FYI.

This story is over 5 years old.

Football

ESPN First Take: Warum man diese Show nur hasslieben kann

Wer auf Trash und US-Sport steht, ist bei ESPNs First Take genau richtig. Die beiden Sonderlinge Stephen A. Smith und Skip Bayless drohen NBA-Superstars und bezeichnen Rookies als Alkoholiker. Trotzdem kann man nicht wegschauen.
Screenshot: ESPN

Oft reicht eine kontroverse These, um die „First Take"-Kommentatoren Stephen A. Smith und Skip Bayless wild durcheinander schreien zu lassen. Dass sie ihre Standpunkte teilweise nicht mal selbst vertreten, untergräbt das Duo gekonnt mit einer lautstarken und emotionalen Inszenierung. „Understatement" scheint dabei ein Fremdwort für die beiden zu sein, weil es sich weitaus schlechter verkauft als Irrationalität. Als sich das Footballtalent Johnny Manziel (der durch Parties mit Freunden wie Drake generell nicht den Ruf hat, ein Kind von Traurigkeit zu sein) erneut einen alkoholischen Fehltritt leistete, war das Urteil von Skip Bayless schnell gefällt. Der Spieler sei ein Alkoholiker und außerdem ein notorischer Lügner, weil er sich seine Sucht nicht eingestehen könne. Aussagen wie diese ziehen täglich Millionen US-Amerikaner vor den Bildschirm. Doch man schaut die Sendung nicht, weil sie informiert, sondern weil man es liebt, Skip und Stephen A. für ihre laute und direkte Art zu hassen. In jeder Folge kommt es früher oder später zum Showdown zwischen den Selbstdarstellern, die sich weder ausreden lassen, noch einander zuhören. Selbst Gäste werden oft so lange provoziert, bis diese sich dazu hinreißen lassen, persönlich beleidigend zu werden.

Anzeige

Einmal kritisierte Skip an Richard Sherman von den Seattle Seahawks, dass er nicht so gut sei, wie er denkt. Daraufhin konterte der aus Compton stammende Topverteidiger, er sei intelligent genug, um zu verstehen, dass Bayless ignorant, wichtigtuerisch, selbstgefällig und dumm sei. Allesamt Eigenschaften, die man auch Donald Trump nachsagt, wenn man kein Freund des millionenschweren Toupetträgers ist. Generell sind es nicht die einzigen Parallelen zwischen dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten und dem Moderatorenduo der Talkshow. Denn im Sinne einer guten Quote nimmt die Sendung wiederholt rassistische und sexistische Skandale in Kauf.

Denn sobald bei Stephen A. die BPM-Zahl (Brothers per Minute) steigt, ist es wahrscheinlich, dass er einen rassistischen Komplott wittert, den er mit seinem Kollegen bis zum Geht nicht mehr medial ausschlachtet. Es ist ein Spiel mit dem Feuer, bei dem sich sein Vorgänger Rob Parker 2012 die Finger verbrannte. Als der Redskins-Spieler Robert Griffin III erklärte, dass er wegen seiner Hautfarbe nicht ausschließlich mit anderen schwarzen Quaterbacks verglichen werden wolle, platzte dem Moderator der Kragen. In einem wirren Monolog führte er aus, dass RG3, im Gegensatz zu ihm, nicht wirklich schwarz sei. Seine so schon sonderbare These begründete er damit, dass Washingtons Ballverteiler eine weiße Verlobte habe und vermutlich Republikaner sei. Da eine Entschuldigung ausblieb, wurde er von ESPN suspendiert und durch Stephen A. Smith ersetzt.

Anzeige

Würde es sich bei ‚First Take' um seriösen Journalismus handeln, wäre es fast schon ironisch, dass Smith später wegen fragwürdiger Kommentare zum Thema häusliche Gewalt selbst vorübergehend vom Programm ausgeschlossen wurde. Anfang 2014 sorgte ein Video von Baltimores Running Back Ray Rice über die Sportwelt hinaus für Aufruhr. In diesem schlug er seine Verlobte in einem Aufzug bewusstlos. Zwar verurteilte Stephen A. die Aktion scharf, wies aber ebenfalls darauf hin, dass man aus der Art der Provokation lernen sollte. Nach starken Protesten bekam der Moderator vom Sender eine siebentägige Auszeit verpasst.

Eine weitere Skurrilität der Sendung ist Skip Bayless' krankhafte Besessenheit von Tim Tebow. Der Quaterback, der auf Pressekonferenzen regelmäßig seinem ‚Herrn und Erlöser Jesus Christus' dankte, hat in dem verschrobenen Moderator seinen größten Fan gefunden. Egal, wie viele Pässe er ins Nirgendwo befördert, für den 64-Jährigen bleibt der Spieler eine Naturgewalt. Selbst als Tebow bei den New York Jets kein einziges Mal zum Einsatz kam, blieb er ein Topthema der Sendung. Stoisch beharrte Skip weiterhin darauf, dass Tebow ein verkanntes Genie und ein Football-Gott sei. Eine Meinung, die der Moderator maximal mit Tims Eltern teilt—der 28-Jährige ist momentan vereinslos.

Nicht nur wegen der fragwürdigen Vergötterung eines mittelmäßigen Quaterbacks, stellt sich die Frage, wie dieser Typ Experte in einer Sportsendung werden konnte. Häufig scheint es so, als beruhe seine Meinung in erster Linie auf Sympathien statt auf Fakten. Als ihm keine weiteren Kritikpunkte an Russell Westbrooks abschlussorientiertem Spielstil einfielen, dichtete er sogar seine Lebensgeschichte um. Damit er sich mit RW0 vergleichen konnte, machte Skip sich kurzerhand zum Starting-Point Guard eines High School Teams. Mit diesem habe er, wegen seiner egoistischen Spielweise, neben den Sympathien des Trainers, auch ein State-Finale verloren. Dumm nur, dass eine Lokalzeitung aus Skips Heimatstadt Oklahoma City herausfand, dass dieser zwar Teil des Teams war, aber keine Minute auf dem Court stand.

Für weitaus mehr Aufmerksamkeit sorgte allerdings der Streit zwischen Stephen A. Smith und Westbrooks Teamkollegen Kevin Durant. Großmütig verkündete Skips Partner in Crime, dass er herausgefunden habe, dass Durantula seinen Vertrag nicht verlängern wolle, weil er mit den Lakers liebäugeln würde. KD bezeichnete den Reporter daraufhin als Lügner und es wurde wieder mal hässlich. Denn anstatt sich zu entschuldigen, machte Smith dem Ruf der Sendung lieber alle Ehre: Er redete sich in Rage, bis aus Rechtfertigungen Drohungen wurden. Seiner Meinung nach sollten sich die Spieler lieber freuen, dass er nicht mehr in den Arenen unterwegs ist, um Stories zu finden. Danach richtete er seinen Blick direkt in die Kamera: „Ihr wollt mich nicht als Feind haben!" Damit endet seine Wutrede. Ric Flair hätte es nicht besser hinbekommen.

Am Ende des Tages ist First Take auch ein bisschen wie Wrestling: Die Moderatoren schlüpfen in ihre Rollen und bieten einen Schaukampf. Mal gegeneinander, mal gegen die ganze Welt. Donald Trump gastierte schließlich auch schon mal bei der WWE.