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Wie die Vorsitzende der Jungen Union Hamburg auf Twitter zur linken Steinewerferin wurde

Sogar ihre Parteikollegin Julia Klöckner ist darauf reingefallen.
Foto: Screenshot Twitter

Eine Frau mit Stein in der Hand. Darüber der Schriftzug "Flora bleibt." Das Foto wird auf Twitter über 200 Mal retweetet. Die Message ist klar: Linksautonome machen Propaganda. Nur ist die Frau, die auf dem Bild zu sehen ist, keine linke Aktivistin, sondern eher das Gegenteil. Sie ist Vorsitzende der Jungen Union Hamburg, Biochemie-Studentin und definitiv keine Unterstützerin der Roten Flora. Wie konnte das passieren?

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Alles fing 2016 mit einem Video der Jungen Union Hamburg auf Facebook an: Antonia Niecke läuft durchs Hamburger Schanzenviertel, fröhliche Begleitmusik, sie redet vom friedlichen Miteinander und Vielfalt: "Jeder Extremist ist Mist", sagt sie am Ende und hält einen Pflasterstein in die Kamera.

Ein paar Tage später twittert ein User mit dem Namen "Flora baut" einen Screenshot dieser Szene. Nur mit einer vollkommen anderen Message: "Flora bleibt! Besetzte Häuser bekämpfen und verteidigen", heißt es darauf. Das gefakte Foto fiel über ein Jahr niemandem auf. Bis eine Studentin namens Dora Bromberger es jetzt nach den G20-Krawallen wieder rausholte.

Sie wollte davor warnen, wie gefährlich doch die Linken seien. "Immerhin ist der Stein schon in Wurfhöhe angesetzt", schreibt sie auf Twitter. AfDler und Menschen, die sich auf Twitter "Vadderland" nennen, retweeten den Post. Selbst für prominente Vertreter ihrer Partei wird die Biochemie-Studentin zur Steinewerferin und Flora-Supporterin. Julia Klöckner, die Landesvorsitzende der CDU in Rheinland-Pfalz, teilte das Bild. "Eigentlich", sagt Antonia Niecke zu VICE, "kennen wir uns sogar persönlich."

Antonia nimmt Julia Klöckner das nicht übel: Im "Eifer des Gefechts" könne so etwas schon mal passieren. Ein bisschen peinlich ist der 26-Jährigen das Ganze aber trotzdem. Deshalb hat sie auch direkt einen Tweet an Klöckner abgesetzt, um die Sache klarzustellen.

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Antonia Niecke sagt, sie nehme die Aktion der Flora-Aktivisten gelassen. "Zuerst habe ich gelacht. Als ob die keine eigenen Leute hätten, die sie fotografieren könnten." Auf Twitter schrieb sie bloß: "Ich hätte nie mit einer Modelkarriere gerechnet." So ganz scheint ihr das Ganze aber nicht zu gefallen. Zu VICE sagte sie: "Ich habe natürlich gehofft, als eigene Person so viel Aufmerksamkeit zu bekommen und nicht durch einen Fake."

Antonia Niecke bei einer Rede als Vorsitzende der JU Hamburg Foto: privat

Dass Fotos ungefragt für politische Zwecke benutzt werden, passiert immer mal wieder. So zum Beispiel auch beim Fotografen Jahanzaib Naiyyer, der einen Freund aus Pakistan fotografiert hatte. Das Bild wurde von der AfD als Fotomontage über einen Babykopf gebastelt. Die Message: "Minderjährige Asylbewerber: Was man dir zeigt und wie es augenscheinlich ist." Und einige werden sich noch an die glückliche Familie erinnern, die erst durch finnische Quarkwerbung und dann durch FDP- und NPD-Wahlwerbespots geradelt ist.

Auch für Antonia Niecke ist es nicht das erste Mal, dass sie ein bearbeitetes Bild von sich in sozialen Netzwerken wiederfindet. 2013 oder 2014 erzählt sie, habe jemand auf ein Bild von ihr ein "Ausländer raus"-Plakat gebastelt. Da hat sie aber sofort dafür gesorgt, dass es rausgenommen wird.

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