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Popkultur

5 wichtige Fragen, die Stefan Raabs Comeback aufwirft

"Hat irgendjemand Stefan Raab vermisst?"

"Er ist wieder da!" Nein, nicht Hitler, wie in Timur Vermes gleichnamigem Buch. Stefan Raab! In einem kurzen Video erklärte der ehemalige TV Total-Moderator und Quoten-Tausendsassa seinen Rückzug von seinem Rückzug aus der Unterhaltungsbranche. Sehen wird man den Mann, der die deutsche Fernsehshow fast im Alleingang revolutionierte, allerdings nicht mit einer neuen Sendung. Stattdessen will der Kölner seine Rückkehr in die deutschen Medien mit einer großen Live-Show feiern, die am 18. Oktober 2018 in Köln stattfinden soll. Klingt kryptisch? Ist es auch. Wir hätten da noch ein paar Fragen.

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Hat irgendjemand Stefan Raab vermisst?

So einig sich Deutschland 2015 auch war, dass der Show-Titan 2015 verfrüht in Rente gegangen ist, und so unbestritten es auch ist, dass er viel für die deutsche Medienwelt getan hat: Die Reaktionen der potentiellen Zuschauer auf seine Rückkehr fielen gemischt aus. Viele sicherten sich direkt Tickets für das Event – obwohl es noch beinahe ein Jahr in der Zukunft liegt. Andere hingegen scheinen auch ohne Wok-Weltmeisterschaft und Bundesvision Song Contest genug überlange, überschaubar spannende TV-Formate im deutschen Fernsehen gefunden zu haben. Sie verglichen Raabs Comeback mit dem Auftauchen einer Wasserleiche.

Eine kurze Umfrage unter VICE-Angestellten fiel ebenfalls nicht eindeutig aus. Zwei Kollegen erklärten, Stefan Raab "wenig" bis "keine" Gefühle entgegenzubringen. Eine Kollegin wiederum bezeichnete ihn als "den besseren Jan Böhmermann", weil er sich nicht an der Empörung seiner Opfer "aufgeile". Deutsche Medien scheinen Raab aber vermisst zu haben – zumindest berichteten sie, von Spiegel über Bild bis Focus, geschlossen von der überraschenden Ankündigung – und wir tun es ja auch. Immer nur über Böhmermanns neuesten Streich zu schreiben, wird irgendwann eben auch ein bisschen eintönig.

Stefan Raab und Ex-Prakti Elton beim letzten 'TV Total Turmspringen', 2015 | Foto: imago | Future Image

Was hat Stefan Raab in den letzten Jahren gemacht?

Seit mittlerweile zwei Jahren müssen wir ohne absurde Sportübertragungen und aufwendige Abendformate auskommen. Während Rente für andere deutsche Entertainer aber bedeutet, sich zumindest ab und an mal auf Promi-Events sehen zu lassen, oder besonders hartnäckigen Reportern ihre Einschätzung zum aktuellen Weltgeschehen mitzuteilen, blieb es um Raab still. Auch weil er sein sein Privatleben im Gegensatz zu anderen nicht in den sozialen Medien breit tritt.

Lag der TV-Workaholic also die vergangenen zwei Jahre nur am Strand, hat seinen Töchtern Pausenbrote geschmiert und sich gefragt, warum eigentlich überhaupt noch jemand Fernsehen guckt, wo es doch jetzt das Internet gibt? Möglich. Tatsächlich hörte man erst im Juni 2017 wieder von Raab, als der bei einer ProSieben.Sat1-Veranstaltung ankündigte, ein neues Format für seinen ehemaligen Sender produzieren zu wollen. Bei der Erfindershow Das Ding des Jahres wird der Entertainer allerdings nicht selbst vor der Kamera stehen. Zusätzlich erinnert das Format stark an die VOX-Show Die Höhle der Löwen. Schade eigentlich.

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Was genau passiert am 18. Oktober 2018?

