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PC Music im Berghain—Was passiert, wenn die beiden kontroversesten Marken der Musikwelt kollidieren?

Die Ironie im Kaugummi-Kommerz des Labels zu entschlüsseln, ist anstrengender, als samstagmorgens um 3 Uhr in der Schlange vorm Berghain zu stehen.

Immer wieder hat das Label PC Music die Normen kommerzieller Musik zuletzt parodiert. Doch da sich die Musiker des Labels zunehmend in Richtung Mainstream bewegen, lässt sich ihre ironische Haltung kaum noch von der Realität unterscheiden. Labelchef A.G. Cook ist seit Juli als Creative Director der britischen Sängerin und Songwriterin Charli XCX tätig und Danny L. Harle arbeitet mit Carly Rae Jepsen ("Call Me Maybe") zusammen.

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Vergangenen Monat veröffentlichte PC Music seine zweite Compilation, eine weitere glanzvolle Feier der künstlichen Aura, die sich um die Musiker gelegt hat. Um den Release angemessen zu würdigen, veranstaltete man am an einem Donnerstag im Berghain eine der rar gesäten Label-Nächte. Neben Mastermind A.G. Cook sind Bubblegum-Pop-Star Hannah Diamond und die Billig-Airline-Persiflage EasyFun am Start.

Noch während die ersten verschnörkelten Akkorde von EasyFuns Set ihr Echo durch die riesige Halle verteilen, fühlt es sich an, als wüsste das Publikum bereits, dass die Show nicht die echte Version von PC Music abbilden wird—oder zumindest nicht die einzige Version. Die gestaltlose Existenz des Labels liegt primär im Internet, wo seine Künstler es einfacher haben, Konzepte von Gender, Kommerz und Authentizität zu zermalmen. Über PC Musics Verhältnis zu Authentizität wurde schon genügend geredet, sie selbst haben Journalisten schon auf erstklassige Art und Weise reingelegt und eine schier unendliche Liste an philosophischen Essays verursacht.

Kaugummi-Kommerz trifft Meme-Klischees

Aber die Ironie in ihrem Kaugummi-Kommerz zu entschlüsseln, ist anstrengender als samstagmorgens um 3 Uhr in der Schlange vorm Berghain zu warten. Je mehr du überlegst, wie ernst du sie nehmen solltest, desto mehr scheint es nach einer Falle auszusehen: Egal zu welcher Schlussfolgerung du kommst, irgendwer wird wahrscheinlich lautstark argumentieren, dass du falsch liegst.

Und da ist noch ein anderer Umstand, der kaum zu übersehen ist: PC Musics halbseidene, auf Viralität fokussierte Haltung gegenüber schmalziger Aufrichtigkeit spielte sich nun im Berghain ab, einem Club mit einem entschlossenen, dennoch leisen Auftreten und einer ganz anderen Herangehensweise an "Authentizität", Medien und Online-Kultur. Verbissen in seiner Bewahrung einer von Mauern umgebenen Utopie, bleibt der Techno-Hort standhaft gegen jeglichen Trend von Social Media Lifestyles. Denk nur an das berüchtigte Fotoverbot!

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Zwar unterhält das Berghain eigene Social-Media-Accounts, nutzt sie aber mehr aus praktischen Gründen als zur Verstärkung des Hypes. Der Instagram Account existiert nur, um Leute dazu aufzufordern, Fotos aus dem Inneren des Clubs offline zu nehmen. Ihr verifiziertes Twitter-Profil hat einen Output von einem Tweet pro Monat, der kurz und knapp einen Link für die Partys im kommenden Monat enthält. (Außer das eine Mal im Jahre 2014, als sie "Happy Christmas" tweeten.)

Das Berghain ist, wie PC Music, zu einem beliebten Ziel für Parodien geworden, von Videospielen bis zu Fake-Lego-Sets. Gegenwärtig kommt ihm so die zweifelhafte Ehre zu, der viralste Club auf der Welt zu sein. Die Version des Berghains, die durch diese auf Klischees basierenden Witze—an deren Entstehung, Achtung!, Geständnis!, ich als Neu-Berliner Gif-Bloggerin persönlich beteiligt war—ist offensichtlich eine armselige Imitation der Realität.

In der Welt der Memes wird das Berghain oft als ein versnobter Sex-Rave porträtiert, aber im wahren Leben ist es ein Mischmasch von Leuten, die ihren Körper zu einem vielfältigen Programm von Beats bewegen. Der gesamte Raum gibt mir den Eindruck, er hätte niemals um diese Heerscharen an Fans selbst geworben.

