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Bernard Henri-Lévy

Bernard-Henri Lévy ist eine große Nummer. In Frankreich genießt Lévy denselben Status wie ein berühmter Rock- oder Filmstar, und er wird schlicht „BHL" genannt.

Bernard-Henri Lévy ist eine große Nummer. In Frankreich genießt Lévy denselben Status wie ein berühmter Rock- oder Filmstar, und er wird schlicht „BHL" genannt. Aber nicht nur in Frankreich wird er als philosophischer Grenzgänger angesehen.

Lévy wird oft als extravagante Figur betrachtet, und seine Vorliebe die Medien zu nutzen um loszuwerden, was er zu sagen hat, geht so einigem Menschen auf die Nerven. Er wird oft als fadenscheiniger PR-Typ abgestempelt, der raffiniert genug ist, seine tadellosen Connections wirksam einzusetzen (Nicolas Sarkozy und Francois Pinault, ein billionenschwerer Geschäftsmann, um nur zwei zu nennen), und er ist reich genug (sein Vater besaß eine erfolgreiche Bauholzfirma), um durch die Weltgeschichte zu reisen und über besorgniserregende Themen zu schreiben, und gleichzeitig seine Selbstgerechtigkeit nach Hause zu schicken. Das Ding ist, dass es ihm egal ist, was andere von ihm halten. Ob du denkst, seine Absichten seien deplatziert, oder dass er ein Heiliger der Neuzeit ist, Fakt ist, er ist ein Mann der Tat.

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Die meisten reichen 62-jährigen Franzosen mit seinem Lebenslauf würden ihre Zeit in Agadir verbringen, um eine Teint im Ton eines Schokoladenpuddings zu bekommen. Stattdessen platziert sich Lévy gezielt in Kriesengebieten und anderen hochriskanten Gegenden. In den 90ern war es Bosnien, wo er aktiv - und erfolgreich - half, die Aufmerksamkeit auf den Massenmord an bosnischen Muslimen zu richten. Während der 2000er war er eine wichtige Stimme, und stellte sicher, dass die Welt die Krise in Darfur nicht ignoriert. Er verbrachte auch Zeit in Afghanistan als Sonderbeauftragter des französischen Präsidenten Jacques Chirac, bevor er sich auf den Weg nach Pakistan machte, um den Mord an Daniel Pearl, einem Reporter des Wall Street Journals, der 2002 enthauptet wurde, zu untersuchen.

Sein neuester Cause célèbre brachte ihn nach Libyen, wo er, nachdem er sich mit der libyschen Nationalrat getroffen hatte, Sarkozy anrief und ein Treffen zwischen den beiden Parteien arrangierte. Das Nächste, was du wissen solltest: Frankreich, Großbritannien und die Vereinigten Staaten werfen gerade Bomben auf Gaddafi.

Ich traf Bernard an einem sonnigen Sonntagmorgen im Carlyle Hotel auf der Upper East Side - unsicher, was mich erwarten würde. Es war schon sympathisch genug, dass wir uns auf Englisch, seiner zweiten Sprache, unterhielten. Er bestellte mir Tee. Wir sprachen über Libyen, über den notorischen, französischen Autoren Michel Houellebecq und dem Vorteil, von der Öffentlichkeit und der Presse nicht gemocht zu werden.

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Vice: Du hast neulich Aufmerksamkeit gewonnen als Verbindungsglied zwischen dem rebellischen Konzil in Libyen und Nicolas Sarkozy. Wie hast du den ersten Kontakt mit den Rebellen aufgenommen?
BHL: Ich ging als Autor und Journalist dorthin, und in meinem Arbeitsprozess - im Prozess meiner Untersuchung - kam ich in Berührung mit dem nationalen Übergangsrat. Es war ein gewisser Erfolg, seit sich Mr. Abdul Jalil bis zu diesem Zeitpunkt kaum, wenn überhaupt, geäußert hatte. Aus Sicherheitsgründen wurde sein Sitz geheim gehalten, also war ich froh. Oder geduldig genug, ich weiß es nicht.

