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Bundesliga

Der Meister der Geldbußen und seine 44 Verfolger

Insgesamt 1,4 Millionen Euro mussten deutsche Vereine in der letzten Saison an Geldstrafen für Sicherheitsvergehen bezahlen. Eine Besserung ist nicht in Sicht, weil Vereine uneinsichtig, der DFB intransparent und Fans stur sind.
imago/Sven Simon

Zünden von zwei Rauchtöpfen gegen Jahn Regensburg: 1500 Euro Strafe für die Stuttgarter Kickers. Das Werfen von einem mit Urin gefülltem Becher auf Spieler von RB Leipzig: 6500 Euro Strafe für den 1. FC Heidenheim. Blocksturm und Abbrennen von Pyrotechnik gegen Duisburg und Platzsturm in Mönchengladbach: Teilausschluss der Zuschauer bei drei Heimspielen und 200.000 Euro Strafe für den 1. FC Köln.

In der letzten Saison wurden wieder fast alle Vereine der obersten drei Fußballligen in Deutschland zur Kasse gebeten. Ob Fehlverhalten von Fans oder ein mangelhafter Sicherheitsdienst—die Urteile des DFB-Sportgerichts sind längst zum festen Bestandteil des Ligaspielbetriebs geworden. Der DFB verurteilte 45, der 56 Vereine zu insgesamt 1.428.700 Euro Strafe—nur wegen Sicherheitsverstößen versteht sich. Das sind 22 Prozent mehr als in der Spielzeit 2013/14. Nur drei Bundesligisten ließen sich nichts zu Schulden kommen.

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Ein ordentlicher Batzen Geld, der da Woche für Woche von den Vereinen zum DFB überwiesen wird. Aber wer entscheidet wie teuer ein Vergehen ist und wiegt ab ob ein Urin-Becherwurf teurer ist als ein qualmender Rauchtopf? Wo fließt das Geld hin? Wieso ist die Höhe der Strafzahlungen gestiegen? Und warum zahlen die Vereine und nicht die Täter?

In der Geldstrafen-Tabelle der letzten Saison 2014/2015 musste der 1. FC Köln nach dem massiven Fehlverhalten ihrer Fans mit 200.000 Euro mit Abstand am meisten Strafe zahlen. Die Kölner mussten nicht nur zahlen, sondern auch ihre drei Heimspiele gegen Hoffenheim, Leverkusen und Schalke vor leerer Südtribüne austragen. Schon im Jahr davor hatten die Rheinländer mit 80.000 Euro hinter Hannover 96 (108.000 Euro) und dem TSV 1860 München (82.000 Euro) den dritten Platz der Strafentabelle eingenommen. Die Höhe der DFB-Strafe hängt immer mit dem vorherigem Fehlverhalten der Fans zusammen—die Kölner waren Wiederholungstäter. Nachdem sie im Oktober in Duisburg schon durch Pyrotechnik für eine Spielunterbrechung sorgten, stürmten ein Dutzend Kölner Fans im Derby gegen Mönchengladbach im Februar den Platz.

Oberstes Ziel des DFB sei es nach eigenen Angaben Ausschreitungen und Pyrotechnikvorfälle in den Stadien zu verhindern. Andernfalls könnten Zuschauerbeschränkungen, Stehplatzverbote oder gar Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit drohen. Das Beispiel der Kölner zeigt, an wie viele Maßnahmen solch ein Urteil gekoppelt ist. Der Maßnahmenkatalog, der dem 1. FC Köln mit dem Urteil auferlegt wurde, sah sieben Punkte vor. Von den 200.000 Euro sollten 120.000 Euro in infrastrukturelle und gewaltpräventive Maßnahmen investiert werden. Unter anderem musste ein gemeinsames Sicherheitskonzept mit Borussia Mönchengladbach erstellt werden, es durften nur noch personalisierte Eintrittskarten zu Auswärtsspielen abgegeben werden und der Klub muss zur neuen Saison einen weiteren hauptamtlichen Fanbeauftragten und einen hauptamtlichen Sozialpädagogen einstellen. Das restliche Geld geht an gemeinnützige Organisationen.

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Hinter den Kölnern folgt Borussia Dortmund, die für ihre Pyro-Show im DFB-Pokalfinale mit einer 90.000 Euro-Strafe belangt wurden. Sie dürfen in Zukunft auch keine Fahnen oder Transparente mehr zu Auswärtsspielen mitbringen, da sie die Pyrofackeln unerkannt darunter zünden könnten. Der HSV, Schalke und Eintracht Frankfurt folgen auf den Plätzen. Die meisten Strafen werden wegen dem Abbrennen von Pyrotechnik, Rauchtöpfen, Blinkern und anderen Feuerwerkskörpern fällig. Das macht der DFB bewusst. Pyrotechnik gehört für die Ultras fast aller Vereine zur Fankultur dazu. Die Meinungsverschiedenheit über das Abbrennen von Pyro im Stadion zwischen der Ultràszene und DFB entstand nachdem der DFB Gespräche über eine Legalisierung und sicheres Abbrennen vor ein paar Jahren einstellte. Neue Verhandlungen über die Legalisierung von Pyrotechnik werden im Keim erstickt, obwohl ähnliche Modelle, wie von der Pyrokampagne vorgestellt, in anderen Ländern bereits praktiziert werden. Die Fronten sind verhärtet. Das Abbrennen und die harten Starfen sind Sinnbild für den Machtkampf, wo jede Seite dem anderen seine Stärke präsentieren will.

