Robot Love – Sex aus der Zukunft

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Sex

Robot Love – Sex aus der Zukunft

Über die Verschmelzung von Sexualisierung und Technisierung in unserer Gesellschaft.

Sex mit Robotern!? Willkommen im 21. Jahrhundert—einer Ära, in der unsere Gesellschaft auf genau zwei Dinge fixiert zu sein scheint: bessere Technik und den nächsten Koitus. Während in Asien die Androiden immer detailgetreuer werden und in den USA der Markt mit realistischen Liebespuppen boomt, stellt sich die Frage: Sind Sex und Beziehungen mit Robotern tatsächlich eine wahrscheinliche Zukunft? Die Vorstellung davon, dass Maschinen künftig nicht nur als Nutzobjekte dienen, sondern eine soziale und sexuelle Funktion erfüllen, ist tatsächlich gar nicht so weit hergeholt. Ein Blick auf die wahrscheinliche Symbiose zweier Gesellschaftsströmungen.

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Die klassische Liebespuppe

Es ist mittlerweile über zehn Jahre her, dass Spielbergs A.I. – Künstliche Intelligenz in die Kinos kam. Der Hollywood-Epos erzählt nicht nur vor einem kindlich aussehenden Prototypen, der in der Lage ist, Gefühle zu haben, sondern auch von einem Sex-Roboter, der für alleinstehende Frauen entwickelt wurde, um deren verkümmerte Libido wiederzubeleben. Dass Sex mit künstlichen Menschen aber keine vage Zukunftsvorstellung, sondern längst Teil unserer Realität ist, dürfte für niemanden eine bahnbrechende Information sein. Schon die Seemänner im 17. Jahrhundert hatten auf ihren oft monatelangen Reisen die sogenannten Dames de Voyage: rudimentäre Masturbationswerkzeuge aus Holz und Stoff, die für einige schmerzhafte Verletzungen im Intimbereich notgeiler Matrosen verantwortlich gewesen sein dürften. Die unbedenkliche, aufblasbare Sexpuppe, wie wir sie heute kennen, wurde erst sehr viel später erfunden und der Welt bekannt gemacht—von Beate Uhse. 1962 eröffnete sie in Flensburg den ersten Erotik-Shop der Welt, damals noch „Geschäft für Ehehygiene" genannt. Was früher für bloßes Entsetzen und einen regelrechten Kultur-Schock der frigiden Allgemeinheit sorgte, endete 50 Jahre später in dem, was Soziologen heute als Generation Porno beschreiben. Die ursprüngliche Gummipuppe ist längst kein ernstzunehmender Partnerersatz mehr, sondern ein alberner Scherzartikel, für den wir lediglich als dekoratives Party-Accessoire Verwendung finden. Wer sich selbst befriedigen möchte, verzichtet eben gerne auf eine Gummipuppe mit Schwimmflügelhaptik, wo es doch so viele Alternativen in unserer fortschrittlichen von Technik und Geilheit durchtriebenen Zeit gibt.

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Die Invasion der Fickmaschinen

Stichwort: Cyber-Sex. Ob Tinder, erotische Skype-Meetings oder Selbstbefriedigung anhand von 3D-Pornos: maschinell-mediale Liebesspiele sind in unserem Alltag angekommen. Während sich unsere Interaktion im Cyberspace noch größtenteils auf die Kommunikation beschränkt, arbeiten Unternehmen wie Kiiroo längst daran, Cyber-Sex durch die Entwicklung neuartiger Spielzeuge auch auf physikalischer Ebene erlebbar zu machen. Für 378 US-Dollar erhält man von der niederländischen Firma ein Paket, in dem ein Male Masturbator und ein Vibrator enthalten sind. Was die beiden motorisierten Geräte von anderen ihrer Art unterscheidet, ist die Tatsache, dass sie durch das Internet Berührungen auf das jeweils andere Gerät übertragen können—und zwar in Echtzeit (mehr dazu in unserer Doku The Love Industry – das Geschäft mit virtueller Liebe). Ted Nelson, ein amerikanischer Informationstechnik-Pionier hat für die Verwendung solcher computergesteuerten Sextoys den Begriff „Teledildonics" etabliert. Auch wenn zur Zeit viele Hersteller ähnliche Produkte wie die von Kiiroo auf den Markt werfen, ist die Geschichte der Fick-Maschine keine neue. Mitte der 90er kam Helmut Schmitt, ein gelernter Feinelektroniker, auf die Idee, eine Sexmaschine für Frauen zu entwickeln. Das Problem: Vibratoren können zwar rotieren, sich aber nicht eigenständig bewegen. Die Lösung: „Magic Motion"—ein praktisches, ca. 700 Euro teures Möbelstück mit integriertem Dildo, dessen Vibrationen und Stoßeinheiten regulierbar sind. Schmitts Firma HS Systeme wurde auf der weltgrößten Erotikmesse VENUS hoch gelobt—die neuartige Erfindung sei das ultimative Sexspielzeug des 21. Jahrhunderts. Seitdem hat das Unternehmen seine Produktpalette stetig erweitert, zum Beispiel durch den ca. 350 Euro teuren „Blowjob Head". Die Spezialität des motorisierten Puppenkopfes? Deepthroating. Wir Deutschen scheinen halt ziemlich kreativ zu sein, wenn es um unseren Orgasmus geht.

