Auch bei VICE: Aufwachsen ohne Gender

Das anschliessende Resultat im Parlament: Hassrede und Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung sollen strafrechtlich verfolgt werden können. Aber das Kriterium der Geschlechtsidentität wurde nicht in den Entwurf genommen. Wenn also beispielsweise öffentlich gegen eine Person wegen ihrer sexuellen Identität gehetzt wird, wäre das strafrechtlich unproblematisch. In einer Medienmitteilung der Schweizer LGBTQ-Verbände heisst es: "Ein fatales Signal, das unbedingt vom Nationalrat korrigiert werden muss."Im nächsten Schritt wird der Nationalrat am 3. Dezember zum Thema abstimmen. Dann wird sich zeigen, ob die grosse Kammer an ihrer Position festhält und auch die Geschlechtsidentität in den Artikel nimmt oder beim Vorschlag des Ständerats bleibt. Wir wollten von LGBTQs wissen, wie sie schon einmal Diskriminierung erfahren haben und was es für sie bedeutet, dass der Ständerat das Kriterium der Geschlechtsidentität nicht aufnehmen möchte.
Mit freundlicher Genehmigung von Tessa Testicle
Mit einem neuen Gesetzesartikel kann man Kindern besser helfen, die sich genauso einsam und ausgeschlossen fühlen. Der Artikel in seiner jetzigen Form sendet dagegen das Signal aus, dass wir nicht wichtig genug, also Menschen zweiter Klasse sind. Und wir haben keine Chance, uns legal zu wehren. Der neue Gesetzesartikel würde helfen, da wir queeren Menschen dann eine rechtliche Grundlage hätten, um uns zu schützen. Auch heute werden mir in Drag immer noch ab und an homo- und transphobe Beleidigungen hinterher gerufen. Heute tun sie mir nicht mehr so weh. Aber ich bekomme immer noch Angst, wenn ich nachts alleine unterwegs bin und solchem verbalen Missbrauch ausgesetzt bin. Darum schaue ich immer, dass ich mich in sicheren Umgebungen bewege und mit Taxis fahre, um Schlimmeres zu verhindern. Gewalttaten an Mitgliedern der LGBTQIA+-Community sind immer noch sehr präsent und eine echte Gefahr."Der neue Gesetzesartikel würde helfen, da wir queeren Menschen dann eine rechtliche Grundlage hätten, um uns zu schützen.
Trans- und nicht-binäre Menschen sollten geschützt sein, denn wir sind verdammt nochmal auch Menschen. Wir erleben Diskriminierung täglich und überall. Sei es auf der Arbeit oder auf der Strasse. Ich glaube auch, dass viele schwule und lesbische Menschen Diskriminierung erfahren, weil der Ausdruck ihrer Geschlechtsidentität anders ist als die Norm. Zum Beispiel 'femme' schwule Männer oder 'butch' lesbische Frauen. Wenn wir also Geschlechtsidentität in den Artikel aufnehmen, würden wir ein breiteres Spektrum an Menschen schützen.Menschen, Diskussionen, Treffen, Kultur und Entwicklung – all diese Dinge machen das Recht aus. Das Recht sollte nicht von den Menschen gemacht werden, die völlig losgelöst von der wirklichen Erfahrungen einer Gesellschaft leben. Wenn trans- und nicht-binäre Menschen in den Artikel inkludiert werden, könnte das eine starke Message senden, nämlich: Wir sehen euch. Wir hören euch. Wir verstehen, dass wir uns gemeinsam als Gesellschaft weiterentwickeln müssen. Wir haben zuvor vielleicht nichts über die Diversität dieser Gesellschaft gewusst, aber jeder verdient ein anständiges Leben. Es wäre eine kraftvolle Message."Trans und nicht binäre Menschen sollten auch geschützt sein, denn wir sind verdammt nochmal auch Menschen.
