FYI.

This story is over 5 years old.

Vice Blog

Wie die FPÖ mit dem Bargeld-Thema Existenzängste schürt

Die FPÖ hat ein neues Aufreger-Thema: Sie möchte die Abschaffung des Bargelds verhindern, obwohl das eigentlich von niemandem gefordert wird.

In einem Facebook-Posting von Mittwoch warnt Heinz-Christian Strache einmal mehr vor dem drohenden Horrorszenario einer bargeldlosen Gesellschaft, mit der „die EU" endgültig ihr angebliches Ziel der Entmündigung und Überwachung aller Bürger erreichen würde.

Ziemlich haarsträubend an diesem Posting ist, wie Strache im Hinblick auf die aktuelle Debatte rund um den 500-Euroschein mit dem Beispiel der USA argumentiert: „Man sollte einmal fragen, ob die USA auch eine Bargeldabschaffung planen? Sicher nicht! Die USA haben übrigens 100, 500, 1000, 5000 und sogar 10.000-Dollar-Scheine."

Anzeige

Tatsächlich existieren in den USA 500, 1000, 5000 und 10.000er Scheine. Diese haben aber mittlerweile vor allem antiken Wert—so wurden die 500-Dollar-Noten hauptsächlich zwischen 1928 und 1934 produziert. Bereits ab 1945 hatten die Scheine schon keine wirkliche Druckauflage mehr. Im Jahr 1969 wurde dann offiziell beschlossen, eine weitere Verbreitung zu stoppen.

Zwar gesteht Strache weiter unten im Posting, dass die großen Dollarnoten nicht mehr gedruckt werden (ohne Jahreszahlen zu nennen), argumentiert aber gleichzeitig, dass sie „offizielles Zahlungsmittel" seien. Und theoretisch stimmt auch, dass man mit den alten Dollarscheinen noch bezahlen darf—im Hinblick auf ihre Seltenheit sind sie aber längst kein herkömmliches Zahlungsmittel mehr, sondern Sammlerstücke. Ein echter 500-Dollar-Schein ist locker doppelt so viel wert. Dazu gibt es in den USA sehr wohl Überlegungen, sogar den 100-Dollarschein abzuschaffen.

Das Beispiel der USA dient also eigentlich eher als Gegenargument zu Straches Wunsch, den 500-Euro Schein auf keinen Fall abzuschaffen. Schon seit mehreren Wochen versucht sich die FPÖ als Retterin des Bargeldes zu positionieren. Zuletzt überlegte man, ein Volksbegehren und eine Volksabstimmung zu initiieren, sollte den Bürgern nicht ihr Recht auf Bares in die Verfassung geschrieben werden.

Verfassungsjurist Heinz Mayer hat so ein Vorhaben, wie es zum Teil auch von der ÖVP, dem Team Stronach und den Neos unterstützt wird, gegenüber dem Kurier jedoch als „wirkungslos" bezeichnet: „Wenn die Union so etwas beschließen sollte, kann das kein österreichisches Verfassungsgesetz verhindern."

Der zentrale Punkt dabei ist aber, dass die EU gar nicht vorhat, das Bargeld abzuschaffen, wie die FPÖ der Bevölkerung weismachen will. Auch wenn seitens der EZB derzeit die Abschaffung des 500ers diskutiert wird, wirkt es ziemlich hysterisch, deshalb gleich den Anfang vom Ende des gesamten Bargeld-Systems auszurufen.

Ein zweiter Punkt, der derzeit auf europäischer Ebene diskutiert wird und ebenfalls in den Kontext der völligen Bargeld-Abschaffung gestellt wird, ist die Überlegung zur Beschränkung der Höhe von Bargeld-Zahlungen. Diese Idee stammt übrigens nicht von der EU selbst, sondern von einer Mehrheit an Mitgliedstaaten, in denen es bereits solche Begrenzungen gibt. Österreich und Deutschland (das sich für eine Grenze von 5.000 Euro ausspricht) zählen da noch zu den wenigen Ausnahmen. Ob Begrenzung oder nicht—dass der alltägliche Bargeldgebrauch der „normalen Leute", als deren Schutzherr sich die FPÖ immer versteht, davon hart getroffen wäre, kann man eher ausschließen.

Auch wenn sie es lautstark prophezeit, glaubt die FPÖ wohl selbst nicht an ein baldiges Ende des Bargeldes—es geht ihr vor allem um das strategische Kalkül. Wenn existenzielle Ängste und Unsicherheit, wie derzeit, ohnehin stark grassieren, bietet die Vertrautheit zum Bargeld auch Platz für noch mehr neue, schlimme Befürchtungen, mit denen man Menschen noch enger an sich binden kann—ob sie realistisch sind, oder nicht, ist da eher egal.

Andererseits hat die Linie der FPÖ doch auch was Bemerkenswertes: Immerhin kämpft die Partei nun um den Erhalt der Geldscheine jener Währung, die sie selbst immer abschaffen wollte.