FYI.

This story is over 5 years old.

News

Uli Hoeneß und betsafe machen den Rechtsstaat zum Wettbüro

Gefängnis, Bewährung oder Freispruch—bei betsafe konnte man Wetten auf den Prozessausgang des Bayern-Chefs abschließen. Wir haben nachgefragt, was dahintersteckt.
Foto: Rainer Zenz | Wikimedia | CC BY-SA 3.0

Eins muß man Uli Hoeneß lassen: er macht sogar Steuerhinterziehung unterhaltsam. Andere Großverdiener wie Alice Schwarzer pflegen verschämt über Jahre ein Schweizer Konto, schmuggeln 200.000 Euro am Fiskus vorbei, und kriegen dann doch kalte Füße. Hoeneß dagegen machte gleich eine ganze Schweizer Bank zu seinem Pokertisch, indem er auf einem eigens eingerichteten Spaßkonto so hochtourig an den internationalen Finanzmärkten spekulierte, dass sogar George Soros schwindelig werden würde. 2005 hatte er zeitweise 155 Millionen Euro auf dem Konto, Ende 2010 hatte er das meiste davon schon wieder verloren.

Anzeige

Als sich Hoeneß schließlich letztes Jahr selbst anzeigte, weil er auf die Spekulationsgewinne keine Steuern gezahlt hatte, lernte die Öffentlichkeit diese Seite an dem Bayern-Chef kennen. Selten hat eine Steuerhinterziehung für soviel Furore gesorgt—von Angela Merkel bis zu Christoph Daum hatte jeder etwas dazu zu sagen; während die Presse Hoeneß pflichtgemäß zerlegte, wurden in München Plakate geklebt, die zur „Sulidarität“ aufriefen.

Mit dem Prozeßbeginn am Montag hat die Show jetzt wieder angefangen, und sie hat uns nicht enttäuscht. Innerhalb von zwei Tagen konnte man live verfolgen, wie sich die hinterzogenen Summe von 3,5 auf mittlerweile 27,2 Millionen Euro erhöhte. Besonders am Dienstag sorgten immer astronomischere Summen auf dem Live-Ticker von Spiegel Online für das Gefühl, als folge man einem sportlichen Großereignis. Wer dabei nicht selber ein bisschen Lust auf Zocken bekam, der ist nicht richtig am Leben.

Das dachte sich auch betsafe.com. Die Webseite, auf der man normalerweise auf das Ergebnis von Fußballspielen etc. wetten kann, eröffnete eine Spezialwette auf den Ausgang des Prozesses. Unter dem Menüpunkt „Fussball - Deutschland - Spezielle Märkte“ hatte man ab Montag drei Optionen, auf die man wetten konnte: Bewährung, Gefängnis oder Freispruch. Auf diese Art und Weise konnte man wenigstens ein bisschen an dem Adrenalinschub teilhaben, den Hoeneß gerade im Gerichtssaal erlebte, und dem großen Hasardeur Reverenz erweisen, auf die einzig richtige Art und Weise.

Anzeige

Bei aller Liebe zum Uli will man natürlich trotzdem gewinnen, weshalb die Buchmacher einem Freispruch schon am Montag die geringsten Chancen einräumten. Am Dienstagmorgen stand die Quote immerhin noch bei 1:9. Am Mittwochvormittag war Hoeneß bereits um weitere 8,7 Millionen schuldiger, und die Quote war auf 1:45 gesunken.

Ein Screenshot der betsafe-Seite vom Mittwochvormittag

Wie genau die Quoten ermittelt wurden und wie viele Menschen bei der Wette mitgemacht haben, konnten ich leider nicht erfahren, weil betsafe auf Anfrage einfach behauptete, die Seite biete eine solche Wette gar nicht an. „Wir gehen daher davon aus,“ fuhr der freundliche Mitarbeiter fort, „das Sie eine andere Wettfirma kontaktieren wollten. Bitte prüfen Sie dies einmal und bei weiteren Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.“

Ich habe das natürlich sofort geprüft, und tatsächlich, betsafe hat die Wette mittlerweile gelöscht. Auf meine Nachfrage, warum sie gelöscht wurde, haben die betsafe-Mitarbeiter auch weiter so reagiert, als hätte es eine solche Wette nie gegeben.

Mysteriös, sehr mysteriös.

Möglicherweise haben sie gemerkt, dass dieser Prozesses vielleicht doch etwas weniger ergebnisoffen abläuft als das Spiel der Bayern gegen Arsenal. Vielleicht ist ihnen aber auch bewusst geworden, dass diese Art Wette ein paar unangenehme Fragen aufwirft: wenn man auf den Prozeßausgang von Hoeneß Wetten abschliessen kann, warum dann nicht auf andere?

So könnte man den ganzen langweiligen Rechtsstaat zu einem Spektakel machen—auf Christian Wulffs Freispruch zum Beispiel hätten bestimmt eher weniger Spieler gesetzt, da hätte man eine ziemlich gute Quote bekommen können. Und die Medien könnten doppelt verdienen: indem sie erst die Öffentlichkeit mit Vorverurteilungen der Beschuldigten beeinflussen, gleichzeitig dann aber hinterrücks alles auf den Freispruch setzen. Und absolute Hoeneß-Fans, die immer noch an seine Unschuld glauben, hätten nur knapp 600.000 Euro auf den Freispruch setzen müssen, um genau die 27 Millionen zu bekommen, um die es geht.

Wahrscheinlich wäre es nicht so weit gekommen, dass der Richter selbst heimlich alles auf einen Freispruch setzt, den Uli dann entgegen aller Beweise freispricht und sich mit dem verdienten Geld schnell in die Schweiz absetzt. Aber es zeigt doch, dass die Idee, Wetten auf einen Prozessausgang zu schliessen, vielleicht nicht ganz so geil war. Auch wenn es Uli Hoeneß gefallen hätte.

UPDATE: betsafe scheint über ihre Wetten ähnlich viel Überblick zu haben wie Uli Hoeneß über seine Spekulation. Eben hat sich die Firma noch einmal gemeldet und zugegeben, dass es die Wette doch gegeben hat „und diese auch weiterhin auf unserer Seite verfügbar ist.“ Wenn ihr mitspielen wollt, hier ist der Link. Fröhliches Wetten!