trotz der Tatsache, dass Paul mit großer Regelmäßigkeit ähnlich schamlose Schmierenkomödien zum Besten gibt. Hier ein kleines Best-of:

Natürlich ist auch CP3 nicht ganz vor Kritik gefeit. Doch bei ihm passen seine Flops sogar irgendwie in den Mythos des ewigen Kämpfers, des Underdogs, der bereit ist, alle Register zu ziehen und jede noch so kleine Möglichkeit auszuschöpfen (auch wenn diese nicht dem Regelwerk entspricht), um seinem Team zum Sieg zu verhelfen.

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Wir machen nur allzu gerne Ausnahmen für die Spieler, die wir lieben. In meiner Heimatstadt Chicago weigern sich noch immer die meisten Menschen zuzugeben, dass Michael Jordan abseits vom Spielfeld ein ziemlich großes Arschloch war. Die Person also, die den Bulls in den 90ern eine Serie von unvergesslichen Siegen beschert hat—eine Epoche, die bis heute als Maßstab für perfektes Basketballspiel gilt. Außerdem ist Chicago auch nicht dazu bereit, eine weitere Wahrheit auszusprechen: Erinnert ihr euch noch an Jordans berühmten Wurf im Spiel 6 der NBA Finals gegen die Utah Jazz, der die Bulls erneut auf den Basketball-Olymp heben sollte? Dem siegbringenden Wurf ging ein klarer Schubser gegen Bryon Russell voraus. Doch wer will das schon hören? Wir Menschen lieben—und brauchen—Legenden wie Michael Jordan. Und an denen soll gefälligst nicht gerüttelt werden.

Wenn es um Sport geht, zeigt sich unsere Moralvorstellung von ihrer flexibelsten Seite. Dieselbe unfaire Aktion können wir—abhängig vom Spieler, der sie ausführt—ganz unterschiedlich bewerten, und unsere Reaktion darauf kann zwischen einem Wutausbruch (Typisch Stephenson, der hat ja auch schon seine eigene Freundin die Treppe runtergeschubst!!) und einem nachsichtigen Kopfschütteln (Verrückter Kerl! Für einen Sieg seiner Clippers würde CP3 einfach alles machen!) variieren. Natürlich drücken wir auch eher mal ein Auge zu, wenn der Missetäter für unser Lieblingsteam spielt. Auch Lokalpatriotismus und der Wettschein in unserem Portemonnaie können bei der Bewertung eine große Rolle spielen. Wenn man aber Flops mal nüchtern betrachtet, muss man zugeben, dass es sich dabei um zum Brüllen komische Aktionen handelt, die einen einfach nicht kalt lassen. Auch wenn mich sein Flop damals richtig auf die Palme gebracht hat, zieh ich noch immer vor Chris Bosh und seiner hollywoodreifen Vorstellung—vor allem vor seinem schmerzverzerrten Gesicht—den Hut:

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Seit diesem Tag bin ich mir sicher, dass Bosh auch als Politiker Karriere machen würde. Jemand, der so dreist schummeln kann und auch vor feindseligem Publikum noch sicher seinen Job macht, gehört einfach in die Politik. Boshs ehemaliger Mannschaftskamerad LeBron James scheint dagegen weniger geeignet für politische Ämter. Denn nach seinem erfolgreichen Flop gegen Derrick Rose konnte er es sich nicht verkneifen, der Heat-Bank frech zuzuzwinkern:

All diese Beispiele sind, wenn wir mal ehrlich sind, ziemlich amüsant. Vielleicht sorgen sie für eine Art von Unterhaltung, die man nicht unbedingt als „„verantwortungsbewusst" bezeichnen kann—schließlich könnten sie jüngere Spieler auf dumme Ideen bringen. Und trotzdem machen sie Spaß und sind ein weiterer Grund dafür, warum wir jeden Abend pünktlich zum Tip-off wieder einschalten.

Packt dich die Wut, wenn es um Flops geht—schließlich findest du, dass im Sport wie auch im echten Leben Fair Play an erster Stelle stehen sollte—, kann ich dir versichern, dass hinter all deiner Wut auch (etwas) Liebe steckt. Wir reden nur allzu gern über Flops, denn egal wie sehr wir uns anstrengen, sie zu hassen, wir brauchen sie dennoch. Sie stehen für die korrumpierten und verbotenen Aspekte des Spiels und haben wohl genau deswegen dieselbe Strahlkraft wie ein sensationeller No-Look-Pass oder ein krachender Alley-Oop. Ob du es also wahrhaben willst oder nicht: Flops sind ein Teil unseres Herzens.