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Badesalz ist nicht gleich LSD

Schlagzeilen wie „Macht Badesalz Menschen zu Kannibalen?" oder „Neue 'Badesalz'-Droge lässt Menschen völlig ausrasten" hypnotisieren verängstigte Eltern, Spießer und sogar coole Leute.

Wenn man bei Google News nach dem Wort „Badesalz" sucht, bekommt man nicht nur ein paar Links, bei denen es darum geht, dass das „Komiker-Duo" mit diesem Namen seinen Auftritt beim Hessentag absagen musste, sondern auch solche, bei denen es um den „

Zombie-Kannibalen

" aus Miami geht. Dieser ist nicht zu verwechseln mit dem „

Kanada-Kannibalen

" oder

Issei Sagawa

.

Zurück zum „Zombie-Kannibalen". Recherchiert man dort ein bisschen, indem man nach dem Opfer oder dem Täter sucht, stößt man immer wieder auf diese „neue Party-Droge" Badesalz. Und wenn man sich nicht gerade von Panikmache, dem Gerede einer Zombie-Apokalypse oder den Schäden, die diese Droge anrichten kann, aus dem Konzept bringen lässt, geht man doch eigentlich davon aus, dass diese ganzen Artikel Beweise für eine Verbindung zwischen der grauenhaften Tat und der zuvor genannten Substanz aufführen.

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Schlagzeilen wie „

Macht Badesalz Menschen zu Kannibalen

?" von WELT ONLINE oder „

Neue 'Badesalz'-Droge lässt Menschen völlig ausrasten

" in der WAZ hypnotisieren verängstigte Eltern, Spießer und sogar coole Leute rund um den Globus, obwohl es bisher nur wenige bis gar keine Beweise für die Behauptung gibt, dass die Designerdroge wirklich im Spiel war. Keine toxikologischen Befunde und keine Vorgeschichte—nicht einmal Gerüchte um irgendwelche Verbindungen des (mutmaßlichen) Täters zu Designerdrogen oder harten Drogen irgendeiner Art. Das einzige, von dem wir also sicher sagen können, dass es an diesem Tag von Eugene konsumiert wurde, ist das Gesicht seines Opfers.

Wie es scheint, trat Armando Aguilar von der Polizei von Miami diese Gerüchtelawine los. Fest entschlossen, seinen Kreuzzug gegen Badesalz anzutreten, vermischt dieser merkwürdige Bursche in seiner Stellungnahme auf seltsame Weise LSD, Badesalz und Kannibalismus:

„Es gab bereits drei oder vier Fälle, die genauso waren, wo einige Leute zugegeben haben, LSD genommen zu haben", so Aguilar.

Erstens: „die genauso waren"? Der Typ ist sich offensichtlich nicht darüber im Klaren, dass Wörter spezifische Bedeutungen haben. Das wird vor allem sehr deutlich, wenn er LSD, eine psychedelische Substanz aus der Strukturklasse der Ergoline, mit Badesalz über einen Kamm schert, einem neuen für die Vermarktung ins Leben gerufene Sammelbegriff für eine Reihe von Designeramphetamine im Graubereich der Legalität und anderen schlimmen Dingen, die definitiv nichts mit LSD zu tun haben.

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Der Beitrag wird noch verwirrender, als ein Notarzt zu Wort kommt.

Darin heißt es: „Er (Notarzt Dr. Paul Adams) sagt, das neue LSD wird allgemein hin als 'Badesalz' bezeichnet."

Also werden nicht nur zwei Drogen miteinander in in einen Topf geworfen, die vollkommen unterschiedlichen Stoffgruppen angehören, dieses „neue LSD" wird auch noch mit Kannibalismus in Verbindung gebracht. Das wiederum ging durch

sämtliche Medien

und wurde

unzählige Male

, auch in den Medien nachgeplappert. Und während sich die Berichterstattung in den meisten Fällen auf irgendwelche „Expertenmeinungen" oder „öffentliche Stellungnahmen" beruft, scheint sich niemand daran zu stören oder findet es auch nur erwähnenswert, dass diese Anschuldigung völlig aus der Luft gegriffen scheinen, und Leute auch schon lange bevor Badesalz auf der Bildfläche erschienen ist, schreckliche und oft unerklärliche Verbrechen begangen haben.

Und jetzt, im Zuge dieser—wahrscheinlich von Badesalz völlig unabhängigen—Tragödie, werden nun von allen Seiten,

lokal

und auf US-

Bundesebene

und sogar

aus Kanada

, Rufe laut, man solle nicht nur Badesalz, sondern auch „synthetisches Marihuana" und andere Designerdrogen verbieten.

In Deutschland

erübrigt sich die Diskussion, hierzulande wird der Hauptbestandteil von Badesalz, Mephedron, seit 2010 alle illegale Substanz eingestuft. Das soll nicht heißen, dass Badesalz in den USA nicht verboten werden sollte, oder dass diese Droge bei der Geschichte nicht doch eine Rolle gespielt hat. Doch eine Drogenpolitik, die Ergebnis von offensichtlich haltlosen und voreiligen Schlüssen und einer irreführenden Berichterstattung ist, scheint veraltet (oder sollte es zumindest sein). Derselben Logik verdanken wir die Ächtung von Marihuana. Auch Gras wurde buchstäblich für Mord, Vergewaltigung und Satanismus verantwortlich gemacht. Fast genauso hat es sich auch damals in Holland abgespielt, als psychedelische Pilze verboten wurde. In der Schule schreibt man ständig Aufsätze zu dieser bizarren und durchschaubaren Herangehensweise, aber trotzdem—zumindest in diesem speziellen Fall—scheint keiner ein Problem damit zu haben. Wie ein Haufen beschissener Zombies.