Welchen Eindruck hattest du vom Konzil?
Sie sind offenkundig keine churchillianischen Demokraten. Demokratie und Liberalismus sind wahrscheinlich nicht so tief in ihnen verwurzelt wie bei Amerikanern oder Franzosen. Aber mein Eindruck vermittelte mir, dass sie absolut entschieden haben, die Macht des Regimes zu brechen. Sie sind weltliche Muslime, westlich-orientiert, und ohne Zweifel sind es Menschen, mit denen auf lange Zeit eine politische Beziehung möglich ist.

Bist du besorgt über die Berichte, dass einige Rebellen Verbindungen zu al-Qaida haben?
Nein. Das ist einfach nur dumm - wieso sollte ich also besorgt sein? Jene Berichte wurden von Gaddafi selbst lanciert. Dann wurden seltsame und ungeprüfte Informationen in der italienischen Zeitung Sole 24 Ore abgedruckt. Natürlich sind einige Libyer Mitglieder der Gruppen, die im Irak kämpften, aber von dieser Tatsache zur Schlussfolgerung zu kommen, die Rebellen wären von al-Qaida unterwandert, ist einfach dämlich.

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Werden diese Revolutionen gut für den Westen sein, oder sollten wir warten und schauen, wie man sich annähert?
Erstens: Sie werden unausweichlich sein - unvermeidbar. Sie werden bis ans Ende gehen. Die einzige Frage ist der Preis. Wie viele Tote wird es kosten? Und können wir diese Tode vermeiden? Zweitens: Werden wir, der Westen, auf der richtigen oder falschen Seite sein? Wollen wir die letzte Instanz des Friedens darstellen und so weiter? Es liegt im besten Interesse des Westens, zu sagen: „Diese Menschen, die unsere Werte annehmen und sich mit ihnen identifizieren - wir sind mit ihnen." Drittens: Was wird danach geschehen? Natürlich wird es kein von Rosen gesäumter Weg sein. Natürlich haben Revolutionen manchmal unerwartete Resultate. Die Französische Revolution endete im Terror, wir wissen das. Aber das Ergebnis kann auch unerwartet vorteilhaft sein.

Was ist das ideale Resultat der Militäroperationen in Libyen?
Die Abwendung von Gaddafi.

Sollte man ihn töten? Ihn ins Exil schicken? Oder ihn vors Gericht zerren?
Ideal wäre eine Gerichtsverhandlung. Er sollte für all seine Gewalttaten vor Gericht stehen. 1.200 Menschen wurden vor 14 Jahren im Gefängnis in Tripolis erschossen. Das Lockerbie-Attentat. Die IRA in Irland, die von ihm bezahlt wurde. So viele terroristische Attacken gegen Israel; gegen die freie Welt; gegen seine eigenen Leute. Deshalb wäre es wichtig, wenn er ein gerechtes Urteil - gegen sich selbst - bekäme.

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Du kennst Amerika gut und hast ausgiebig über dieses Land in Büchern wie American Vertigo geschrieben. Angeblich ist Amerika dem Niedergang nahe. Stimmst du dieser Bewertung zu?
Auf eine Art schon. Der industrielle Aufstieg Chinas, Brasiliens und Indiens impliziert den relativen Rückgang des Westens und Amerikas. Aber diese Gegebenheiten, wie in Libyen, sind Schlüssel-Umstände. Entweder wir helfen den Streitkräften der Demokratie oder wir schauen weg - und waschen unsere Hände mit dem Blut und der Asche Libyens, Syriens, Ägyptens und so weiter. Und dann wird es weitaus schlimmer sein als ein Schrumpfen: Wir werden verloren sein.

Wie denkst du, ist Obama mit der Lage im Mittleren Osten umgegangen?
Ich hoffe, er bleibt seiner Kairo-Rede treu. Du kannst nicht auf der einen Seite sagen: „Wir sind gegen die radikalen Muslimen, und wollen eine Demokratie in der muslimischen Welt", und wenn die Demokraten dann aufstehen, sie alleine lassen. Man sollte konsistent bleiben. Ich hoffe, Obama wird konsequent genug sein, seine Handlungen in Einklang mit seinen Worten zu setzen.

