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Was unternehmen Fußballclubs gegen rechte Hooligans?

Sechs Monate nach der ersten HoGeSa-Demo ist es Zeit für die Frage: Haben deutsche Fußballclubs irgendwas daraus gelernt?

Ende Oktober 2014 kam es in Köln zu schweren Ausschreitungen auf der Demo der „Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa). Um die 5.000 Hooligans, Rechtsextreme und Mitläufer verbreiteten lauthals ihr rechtes Gedankengut und lieferten sich Straßenschlachten mit einer überforderten Polizei.

Viele der Hools trugen Fanutensilien verschiedener deutscher Fußballvereine. Der Aufschrei von Medien und Politik war groß—doch wie hat Fußball-Deutschland reagiert?

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Die ersten Schritte kamen relativ schnell: Nur wenige Tage nach der Demo in Köln und dem medialen und gesellschaftlichen Wirbel änderten viele deutsche Fußballvereine ihre Stadionordnung. HoGeSa-Kleidung wurde in den Stadien von Fortuna Düsseldorf, dem FC Schalke 04, dem SC Paderborn, dem 1. FC Nürnberg und weiteren Vereinen verboten. Die Klamotten der Hool-Bewegung hatten sich bis dahin vor allem bei rechtsgesinnten Hooligans gut verkauft. Die Demo in Köln war der Höhepunkt der Bewegung. Der Wirbel um HoGeSa ebbte danach immer weiter ab.

Dennoch beflügelten HoGeSa und ihre öffentliche Aufmerksamkeit andere nationalistisch angehauchte Großveranstaltungen, wie die vermeintlich zivilgesellschaftlich motivierten Pegida-Märsche in Dresden. Auf die Demos von HoGeSa verirrten sich nur noch wenige Anhänger. Dazu kam noch, dass sich Anfang Januar einige der Hooligans von HoGeSa abspalteten und sich seitdem „Gemeinsam-Stark Deutschland" nennen.

Die Kritik: HoGeSa habe Ideale verraten. Einigen Köpfen der Gruppe ging es scheinbar nur noch um den Verkauf von Hoodies und Shirts—und vor allem um das Geld der Merchandising-Einnahmen. Seitdem wurden ihre Demos immer wieder abgesagt, und die Hools taten sich mit anderen rechten Gruppen zusammen. Am Wochenende vor Ostern erst unterstützten sie eine Demo in Dortmund, zu der knapp 700 Neonazis kamen.

Zu allem Ärgernis vieler Fans von Borussia Dortmund durften die Neonazis und rechten Hools nach der Demo am Samstag, den 28.03., auch eine abschließende Musikveranstaltung im Schatten des Westfalenstadions abhalten. In der Nähe des größten Fußballstadions Deutschlands trat die Rechtsrock-Band Lunikoff auf. Für die Rechten eine akzeptable Kulisse. Für die Polizei scheinbar auch. Für Verein und Fans ein Desaster.

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Seit den Vorfällen in Köln ist auch beim BVB in der Stadionordnung ein Verbot für Kleidung von HoGeSa verankert. Am Tag der Demo konnte der Verein nur wenig tun. „Wir konnten kaum reagieren, weil wir erst kurzfristig davon erfahren haben, dass das Stadion in Reichweite ist", erklärt BVB-Fanbeauftragter Daniel Lörcher. Einen Tag vorher hatte die Dortmunder Polizei die abgeänderte Route der rechten Demo mit dem Ziel in der Nähe des Westfalenstadions bekannt gegeben. „Die einzige Möglichkeit war, gemeinsam mit Fans und Fanabteilung ein Banner in Sichtweite der Kundgebung mit der Aufschrift ‚Fußball und Rassismus passen nicht zusammen' aufzuhängen", erklärt Lörcher weiter. „Wir haben dann noch dafür gesorgt, dass die Beleuchtung des Stadions abends ausbleibt."

Nicht mit unserem Stadion! Unsere klare Botschaft: Fußball und Rassismus passen nicht zusammen! — BVB | Fanabteilung (@Fanabteilung)28. März 2015

Vom Verein Borussia Dortmund wurde direkt gegen HoGeSa bis auf das Kleidungsverbot noch nichts unternommen. „Nach HoGeSa wussten wir, dass wir unser Engagement nicht groß umstellen müssen, nur weil da etwas aufgetreten ist, was wir hier in Dortmund sowieso als Problem kennen", erläutert Lörcher. Dennoch nahm man sich der Sachen mehr oder weniger an. „Wir hatten schon einen Referenten für das Thema HoGeSa. Leider musste diese Veranstaltung wegen Terminkollisionen bisher geschoben werden", erklärte Lörcher. Der Fanbeauftragte sicherte aber zu, dass es zu dieser Infoveranstaltung noch kommen wird.

