FYI.

This story is over 5 years old.

noise

Mixed by Loops Haunt

Proto-Dubstep, Neo-D’n’B und Neonröhrenambient: Der neue Mix von Loops Haunt klingt ebenso durchexorziert wie sein neues Album ‚Exits‘.

Liest man über Scott Gordans Projekt Loops Haunt, dann stolpert man immer wieder auf Deutungen seines eher zurückgezogenen Lebensstils im schottischen Dundee. Ich möchte behaupten: Wer einem Schotten eine Kaffigkeit (angesichts des Dundee'schen Status als immerhin viertgrößter Stadt Schottlands) unterstelt, wird eine deutliche, stolze Antwort bekommen. Sicherlich: Dundee ist keine Metropole wie London und hat auch nicht—wie Manchester—ganze Musikstile geprägt oder Subkulturen geboren. Und sicherlich kann man aus Loop Haunts Musik auch eine gewisse eremitenhafte Attitüde heraushören, wenn man es denn drauf anlegt.

Anzeige

Aber Loop Haunts neues Album Exits—erschienen auf dem tollen Black Acre-Label—strotzt nur so vor Proto-Dubstep, Neo-D'n'B, Bassromantik und Neonröhrenambient, klingt dabei so dermaßen durchexorziert, abseitig, sperrig und dennoch flüssig, dass jedem Metropolen-Hipster in seinen Betonkathetralenclubs ein kalter Schauder den Rücken herunterläuft. Gerade hat Gordan sein Album im Boiler Room vorgestellt, für die THUMP-Reihe Mixed By hat er einen ebenso eklektischen wie spannenden Mix zusammengestellt: von Morton Subotnick zu James Holden, von Ben Frost zu Hans Reichel und von SCB über Autechre zu seinen eigenen Produktionen. Die ganze Tracklist des 70-minütigen Mixes findest du am Ende des Interviews.

Im Gespräch erklärt Gordan dann, wie sich die einzelnen Loops, Melodien und Rhythmen von Exits zu einem großen Ganzen gefügt haben, wie sich der Vibe des Albums entwickelte und warum ein Geweih noch lange keinen Jäger macht.

THUMP: Du hast kürzlich erwähnt, dass du 2008 während deines Studiums als audio-visueller Künstler an Installationen und „Galeriezeug" gearbeitet hast. Wie kam es, dass du diesen Pfad verlassen und dich auf deine Karriere als Musiker konzentriert hast?
Loops Haunt: Nun, ich habe elektronische Musik gemacht und damit experimentiert, seit ich 16 Jahre alt war. Wenn ich was aufnahm, dann auf Tapes, ab und an auch mal auf MiniDisc. Schließlich bekam ich ein paar Sampler, Drummachines und so. Ich hatte allerdings immer noch keinen Computer für's Sequenzing, bis ich einen für mein Studium bekam, das war 2004 oder 2005. Von da an fügte sich dann alles zusammen: Tagsüber den Unikram regeln, Nachts Musik machen. Ich hatte einen ganz guten Freundeskreis, wir standen alle auf Musik und wollten Veranstaltungen machen. Es gibt daneben auch einen sehr genialen Second-Hand-Plattenladen in Dundee. Das trug also alles auf gewisse Weise dazu bei. Es ist ja auch nahezu unmöglich, als audio-visueller Künstler seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Ein klein wenig möglicher ist es da als größtenteils unbekannter Musiker. Und ab da war dann alles klar …

Anzeige

In deinem Interview mit Laurent Fintoni sagst du, dass du Plattensammler bist und auch gerne Samples benutzt, in der Vergangenheit ebenso wie auf deinem neuen Album, Exits. Wie stehst du zu künstlerischen Konzepten wie dem von Matthew Herbert—also auf sämtliches vorab aufgenommenes Material zu verzichten?
Das ist fantastisch, und ich bin mir sicher, dass es eine Menge natürliche Befriedigung bedeutet, einen solchen Ansatz zu verfolgen. Ich war mir gegenüber so penibel wie möglich, obwohl ich bezweifle, Herberts Standards getroffen zu haben. Nichtsdestotrotz ist das ein löblicher Weg, wenn man die Mittel zur Verfügung hat und genau das möchte.

