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Mit Prothese keine Medaille

Markus Rehm darf seinen deutschen Meistertitel im Weitsprung nicht verteidigen, weil seine Konkurrenz in seiner Prothese einen Wettbewerbsvorteil sieht. Der Verband hat noch keine Lösung gefunden. Antreten wird Rehm trotzdem.
Imago/Sebastian Wells

Vor einem Jahr gewann Markus Rehm überraschend die Deutsche Meisterschaft. Es war eine Sensation, weil Rehm mit einer Unterschenkel-Prothese die Goldmedaille beim Weitsprung der Nichtbehinderten holte. Heute Abend wird der 26-Jährige als amtierender Deutscher Meister im Weitsprung seinen Titel nicht verteidigen–egal wie weit er fliegt. „Das ist schon schwer zu verstehen", erklärte Rehm gegenüber der Nachrichtenagentur SID.

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Voraussgegangen war ein Streit, der für Wirbel in der ganzen Leichtathletik-Szene sorgte. Mit einem 8,24 Meter-Sprung gewann Rehm im letzten Jahr vor dem ehemaligen Europameister Christian Reif (8,20 Meter) und verbesserte seinen eigenen Paralympics-Weltrekord um 29 Zentimeter. Sein Meisterschafts-Gewinn galt aber erst unter Vorbehalt. Rehm wurde nicht für die letztjährige EM in Zürich nominiert. Sechs der sieben unterlegenen Gegner von 2014 haben beim Deutschen Leichtathletik-Verband Beschwerde gegen die Wertung von Rehms Sieg eingelegt. Ihr Vorwurf: Rehm habe bei seinem Titelgewinn einen unfairen Vorteil gehabt. Beim Absprung des Fußgelenks würden 20 Prozent der Energie verloren gehen–bei Rehms Corbon-Gelenk null Prozent.

Ob Rehm durch seine Prothese einen Vorteil gegenüber nicht behinderten Athleten hatte, sieht der DLV als wahrscheinlich, aber bisher nicht zweifelsfrei bewiesen an. Zwischen 200.000 und 300.00 Euro soll ein wissenschaftliches Gutachten kosten. Es soll eine allgemeine Lösung und Regelbarkeit für all diese Fälle, und nicht nur für den von Rehm, gefunden werden. Bis dahin darf sich Rehm bei den deutschen Meisterschaften heute Abend zwar wieder mit der nationalen Elite der Nichtbehinderten messen, wird beim Wettkampf aber getrennt gewertet.

„Ich will keine Forderungen stellen oder klagen. Aber ich möchte, dass meine Leistungen respektiert werden", erklärte Rehm, der bei einem Wakebord-Unfall im Alter von 14 Jahren sein rechtes Bein unterhalb des Knies verlor. Danach zog es ihn in die Leichtathletik und er gewann zwei WM- und EM-Titel und Gold im Weitsprung bei den Paraolympischen Spielen von London. Sein Traum bei den nichtbehinderten Sportlern anzutreten ging danach in Erfüllung. Die Diskriminierung nach seinem Meistertitel regt Rehm auf: „Es ärgert mich, wenn bei mir nicht auf meine Leistung geschaut wird, sondern immer nur auf meine Prothese."

Der Leichtathlet von Bayer Leverkusen, der seinen paralympischen Weltrekord in diesem Jahr auf 8,29 m gesteigert hat, freut sich trotzdem auf die heutige Weitsprung-Show zum Auftakt der Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften auf dem Nürnberger Hauptmarkt. „Wir springen in Nürnberg mitten in der Stadt–sehr cool. Da habe ich richtig Bock drauf", sagte Rehm. „Ich kann keine Medaille gewinnen, aber ich will vorne mitspringen." Für Aufsehen kann er immer noch sorgen. Er will beweisen, dass auch er einer der besten Sportler in seiner DIsziplin ist, ob mit oder ohne Bein. „Wenn ich die Tagesbestweite schaffe, wäre das natürlich toll."