FYI.

This story is over 5 years old.

bvb vs. fcb

Ein letztes Mal BVB-Bayern mit Marcel Reif—leider

Marcel Reif wird heute wohl das letzte Mal den Klassiker zwischen Dortmund und Bayern kommentieren. Bayern- und BVB-Fans wird das freuen. Dabei werden auch sie ihn schmerzlichst vermissen.
Foto: imago

„Marcel Reif kommentiert? Oh Gott…", waren schon oft meine Worte, wenn ich Reifs unverwechselbare Krächzstimme vor einer Übertragung hörte. Es werden auch die Aussagen von vielen Fans am Samstagabend sein, wenn Reif mal wieder den Klassiker zwischen Borussia Dortmund und Bayern München bei Sky kommentiert. Wohl ein letztes Mal, weil er den Sender verlässt. Eigentlich schade.

Kommentator Marcel Reif kennt eigentlich nur Freunde oder eben Feinde—dazwischen gibt es nichts. Er polarisiert. So oft haben ihn Fans—in den letzten Jahren vor allem die aus Dortmund und München—schon vor den TV-Geräten angepöbelt und seinen Abschied herbeigesehnt. So oft hat man ihn schon angeschrien, wenn er ständig sein „Weltklasse"-Fleißkärtchen vergibt oder die fünffach-verschiedene Aussprache von Dacklessss aka Doooglas Costa auspackt. Seine Aussage „Ich bin für so was zu alt" nach dem Batman-Jubel von Reus und Aubameyang sorgte sogar für ein Raunen bei BVB-Trainer Jürgen Klopp. Dortmund-Fans griffen ihn an, ein Aprilscherz einer DFB-Sperre für fünf Bayern-Spiele wegen seines „hoch lobenden Sprachgebrauchs" wurde von Fans für bare Münze genommen und Petitionen wurden gegen ihn verfasst und tausendfach unterschrieben. Die Kritik an Reif gehört mittlerweile zum „guten Ton". Aber ist Reif nicht eigentlich das, was der Fußball braucht?

Anzeige

Die Dortmund-Fans verbinden mit Reif eigentlich viel mehr als ein paar negative Ausraster in den letzten Jahren. „Ricken, lupfen jetzt, jaaaaaaaa", zum Tor von Lars Ricken im Champions-League-Finale 1997 ist einer der bekanntesten Torschreie der deutschen Fußball- und Fernsehgeschichte. Für seine legendäre Überbrückungsmoderation nach dem Torfall in Madrid erhielt er zahlreiche Preise („Ein Tor würde dem Spiel jetzt guttun"). Die Bayern-Fans kennen diesen Reif-Moment auch: „Kaaahn. Die Bayern, die Bayern…", schrie Reif 2001 ins Mikrofon, als der Torhüter den letzten entscheidenen Elfmeter im Champions-League-Finale hielt.

Reif feiert, er kritisiert, er provoziert. Dabei ist er eine sterbende Spezies. Er ist kritisch und hat eine Haltung—das ist selten geworden in der glatten Sportmedienwelt. Kein TV-Kommentator hat in den letzten Jahren so viel Gegenwind bekommen wie er—auch weil er oft den Finger in die Wunde legt. Schon 1985 beschwerte sich Franz Beckenbauer über den kritischen Reif. Er kommentiert nicht mit Samthandschuhen, um einem Shitstorm von einem Fanlager oder der Kritik eines Spielers zu entgehen, sondern sagt, was er denkt. Dass er mal einen Spieler verwechselt, sich in einem Gedanken verliert oder taktisch etwas falsch darstellt, gehört dazu und passiert auch seinen besten Kollegen. Bei Reif aber merkt man sich den Fehler, weil man ihn kennt und er oft Sachen sagt, die man nicht so sieht.

Sprachlich spielt Reif meistens Champions League—auch wenn ihm viele Fans Arroganz vorwerfen. Seine Analysen sind bis heute kein vorgeschriebener Schwachsinn, der irgendwie lustig sein soll. Sein Torschrei besteht auch nicht aus laut gebrüllten Superlativen. „Je länger das Spiel dauert, desto weniger Zeit bleibt", sagte Reif mal zu Ende eines Spiels. Oder: „Wenn Sie dieses Spiel atemberaubend finden, haben Sie es an den Bronchien." Kaum ein Kommentator schafft es, Unterhaltung, Expertise und Kritik in solch ein Gesamtpaket zu packen und es den Fans auch mal gelbwürdig in den Magen zu rammen.

Der Zuschauer mit Fanbrille sieht seine Aussagen oft anders—und bepöbelt Reif dafür. Für Schalker und Dortmunder ist er Bayern-Fan, bei Anhängern des Rekordmeisters gilt er als Bayern-Hasser. Schon Jürgen Klopp, Rudi Völler oder Tim Wiese griffen Reif für kritische Aussagen an. Im Jahr 2003, als Sky noch Premiere hieß, erklärte Uli Hoeneß: „Wir werden uns überlegen, ob wir jetzt mal Premiere boykottieren mit Marcel Reif. Das ist für mich unerträglich. In Glasgow beim 0:0 hat er uns niedergemacht. 90 Minuten Totalverriss. Da haben uns Leute geschrieben, dass sie ihn nicht ertragen konnten."

Heutige Schreibtischtäter und Twitter-Pöbler benutzen oft die gleichen Worte. Reif wird aber weitermachen—leider nur bis zum 34. Spieltag. Seine kritischen Worte werden auch am Samstag wieder für viel Ärger und Kritik sorgen—auch bei mir. Aber damit ist er vielleicht der letzte Kommentator, der sich darum nicht schert und immer kritisch sagt, was er denkt. Das weiß auch Reif: „Solange mir in Bayern unterstellt wird, ich sei Bayern-Gegner, und anderswo, ich sei fanatischer Bayern-Fan, kann es nicht ganz verkehrt sein, was ich mache." Ich werde seine Kommentare vermissen, zumindest auf eine ganz spezielle Art und Weise.

Folgt Benedikt bei Twitter: @BeneNie