Foto: zur Verfügung gestellt
Die meisten Menschen verstehen ja nicht, was ein Transmensch ist. Es wird immer über eine Geschlechtsumwandlung gesprochen, was aber nicht richtig ist. Es ist eine Anpassung an das gefühlte Geschlecht. Ich weiss schon, seit ich sieben Jahre alt bin, dass ich eine Frau bin. Die Anpassung meines nach Aussen dargestellten Geschlechts war für mich eine Notwendigkeit.Wenn der Gesetzesartikel Transmenschen nicht einschliesst, wird das Signal gesendet, dass dem Staat Menschen, die aus der Norm ausbrechen, egal sind und sie mit ihren Problemen selber klarkommen müssen. Ein öffentliches Anprangern wäre somit geduldet."Finn, 23"Ein Haufen Männer und ein paar Frauen bestimmen über ein Thema, von dem sie nur sehr wenig Ahnung haben. Das ist frustrierend. Sie akzeptieren nur den Teil des Pakets, den sie einigermassen verstehen. Das Paket ist nicht umsonst ein Paket. Geschlechtsidentität und sexulle Orientierung liegen beim Thema Diskriminierung sehr nah beieinander, da oft die Diskriminierung keinen Unterschied zwischen den zweien zu machen scheint. Ich fühl mich nicht ernst genommen, meine Erfahrungen von Diskriminierung scheinen nicht zu gelten.Wenn der Gesetzesartikel Transmenschen nicht einschliesst, wird das Signal gesendet, dass dem Staat Menschen, die aus der Norm ausbrechen, egal sind und sie mit ihren Problemen selber klarkommen müssen.
Dabei habe ich das oft schon selbst erlebt. Das geht von subtilen 'gut gemeinten' Kommentaren von Bekannten bis zu Beschimpfungen von Fremden auf der Strasse – auch mitten am Tag – und natürlich Online Hass, wenn Menschen sich öffentlich zum Thema äussern, von angeekelten 'wääh'-Kommentaren, bis zu Aufforderungen zum Suizid. Ich wurde aus öffentlichen Toiletten rausgeschmissen, weil die Leute mich nicht einordnen konnten. Das sind die Sachen, die direkt an mich persönlich gerichtet werden. Aussagen, die gegen die LGBT+-Community, oder auch speziell gegen die Trans-Community gerichtet sind, gibts genug, ob online, in Magazinen, Zeitungen oder im Fernsehen.LGBTQIA+ bedeutet nicht nur Homo- oder Bisexuell. Auch trans- und intersexuelle Menschen und noch viele mehr gehören zur Community und sind ein wichtiger, treibender Teil und das schon von Anfang an. Es gibt viele Menschen, die sich mit mehreren Buchstaben des LGBTQIA+ identifizieren, wie ich zum Beispiel: Trans, queer, pansexuell, nicht-binär. Es kann nicht sein, dass nur ein Teil meiner Identität geschützt ist. Wir existieren, uns nicht zu berücksichtigen ist so, als würde man uns unsere Identität absprechen. Die zwei binären Schubladen Mann und Frau treffen nicht auf alle Menschen zu."Andres, 31Wir existieren, uns nicht zu berücksichtigen ist so, als würde man uns unsere Identität absprechen.
Hass-motivierte Angriffe auf LGBTQ-Menschen sind extrem verbreitet. Wir queeren Menschen, insbesondere Transfrauen und queer People of color, haben ein extrem hohes Risiko, Opfer von Gewalt und Diskriminierung zu werden. Wir möchten, dass die Menschen verstehen, dass die Mehrheit dieser Verbrechen nicht von Extremisten oder organisierten Gruppen begangen werden, sondern von Menschen, die als 'normale Mitglieder der Gesellschaft' gesehen werden. Wenn wir von einem Gesetz geschützt werden, haben wir ein Recht, diese Straftaten anzuzeigen und Gerechtigkeit zu bekommen. Wir möchten öffentlich - und ohne Angst vor Hatespeech - queer sein, sei es zuhause, in der Schule, auf der Arbeit, oder auf der Strasse."Folge VICE auf Facebook, Twitter und Instagram.Wir möchten, dass die Menschen verstehen, dass die Mehrheit dieser Verbrechen nicht von Extremisten oder organisierten Gruppen begangen werden, sondern von Menschen, die als 'normale Mitglieder der Gesellschaft' gesehen werden.