Du hast Exits als „an einen Stück hörbares Stück" angelegt, fadest dabei in das jeweils nächste Stück ein. Wieso hast du das Album nochmals in einzelne Stücke aufgeteilt?
Die einzelnen Stücke sind in etwa einzelne Kapitel, ich wollte sie auch einzeln betrachtet sehen. Man bekommt so einen gewissen, schönen Effekt des Durchatmens wenn man Musiken aufteilt, besonders wenn man an Sachen arbeitet, die klanglich intensiv sind.

Du erwähntest auch, es habe so einen gewissen nostalgiegetriebenen ‚Sound' oder Atmosphäre …
In manchen Stücken sind Aufnahmen von Familienausflügen und so was enthalten. Die waren auch schon recht früh drin, aber davon hört man nicht mehr sehr viel, der Großteil wurde während des Aufnahmeprozesses gefressen. Aber es gab sie, das half mir die nötige Stimmung zu finden. Ich weiß auch nicht, wie ich es beschreiben sollte. ‚Fung shoooey' vielleicht …

Anzeige

Ich mag deine Herangehensweise, HipHop- oder Dance Music-Beats mit sehr fiesen, lärmenden, verzerrten Sounds zu konterkarieren—obwohl der ‚Beat'-Aspekt oft eher angedeutet als rhythmisch durchgezogen ist. Exits klingt für mich auch ganz anders als deine Zenith-EP von 2012—viel weniger zugänglich und heiter. Hattest du diesen offensichtlichen Richtungswechsel als harten Schnitt angesetzt—oder hat sich das doch eher zufällig während des Schreibens und der Produktion eingeschlichen?
Ich denke das war eher zufällig. Auf Exits gibt es sowohl die leichtfüßigsten als auch die düstersten Sachen, an denen ich bisher gearbeitet habe. Das Ganze nahm auch eher langsam als Album innerhalb eines Ordner Form an. Ich sammelte das alles so behutsam und arrangierte es so natürlich wie möglich, bis ich damit zufrieden war, bis ich alles unterbringen konnte. Das Problem war eher, nicht am Stück an einem Albumtrack arbeiten zu können. Es musste alles passieren, sobald ich einen Klang mit dem richtigen ‚Vibe' hatte—dann arbeitete ich an dem Track, dann wanderte dieser in den Ordner. Ein bisschen wie Kreativlotterie. Eigentlich hatte ich keinerlei Kontrolle über die Leichtfüßigkeit oder Düsterkeit der Platte. Als es sich richtig anfühlte, hörte ich einfach auf, Musik für Exits zu schreiben. Wie sich herausstellte gab es aber wohl mehr düster als fröhlich gestimmte Stücke.

Der initiale Auslöser des Albums scheint noch auf 2010 rückzudatieren: Du hast damals auf Grundlage eines Riffs in „Howl" zu arbeiten begonnen. Wie ging es weiter: vom Riff zum Track, vom Track zum Ganzen, von dort zum Album, wie es jetzt existiert?
An dem Track habe ich ewig gearbeitet. Ich kann's gar nicht mehr so genau sagen. Zu der Zeit war ich auch noch mit einem anderen Track beschäftigt, also ging ich „Howl" gar nicht so gezielt an. Ich mochte den Sound, konnte ihm zu der Zeit aber nicht wirklich nachgehen. Der durchlief letztlich verschiedene Versionen. Ab einem gewissen Punkt wollte ich die Notierung der Lead-Melodie noch stärker herausarbeiten, sie vielleicht von ein paar Streichern spielen lassen—hätte toll geklungen, aber nicht fähig zu sein, das selbst umzusetzen, hat die Idee gleich wieder getötet. Und den Weg des ‚Auto Scores' wollte ich auch nicht gehen. Als ich dann endlich die Zeit zur weiteren Bearbeitung fand, war ich gedanklich schon wieder woanders. Und das passierte bei „Howl" ständig. Ich bin aber doch ganz zufrieden, so wie's jetzt ist.

Anzeige

Der Drum-Rhythmus von „Howl" erinnert mich stark an „Atlas" von Battles. Gibt es eine Verbindung zwischen deiner und John Staniers Musik?
Dieser rollende Drum-Beat hat einen schön primitiven Drive, das liebe ich. Das hab' ich für die erste Melodie von „Howl" geschrieben, das war aber wirklich kein Stanier- oder Battles-Ding—es ergab sich dann aber, dass das ganz gut zur Melodie des Stücks passte. Ich dachte mir schon, dass das wie „Atlas" klingen würde, unbeabsichtigt, aber die Melodie ist nochmal ein ganz eigenes Ding. Aber klar, hab' kein Problem damit zu sagen, von Battles beeinflusst zu sein. Ich bin ganz froh, schon mehrmals neben ihnen aufgetreten zu sein und sie live gesehen zu haben. Genial!