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— Maggie (@maggie_1909)28. März 2015

Vor allem in Dortmund zeigt sich, wie eng verstrickt die rechte HoGeSa-Bewegung mit Fanszenen von Fußballvereinen ist. Die Stadt Dortmund ist eine Hochburg der rechten Szene. Der BVB ist auch davon betroffen und gerät deshalb immer mal wieder in die Schlagzeilen. In den 80er Jahren sorgte der BVB-Fanclub „Borussenfront" um den rechtsextremen Siegfried Borchardt (SS-Siggi) für Aufsehen, Schlägereien und Hetzjagden.

Das Dortmunder Fanprojekt konnte die Borussenfront zwischenzeitlich aus dem Stadion verdrängen. Doch bei vielen anderen Vereinen erleben rechtsextreme Gruppen und Einzelpersonen seit ein paar Jahren wieder einen Aufschwung. Es geht hier nicht nur um Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Gruppierungen, sondern vor allem um die Stimmungshoheit und Macht in der Kurve.

„Das Wachsen der Ultrabewegung hat mit dafür gesorgt, dass der offene Rechtsextremismus in den Fankurven zurückgegangen ist", stellt Gerd Wagner von der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) fest. Dagegen wehren sich die Rechten jetzt—HoGeSa ist nur die Sperrspitze einer rechten Gegenbewegung.

„Antidiskriminierend agierende Ultras werden von klar rechtsextremen bis rechtsoffenen Gruppen angegriffen. Der Kampf um die Hegemonie in den Kurven findet wieder offener statt", erklärt Wagner. Die Öffentlichkeit, Vereine und Verbände agieren zwar sensibilisierter bei Themen wie Rassismus und Diskriminierung als noch vor 20 Jahren, dennoch sind die meisten Vereine auf Konflikte innerhalb der Fanszene noch nicht richtig eingestellt.

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Auch in Dresden und Leipzig gibt es HoGeSa-Truppen. Experten sprechen gar von der „modernen SA", weil die Hools für den Schutz auf den Pegida- oder Legida-Demos sorgen. Sowohl auf der Pegida- als auch auf der Gegenseite laufen Teilnehmer mit Dynamo-Dresden-Fanutensilien herum. Dem Verein gefällt das nicht.

Dynamo startete im vergangenen Jahr zwar diverse Aktionen gegen Rassismus und ließ per Pressemitteilung Anfang Januar verkünden, dass sich der Verein für „Akzeptanz und Respekt sowie gegen Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus" einsetze. Aber eigentlich will der Club nichts mit tagesaktueller Politik zu tun haben. Keine Seite soll verärgert werden. Statt sich voll und ganz zu distanzieren, sucht Dynamo Dresden den Dialog.

Der BVB hat sich auch wegen massiver Kritik und diverser negativer Medienberichte dem Problem „Rechts" erst recht angenommen. Letztes Jahr wurde der Verein vom DFB mit dem Julius-Hirsch-Preis für die Arbeit zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus durch diverse Gedenkstättenfahrten für Fans nach Lublin und Auschwitz ausgezeichnet. Es werden Flyer im Stadion verteilt, die auf rechte Codes und Symbole hinweisen, es gibt haufenweise Aktionen, Texte und Videos im Internet. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Sportwissenschaft der Universität Hannover wird der Prozess beim BVB wissenschaftlich begleitet.

Es wird vor allem versucht, langfristig zu arbeiten. „Wir haben ein Konzept und eine klare Handlungsweise", erklärt BVB-Fanbeauftragter Lörcher. Dem Verein sind vor allem erfahrbare Methoden wichtig. „Es bringt nichts, die Fans zu belehren. Sie müssen es erfahren, um sensibilisiert und in die Projekte eingebunden zu werden." Eine der neusten Aktionen des Vereins in Zusammenarbeit mit der Fanabteilung ist die Aktion „Kein Bier für Rassisten". Über eine Million Bierdeckel wurden mit dem Slogan in Keipen und Restaurants im gesamten Dortmunder Stadtgebiet verteilt. Natürlich werbewirksam in Szene gesetzt. Kult-Trainer Jürgen Klopp sowie Weltmeister Mats Hummels ließen sich mit den Bierdeckeln ablichten. Das gehört eben auch dazu.

Aus den tagesaktuellen politischen Fragen halten sich die meisten Vereine anders als ihre Ultras, Fans oder die Bevölkerung heraus. Was vielleicht sinnvoll ist. Nachhaltige akribische Arbeit macht mehr Sinn als kurzfristige Pressemitteilungen oder flache Symbolpolitik.

Die Vereine müssen den Fans etwas vorleben. Von innen heraus müssen Zeichen nach außen gesetzt werden. Es muss sich klar positioniert werden und dem Fußball muss klar werden, dass diese rechten Aktivitäten von HoGeSa auch in ihren Verantwortungsbereich fallen. Die DFL bietet seit Jahren Fachtagungen für Vereine und Fanbetreuer an. Auch zu HoGeSa. Doch wirklich konsequent angenommen hat sich dem Thema scheinbar keiner. Dabei hat vor allem die Demo in Köln gezeigt, wie viel Potenzial rechte Hools haben, wenn sie all ihre Reihen mobilisieren.

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