Dein Roman Public Enemies aus dem Jahr 2009 ist ein Briefwechsel zwischen dir und dem Autor Michel Houellebecq. Wie seid ihr beiden zu diesem Projekt gekommen?
Es ist eine interessante Geschichte. Ich kannte ihn zuvor nicht. Wir hatten uns ein- oder zweimal flüchtig getroffen. Das war alles.

Er ist eine kontroverse Figur in Frankreich. Hattest du eine Meinung von ihm - egal ob gut oder schlecht?
Teils, Teils. Er verhält sich durchwachsen. Eines Nachts, keine Ahnung warum, erhielt ich eine SMS von ihm, in der er mir mitteilte, es ginge ihm schlecht, dass er das Gefühl hat, sein Leben sei ein einziges Versagen, und dass er nahe dran ist, mit allem abzuschließen. Also schickte ich ihm eine Nachricht zurück: „Warte einen Augenblick, ich bin zufällig in Paris. Bevor du eine radikale Entscheidung triffst, lass uns zum Essen treffen." Wir aßen zusammen und er sagte zu mir: „Ich habe Probleme mit meiner Frau, mit meiner Geliebten, mit meinem Hund, und darüber hinaus ist Paris ekelhaft, hier gibt es niemanden zum Diskutieren." Also antwortete ich: „Mit deiner Frau kann ich dir nicht helfen; mit deiner Geliebten und deinem Hund noch weniger,… aber warum sagst du, hier sei niemand zum Debattieren? Damit kann ich dir helfen. Lass es uns versuchen? Das war der Anfang des Buches."

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Welchen Eindruck hattest du von Houellebecq? Konntest du ihn kennenlernen, sowohl als Person und auch als Künstler?
Als Künstler, habe ich ihn ehrlich gesagt erst zu der Zeit entdeckt. Während der ganzen Diskussion las ich sein ganzes Werk, was ich zuvor nicht getan habe.

Was hast du davon gehalten?
Ich verehre sein Werk. Dieser Mann wurde zum Freund, und heute finde ich ihn mutig, couragiert, völlig originell und tollkühn, ihm ist egal, wie andere auf ihn reagieren - er sagt einfach, was er denkt. Er ist großzügig, freundlich und viel weniger zynisch als er normalerweise angesehen wird. Und für seine Arbeit gilt: auch wieder großartig!

Denkst du, er wird von der Presse und der Öffentlichkeit unfair behandelt?
Wahrscheinlich kultiviert er es. Es ist so klug und praktisch, einen schlechten Ruf zu haben.

Warum?
Weil du dich dahinter verstecken kannst.

Also gibt es dir mehr Freiheit?
Es ist wie eine Nebelwand hinter der du frei bist. Ich liebe meinen schlechten Ruf.

Du brauchst dich nicht um dein Bild in der Öffentlichkeit kümmern.
Absolut. Und ich denke, Houellebecq hat dieselbe Meinung.

Du kommst aus Paris und hast dort ein Zuhause, aber du verbringst viel Zeit in New York City. Genießt du die relative Anonymität, die die Großstadt liefert?
Natürlich. Du bist freier, wenn du anonym bist. Wenn dich jeder kennt, ist die Freiheit limitiert. Aber hüte dich vor Leuten, die dir erzählen: „Oh, Berühmtheit ist ein Albtraum! Ich kann es nicht ertragen." Das ist nie ganz wahr. Es herrscht viel Heuchelei.

Denkst du, du wirst hier zu einer ebenso großen Nummer wie in Frankreich, oder glaubst du, es wäre unmöglich für einen öffentlichen Intellektuellen, zu einer Berühmtheit in Amerika zu werden?
Wahrscheinlich nicht. Ich wollte nie berühmt sein. Mir ist das egal. Nicht egal ist mir jedoch, dass meine Ideen durchkommen. In Amerika war Who killed Daniel Pearl? ein Bestseller. Es mag einige Entscheidungsmacher in Washington dazu inspiriert haben, die Pakistan-Frage zu überdenken. Das macht mich froh.

Und American Vertigo?
Das war auch ein New York Times Bestseller. Und das war mir wichtig, denn ich wollte meine Liebe zu Amerika ausdrücken ebenso wie meine Kritik an einigen Aspekten des „American Way of Life".