Kommerziell-ästhetisches Trollen

Was immer die Künstler von PC Music auch sein mögen, eins sind sie definitiv nicht: ungezwungen. So fängt zu Beginn der Nacht ein männlicher DJ namens Felicita, der einen weißen Mädchen-Schlafanzug trägt, einen vorgetäuschten Kampf mit einer Person aus dem Publikum an, die ein T-Shirt mit der Aufschrift "I'm with Felicita" anhat. Wie in einem Kasperletheater versucht der "Fan" die Kontrolle über den Laptop und das iPad zu erlangen, während der DJ ihn verfolgt.

Anschließend bestieg Hannah Diamond schüchtern die Bühne und gab ihre süßlichen Vocals zum besten, die wie eine Werbung von TK Maxx klingen: "Baby I wish that/we could just meet at a party/I think we could have great chemistry"—während sich die Fans in der ersten Reihe an den Pelz-Ärmeln ihres Dior-Mantels festhielten. Lustig ist das, aber zugleich auch lächerlich.

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Von den 8-Bit-Streams von Lil Data bis zu A.G. Cooks Umgestaltung von Justin Biebers "What Do You Mean" in eine 80er Jahre Power-Ballade, ist alles an diesem Abend offensichtlich ganz entschieden einem einzigen Zweck untergeordnet: Das Label will deine Aufmerksamkeit, in dem es dich mit seinen kommerziellen und ästhetischen Entscheidungen ködert und trollt.

Immer wieder hat das Label PC Music die Normen kommerzieller Musik zuletzt parodiert. Doch da sich die Musiker des Labels zunehmend in Richtung Mainstream bewegen, lässt sich ihre ironische Haltung kaum noch von der Realität unterscheiden. Labelchef A.G. Cook ist seit Juli als Creative Director der britischen Sängerin und Songwriterin Charli XCX tätig und Danny L. Harle arbeitet mit Carly Rae Jepsen ("Call Me Maybe") zusammen.

Vergangenen Monat veröffentlichte PC Music seine zweite Compilation, eine weitere glanzvolle Feier der künstlichen Aura, die sich um die Musiker gelegt hat. Um den Release angemessen zu würdigen, veranstaltete man am an einem Donnerstag im Berghain eine der rar gesäten Label-Nächte. Neben Mastermind A.G. Cook sind Bubblegum-Pop-Star Hannah Diamond und die Billig-Airline-Persiflage EasyFun am Start.

Noch während die ersten verschnörkelten Akkorde von EasyFuns Set ihr Echo durch die riesige Halle verteilen, fühlt es sich an, als wüsste das Publikum bereits, dass die Show nicht die echte Version von PC Music abbilden wird—oder zumindest nicht die einzige Version. Die gestaltlose Existenz des Labels liegt primär im Internet, wo seine Künstler es einfacher haben, Konzepte von Gender, Kommerz und Authentizität zu zermalmen. Über PC Musics Verhältnis zu Authentizität wurde schon genügend geredet, sie selbst haben Journalisten schon auf erstklassige Art und Weise reingelegt und eine schier unendliche Liste an philosophischen Essays verursacht.

Kaugummi-Kommerz trifft Meme-Klischees

Aber die Ironie in ihrem Kaugummi-Kommerz zu entschlüsseln, ist anstrengender als samstagmorgens um 3 Uhr in der Schlange vorm Berghain zu warten. Je mehr du überlegst, wie ernst du sie nehmen solltest, desto mehr scheint es nach einer Falle auszusehen: Egal zu welcher Schlussfolgerung du kommst, irgendwer wird wahrscheinlich lautstark argumentieren, dass du falsch liegst.

Und da ist noch ein anderer Umstand, der kaum zu übersehen ist: PC Musics halbseidene, auf Viralität fokussierte Haltung gegenüber schmalziger Aufrichtigkeit spielte sich nun im Berghain ab, einem Club mit einem entschlossenen, dennoch leisen Auftreten und einer ganz anderen Herangehensweise an "Authentizität", Medien und Online-Kultur. Verbissen in seiner Bewahrung einer von Mauern umgebenen Utopie, bleibt der Techno-Hort standhaft gegen jeglichen Trend von Social Media Lifestyles. Denk nur an das berüchtigte Fotoverbot!

Zwar unterhält das Berghain eigene Social-Media-Accounts, nutzt sie aber mehr aus praktischen Gründen als zur Verstärkung des Hypes. Der Instagram Account existiert nur, um Leute dazu aufzufordern, Fotos aus dem Inneren des Clubs offline zu nehmen. Ihr verifiziertes Twitter-Profil hat einen Output von einem Tweet pro Monat, der kurz und knapp einen Link für die Partys im kommenden Monat enthält. (Außer das eine Mal im Jahre 2014, als sie "Happy Christmas" tweeten.)