Die limitierte Version von Exits hat noch einen Bonus-Track, „IIon", der ist auf einer Floppy Disc gespeichert. Die meisten Computer haben ja nicht einmal mehr ein CD-R-Laufwerk, also denke ich, dass das eine eher nerdige Angelegenheit ist. Ich musste sogar nachschauen, wie man eine Floppy überhaupt bootet, hab seit meinen 486er-PC-Tagen keine mehr benutzt …
Ach, so'n Scheiß … sind brandneu in Schottland, ich dachte, jeder wäre total begeistert. Mist.

Aus 5.25-Inch-Floppys kann man ganz schöne CD-Cases basteln
Die kannte ich noch nicht, sieht aus wie'n veraltetes Sandwich. Gefällt mir.

Wie bist du diesen Mix für THUMP angegangen? Randbemerkung: Vielen Dank, sehr nett von dir!
Die Freude ist ganz meinerseits. Das ist eine Mischung aus Vinyls, Tapes, digitalen Files und etwas Sampling und ein paar Synths. Ich lasse mich beim Mixing gerne auch mal forttreiben und finde dann doch einige Berührungslinien. Ich wollte diesen Mix als eine Art Schatten des Albums angehen. Das ist aber nur ein loses Konzept.

Anzeige

Mehr von THUMP:

Ich kann's mir nicht verkneifen: Warum die Hirschgeweihe auf deinen Artworks und deinen Pressefotos? Was ist denn so interessant an Rotwild? Gehst du auf die Jagd?
Haha, nein, ich bin kein Jäger, Rotwild interessiert mich tatsächlich auch gar nicht, fuck 'em. Mein Großvater war Jäger, hatte viele Geweihe—die hängen noch im Haus meiner Großmutter. Keine Ahnung, warum ich sie mag, ästhetisch lösen sie einfach etwas in mir aus. Genau wie die Melodien des Albums etwas in mir auslösen, das ich nicht festnageln kann. Ich werde mir was einfallen lassen.

Loops Haunt, Exits, Black Acre, 11. April 2014, Vinyl / CD / MP3

MIXED BY Loops Haunt - Tracklist / Download:
Excerpt from „The Holy Mountain" - Alejandro Jodorowsky
Loops Haunt - untitled
Reborn Ice Horn - 1991
Gescom - Cake Mic
Loops Haunt - IIon „eon"
Tod Dockstader - Eight Electronic Pieces Pt 8.
Craig Leon - Four Eyes To See The Afterlife
Andrey Tarkovsky - Solaris .15
T.A.G.C. - E.P.M.D
Ben Frost - Híbakúsja
Isang Yun - Glissees
Marc Clifford - Blue Fi
Geinoh Yamashirogumi - Dolls' Polyphony
Hans Reichel - Arrival of the Midnight Queen
Last Exit - Pig Cheese „live"
Dead Goldfish Ensemble - Dazzling One
The Conet Project- The Backwards Music Station
Skrapez666 - Untitled
Fhloston Paradigm - Chasing Rainbows
SCB - Mace
Fuse - Train Traks
Weapons - Protect
Autechre - VekoS
Morton Subotnick - Touch Part 1
James Holden - Gone Feral
Alessandro Cortini - ACMN
Loops Haunt - Fissure
Costt - The Things I Do
Roberto Cacciapaglia - Floating Clouds

Anzeige

Folgt Walter auf Twitter: @wwwacht

**

Folgt THUMP auf Facebook und Twitter.

MEHR VON THUMP

Diese Dokumentation über die Ravekultur im Nordirland der 90er Jahre ist großartig und deprimierend zugleich

„Rave war die letzte Subkultur vor der Flut sozialer Netzwerke."—Regisseur Desmond Bell im Interview zu Rave in Nordirland.

„Lil B, next level, unglaublich!"—Millie & Andreas ‚Drop The Vowels' im Stream

Jungle, Rave, Dubstep, House und alle Arten Geräuschmusik—Wir sprachen mit Andy Stott über sein und Miles Whittakers neues Album ‚Drop The Vowels'. Einen Albumstream von Millie & Andrea haben wir auch.

Brutalism Made Me Hardcore—Ein Interview mit Rainer Veil

Architektur, die britische Rave-Kultur und der Reiz von weißem Rauschen: Die Musik von Rainer Veil ist alle Klangfarben Grau.