Wer auch nur eine Show von Stefan Raab gesehen hat, weiß: Ohne Explosionen, Promis und jede Menge Tamtam macht es der Kölner nicht. Was also können wir am 18. Oktober erwarten? Raabs erste ernsthafte Schritte als Stand-up-Comedian, Louis C.K. ohne Masturbation quasi? Irgendeine absurde neue Sportart, die nicht nur maximal anstrengend, sondern auch maximal erniedrigend für alle Beteiligten wird? Oder doch nur eine Art Abendgala mit Helene-Fischer-Auftritt und ein paar Witzen auf Kosten der anderen anwesenden Promis, die parallel in Reizwäsche Donald-Trump-Zitate erraten müssen, um Geld für bedürftige Kinder zu sammeln?

Immerhin: Laut Ankündigungsvideo werden die Heavytones dabei sein, seine alte Band. Man kann sich also schon mal darauf einstellen, dass Raab die Ukulele aus dem Schrank holt. Und wenn die Promis, die im Ankündigungsvideo zu seinem Comeback befragt werden, auch nur im Ansatz die angekündigten "spektakulären Gäste" widerspiegeln, könnte das eine ziemlich interessante Mischung werden. Oder wer hat noch nie von einem Duett von Helene Fischer und Helge Schneider geträumt?


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Warum wird die Show nicht im Fernsehen gezeigt?

Dieser Punkt ist ein kurzer, aber wichtiger: Wieso wird schon jetzt rigoros ausgeschlossen, dass das Ganze live für all die Fans übertragen wird, die im Oktober 2018 nicht nach Köln pilgern wollen oder können? Stefan Raab ist ein Mann, der es wie wenige andere verstand, Millionen vor den Bildschirmen zu versammeln – wieso sollte er gerade das plötzlich aufgeben?

Will Raab zeigen, dass er es nicht länger nötig hat, seine Inhalte und Ideen an ein möglichst großes Publikum zu bringen? Hat er Angst, die Einschaltquoten seiner TV-Hochzeiten sowieso nicht mehr erreichen zu können und versucht es deshalb gar nicht erst? Verkauft er den Mitschnitt vielleicht an einen Streaming-Anbieter wie Netflix oder Amazon Prime? So oder so, eins dürfte die Ankündigung erreichen: die Show so schnell wie möglich auszuverkaufen.

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Braucht Deutschland Stefan Raab?

Ist Stefan Raab eine Art Messias des deutschen Fernsehens, der mit innovativen Formaten um die Ecke kam, als man sich bei den großen deutschen Sendern bereits damit abgefunden hatte, bis zum Ende aller Tage Wetten, dass…? und Quiz-Shows mit ehemaligen Dschungelcamp-Kandidaten zu versenden? Oder ist er doch nur ein sehr guter Geschäftsmann, der dünne Witze mit einer großen Portion Ego vermengt und die qualitativ überschaubare Mischung in mehrstündige TV-Events verwandelt? Wie man auch zu Raab stehen mag: Dass er dem deutschen Privatfernsehen seinen Stempel aufgedrückt hat, lässt sich schwer bestreiten.

Raab hat Showformate entwickelt, die so bewusst absurd waren, dass Wetten, dass…?! so stocknüchtern wirkte wie eine dreistündige Live-Übertragung eines Putzmarathons im Kloster. Das muss man erst mal schaffen! Vor allem war er 16 Jahre lang im Geschäft – im Fernsehen eine Ewigkeit. Gewandelt hat er sich in der Zeit kaum – die Branche um ihn herum dafür umso mehr. Die Bedürfnisse der Zuschauer haben sich allein in den letzten zwei Jahren extrem verändert. Gerade junge Mediennutzer wollen smarte Satiriker, die ihnen intellektuellen Beistand in einer Welt leisten, in der rechte Parteien im Bundestag sitzen und der mächtigste Mann der Welt auf Twitter mit einem Atomkrieg liebäugelt. Raum gibt es für Entertainer wie Stefan Raab im deutschen Fernsehen nach wie vor. Die Frage ist nur: Brauchen wir ihn noch? Vielleicht sind wir nächstes Jahr im Oktober schlauer.

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