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Die Stoßrichtung des Trends

Ob nun beim Online-Surfen auf Sexportalen oder offline in Fetisch- oder Swinger-Clubs: die Fickmaschine von Helmut Schmitt feiert eine immer größere Fanbase. Nicht zuletzt wegen Serien wie Sex And The City ist auch der Vibrator in der Gesellschaft angekommen, er gilt als Hilfsmittel einer gesunden und selbstbestimmten Sexualität. Da das vor nicht all zu langer Zeit noch weniger als gar nicht vorstellbar gewesen wäre, stellt sich die Frage: wird die Fickmaschine denselben Werdegang durchleben—vom Schatten ins Scheinwerferlicht? Fakt ist, dass Sex in vielen seiner Formen immer abstrakter zu werden scheint. Warum sollte man auch ausgehen und versuchen, jemanden abzuschleppen, wenn jedes Mal die Möglichkeit besteht, mit einem Ego zerschmetterndem Korb nach Hause zu gehen und immer noch nicht gevögelt worden zu sein? Seinen Traumpartner könnte man sich auch einfach per Mausklick nach Hause bestellen, so wie es Ryan Gosling in Lars und die Frauen getan hat. Die Tragik-Komödie handelt von einem sozial zurückgebliebenem Typen, der eine Liebesbeziehung mit seiner Sex-Puppe führt. Die weibliche „Hauptrolle" Bianca wurde deswegen auch von niemand Geringerem als einer RealDoll besetzt—einer Art lebensgroßen Barbie aus Silikon, die fast etwas Menschliches an sich hat. Tatsächlich sehen die neueren Modelle der RealDoll so täuschend echt aus, dass es einem Angst machen könnte, was der amerikanische Hersteller da fabriziert: eine Frau, die nicht nur die eigens erwünschte Optik hat, sondern auch niemals „Nein" sagen wird, egal welche abgedrehte Neigung man auch haben mag. Ab 6.000 US-Dollar aufwärts steht die immer willige Traumfrau (oder eben der Traummann) stets zu Diensten.

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Mehr als nur Geschlechtsverkehr

Das Hauptmotiv für den Kauf dieser Puppen scheint bei vielen Typen jedoch nicht mal der Geschlechtsakt an sich zu sein, sondern die Tatsache, dass sie dann jemanden zu Hause haben, der für sie da ist. Jemanden, zu dem sie sprechen und um den sie sich kümmern können. Dass Menschen in der Lage sind, zu einem Objekt eine emotionale Verbindung aufzubauen, dürfte jedem, der früher einen Tamagotchi oder Furby besessen hat, klar sein. Außerdem ist es noch gar nicht so lange her, dass Siri erfolgreich demonstriert hat, dass es sehr wohl möglich ist, Sympathie für künstliche Intelligenz zu hegen—auch wenn man kein Technik-Nerd ist. Spike Jonze hat diesen Gedanken letztes Jahr mit Her auf die Spitze getrieben. Das futuristische Science-Fiction-Drama erzählt von einem introvertierten Mann, der sich in „Samantha"—ein Computer-Betriebssystem mit eigenem Bewusstsein—verliebt. Diese Vorstellung ist ebenfalls nicht weit hergeholt, wenn man bedenkt, dass der emotionale Bezug zu technischen Wesen in unserer Gesellschaft ebenfalls längst gegeben ist. Der Amerikaner Douglas Hines—Artificial Intelligence Engineer—hat dieses Phänomen erkannt und vor einigen Jahren das Unternehmen TrueCompanion gegründet. 2010 brachte er damit Roxxxy, die weltweit erste interaktive Sexpuppe, auf den Markt. Dem Hersteller nach zu urteilen, kann sie nicht nur Berührungen wahrnehmen und sich im gewünschten Takt bewegen, sondern auch die Vorlieben ihres Besitzers abspeichern und sich mit ihm unterhalten—alles für einen Schnäppchenpreis von rund 7.000 Dollar.

Die Zukunft ist schon da

Henrik Christensen, Vorsitzender des European Robotics Network in Schweden, sagt, dass Menschen bereit sind, Sex mit Puppen zu haben. „Alles, was sich bewegt, wird eine Verbesserung sein." Einigen YouTube-Videos nach zu urteilen, ist Roxxxys Motorik leider noch als „grob" einzustufen. Und auch ihre Optik kommt nicht an die einer RealDoll heran—momentan sieht sie nämlich eher aus wie eine gruselige Wachsfigur, mit der man nachts nicht alleine sein möchte. Widmet man aber dem japanischen Markt einen aufmerksamen Blick, so könnte sich das bald ändern. Technologie-Konzerne wie Toshiba investieren Milliarden und tüfteln wettkämpferisch an humanoiden Androiden, sogenannten Geminoiden, die nicht nur über eine ausgeprägte Mimik und Gestik verfügen, sondern auch in der Lage sind, sich zu bewegen, ihr Gegenüber wahrzunehmen und mit ihm und zu interagieren. David Levy, Autor des Buchs Love And Sex With Robots, ist sich sicher: Mensch-Roboter-Beziehungen werden schon 2050 Teil unseres Alltags sein. Schon heute haben wir Sex mit Gegenständen und verlieben uns über Chat-Fenster in Personen, die wir nie getroffen haben. Sobald Androiden also nicht nur so aussehen, sondern auch noch so handeln werden wie wir, wird es nicht lange dauern, bis wir soziale und sexuelle Bindungen mit ihnen eingehen—vielleicht sogar ohne zu wissen, dass es sich bei unserem Schwarm eigentlich nur um eine Maschine handelt.