Das Berghain ist, wie PC Music, zu einem beliebten Ziel für Parodien geworden, von Videospielen bis zu Fake-Lego-Sets. Gegenwärtig kommt ihm so die zweifelhafte Ehre zu, der viralste Club auf der Welt zu sein. Die Version des Berghains, die durch diese auf Klischees basierenden Witze—an deren Entstehung, Achtung!, Geständnis!, ich als Neu-Berliner Gif-Bloggerin persönlich beteiligt war—ist offensichtlich eine armselige Imitation der Realität.

In der Welt der Memes wird das Berghain oft als ein versnobter Sex-Rave porträtiert, aber im wahren Leben ist es ein Mischmasch von Leuten, die ihren Körper zu einem vielfältigen Programm von Beats bewegen. Der gesamte Raum gibt mir den Eindruck, er hätte niemals um diese Heerscharen an Fans selbst geworben.

Kommerziell-ästhetisches Trollen

Was immer die Künstler von PC Music auch sein mögen, eins sind sie definitiv nicht: ungezwungen. So fängt zu Beginn der Nacht ein männlicher DJ namens Felicita, der einen weißen Mädchen-Schlafanzug trägt, einen vorgetäuschten Kampf mit einer Person aus dem Publikum an, die ein T-Shirt mit der Aufschrift "I'm with Felicita" anhat. Wie in einem Kasperletheater versucht der "Fan" die Kontrolle über den Laptop und das iPad zu erlangen, während der DJ ihn verfolgt.

Anschließend bestieg Hannah Diamond schüchtern die Bühne und gab ihre süßlichen Vocals zum besten, die wie eine Werbung von TK Maxx klingen: "Baby I wish that/we could just meet at a party/I think we could have great chemistry"—während sich die Fans in der ersten Reihe an den Pelz-Ärmeln ihres Dior-Mantels festhielten. Lustig ist das, aber zugleich auch lächerlich.

Von den 8-Bit-Streams von Lil Data bis zu A.G. Cooks Umgestaltung von Justin Biebers "What Do You Mean" in eine 80er Jahre Power-Ballade, ist alles an diesem Abend offensichtlich ganz entschieden einem einzigen Zweck untergeordnet: Das Label will deine Aufmerksamkeit, in dem es dich mit seinen kommerziellen und ästhetischen Entscheidungen ködert und trollt.

Die Nacht fühlt sich so letztendlich an wie ein erneuter Verweis des Labels auf seine Fähigkeiten. Aber hier, im Inneren des steinernen Tempels der Ernsthaftigkeit, wirkt diese Haltung noch schräger als sonst. Zwei ikonische Marken der elektronischen Tanzwelt kollidieren und setzen uns in das Auge eines Sturms viel zu oft analysierter Mystik.

In diesen Situationen ist es das beste, nicht mehr über Authentizität vs. Ironie nachzudenken und einfach Spaß zu haben. Die Fans, die sich an Hannah Diamonds Pelz festhalten, interessieren sich nicht dafür, ob sie echten französischen Nerz oder ein billiges unechtes Imitat anfassen. Das breite Grinsen von Danny L. Harle, mit dem er wie Crash Bandicoot aussieht, und seine übermäßig ausgestreckten Arme sind nur deshalb so aufgepumpt, weil sie dir den sprudelnden Smirnoff-Ice-Drop von "Broken Flowers" bringen. Seine ausgestreckten Rave-Zeigefinger stehen da nur für eine einzige Sache: ungezügelte Freude.

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Die Nacht fühlt sich so letztendlich an wie ein erneuter Verweis des Labels auf seine Fähigkeiten. Aber hier, im Inneren des steinernen Tempels der Ernsthaftigkeit, wirkt diese Haltung noch schräger als sonst. Zwei ikonische Marken der elektronischen Tanzwelt kollidieren und setzen uns in das Auge eines Sturms viel zu oft analysierter Mystik.

In diesen Situationen ist es das beste, nicht mehr über Authentizität vs. Ironie nachzudenken und einfach Spaß zu haben. Die Fans, die sich an Hannah Diamonds Pelz festhalten, interessieren sich nicht dafür, ob sie echten französischen Nerz oder ein billiges unechtes Imitat anfassen. Das breite Grinsen von Danny L. Harle, mit dem er wie Crash Bandicoot aussieht, und seine übermäßig ausgestreckten Arme sind nur deshalb so aufgepumpt, weil sie dir den sprudelnden Smirnoff-Ice-Drop von "Broken Flowers" bringen. Seine ausgestreckten Rave-Zeigefinger stehen da nur für eine einzige Sache: ungezügelte Freude.

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