Unter diesem Machtkampf und den daraus resultierenden Geldstrafen leiden meist die Vereine. Der DFB kann die Strafen nur gegen sie aussprechen. Die Täter direkt zu saktionieren kann der Verband nicht, da die juristischen Möglichkeiten des DFB auf das Verbandsstrafrecht beschränkt sind. Im Rahmen der Lizenzierung für erste bis dritte Liga gehen die Vereine mit dem DFB einen Vertrag ein. Der verpflichtet sie beim Fehlverhalten von Fans zur Zahlung. So sollen die Klubs auf Druck des Geldes ihren engeren Draht zu den eigenen Fans nutzen und zukünftiges Fanfehlverhalten verhindern.

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Die Vereine versuchen diese Strafzahlungen oft von den Fans zurück zu bekommen. Auch dafür werden immer höher auflösende Kameras in den Stadien installiert. Die Fans sind nicht nur deswegen enttäuscht von ihren Vereinen. Sie fühlen sich oft alleingelassen und werfen den Vereinen vor zu sehr auf der Seite des DFB zu stehen. Der DFB empfiehlt den Klubs zudem ausdrücklich, gegen die Täter rechtlich vorzugehen. Rechtlich sei eine Weitergabe der Verbandsstrafe aber bedenklich, sagt Ralf Peisl, Nürnberger Rechtsanwalt der Arbeitsgemeinschaft Fananwälte. Das Amtsgericht Köln wies im Oktober 2012 eine Klage des 1. FC Köln gegen einen Fan über 3333,33 Euro zurück. Auch der Kölner Anhänger hatte beim Auswärtsspiel auf Schalke Becher—teilweise gefüllt mit Urin und Kot—in die Heimblöcke geworfen. Der DFB verurteilte den Verein zu 10 000 Euro Strafe. Der FC wollte die Schadenssumme von den Fans zurückhaben, die beteiligt gewesen sein sollen. Doch im Urteil hieß es: Es sei für den Angeklagten „nicht vorhersehbar, dass ein Plastikbecherwurf, sei dieser auch mit Fäkalien gefüllt gewesen oder einfach mit einer trinkbaren Flüssigkeit, eine Geldstrafe von 10 000 Euro bewirken könnte".

Faninitiativen kritisieren zudem, dass das Sportgericht den Veranstalter in der Regel in Mithaftung nimmt, jedoch bei DFB-Veranstaltungen wie dem Pokalfinale wird darauf verzichtet. Ein weiterer Streitpunkt und Hauptproblem der DFB-Strafen ist jedoch der fehlende Maßstab. Was macht einen Urinbecher teurer als einen Rauchtopf? Bis heute fehlt den Richtern, Klubs und Fans ein einheitlicher Strafenkatalog als Orientierung.

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Es scheint im gefühlten Dreikampf von DFB, Vereinen und Fans noch lange keine Beruhigung und nur Verlierer zu geben. Vor allem der DFB muss auf die Vereine und die Fans zugehen und von der harten Linie mit willkürlichen und intransparenten Entscheidungen absehen. Vielleicht werden dann künftig weniger Strafen zu zahlen sein und der ein oder andere Fan wirf seinen Urin nicht mehr herum.

Folgt Benedikt bei Twitter: @BeneNie

Alle Geldstrafen der Saison 2014/2015

1. 1. FC Köln 200.000 Euro

2. Borussia Dortmund 140.000 Euro

3. Hamburger SV 107.000 Euro

4. FC Schalke 04 87.000 Euro

5. Eintracht Frankfurt 70.000 Euro

6. Karlsruher SC 65.000 Euro

7. Fortuna Düsseldorf 59.000 Euro

8. 1860 München 53.000 Euro

9. 1. FC Kaiserslautern 42.000 Euro

10. 1. FC Nürnberg 37.500 Euro

11. 1. FC Union Berlin 36.000 Euro

12. VfL Bochum 33.000 Euro

13. VfR Aalen 32.000 Euro

14. FC Erzgebirge Aue 31.000 Euro

15. FC St. Pauli 29.000 Euro

15. Preußen Münster 04 29.000 Euro

17. FC Bayern München 25.000 Euro

17. Hertha BSC 04 25.000 Euro

17. Energie Cottbus 04 25.000 Euro

20. Rot-Weiß Erfurt 23.200 Euro

21. Werder Bremen 23.000 Euro

22. Hallescher FC 21.000

23. Dynamo Dresden 20.000

24. VfL Osnabrück 19.000

25. VfB Stuttgart 18.000

26. SpVgg Greuther Fürth 15.000

27. Darmstadt 98 14.000

28. Hansa Rostock 13.500

29. Bayer Leverkusen 13.000

29. Eintracht Braunschweig 13.000

31. VfL Wolfsburg 12.000

31. MSV Duisburg 12.000

33. Hannover 96 10.000

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33. Arminia Bielefeld 10.000

35. Borussia Mönchengladbach 9000

35. Jahn Regensburg 9000

37. Chemnitzer FC 8000

38. 1. FSV Mainz 05 7500

39. FC Ingolstadt 7000

40. 1. FC Heidenheim 6500

40. Borussia Dortmund U23 6500

42. Fortuna Köln 6000

43. FC Augsburg 4000

44. SpVgg Unterhaching 1500

44. Stuttgarter Kickers 1500

Ohne Geldstrafe:

1899 Hoffenheim, SC Freiburg, SC Paderborn, RB Leipzig, SV Sandhausen, FSV Frankfurt, Holstein Kiel, SV Wehen Wiesbaden, VfB Stuttgart U23, Sonnenhof Großaspach, 1. FSV Mainz 05 U23

Quelle: Welt.de/DFB.de