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Der Staatsschutz ermittelt wegen angeblichen Nazi-Symbolen gegen Bass Sultan Hengzt

Offenbar haben Staatsschutz und Berliner Staatsanwaltschaft nichts Besseres zu tun.

Plötzlich Staatsfeind—Ist ja nicht das erste Mal, dass gegen die Kunst eines Berliner Rappers durch die Staatsanwaltschaft ermittelt wird. Der prominenteste Fall war selbstverständlich Bushidos „Stress ohne Grund mit Wowereith, Roth und Co.. Damals hatte ihm die Staatsanwaltschaft unter anderem Volksverhetzung vorgeworfen—und ging damit vor Gericht sang- und klanglos unter. Mit Bass Sultan Hengzt (oder kurz: B.S.H.) dürfte es ihr nicht anders ergehen, scheint doch die Anklage gegen ihn noch weit mehr bei den Haaren herbeigezogen als die gegen Bu. „Tatworwurf: Verwenden von Kennz[eichen] einer verf[assungswidrigen] Organisation“, wie es in einer Vorladung heißt, die B.S.H gestern auf Facebook postete. Fabio Cataldi, so heißt Hengzt mit bürgerlichem Namen, wird konkret verdächtigt, verbotene, rechtsradikale Symbole in die Öffentlichkeit getragen zu haben. Was ist passiert?

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Am 15. Mai diesen Jahres erschien Musik wegen Weibaz, Hengzts siebents Soloalbum. Sein Erfolg in den Plattenläden hielt sich in Grenzen, aber dafür ging dem Album ein kleiner medialer Skandal voraus, weil B.S.H. auf Twitter aus „Joke“ ein mögliches Album-Cover postete, auf dem sich zwei Männer küssten. Ein Flüstern ging durch die HipHop-Gemeinde, und auch darüber hinaus durfte sich Cataldi im Anschluss für ein paar Tage als Deutschraps Homophobie-in-die-Tonne-Treter inszenieren. Im Laden stand das Album Musik wegen Weibaz trotzdem mit einem Covermotiv, auf dem eine attraktive Frau ihr nicht minder attraktives Bein in die Kamera reckte. So radikal wollte Hengzt die hetereonormativen Norm der Rap-Szene dann doch nicht in Frage stellen. Das Foto schoss der „angesagte“ Oliver Rath, die typografische Gestaltung besorgte, wie wir mittlerweile wissen, der schillernde Fotografen-Held Daniel Josefsohn. Dieser sagte zum Tagesspiegel im Angesichte all der Aufregung nur: „Ach, was soll das bitte? Ich bin doch Jude!“

Josefsohns religiöser Hintergrund interessiert die Staatsanwaltschaft offenbar allerdings wenig. Spannender findet man dort offenbar die Runen-artige Schrift, die dieser für Künstlername und Albumtitel wählte. Denn dadurch steht auf besagtem Cover das „SS“ von „Bass“ in einer Form, die die Staatsanwaltschaft offenbar allzu sehr an die SS-Rune der Nationalsozialisten erinnert. Nun ermittelt der Staatsschutz gegen Fabio Cataldi.

Beinahe könnte man es amüsant finden. B.S.H. jedenfalls darf sich schon mal als Gewinner fühlen, vielleicht sogar als Rebell. Zu einer tatsächlichen Anklage wird es vermutlich nicht kommen, aber bis dahin kann er ja immerhin ordentlich Aufmerksamkeit von Bild und Co. einsacken. Eigentlich müsste das alles nicht der Rede wert sein, schließlich steckt hinter dem doppelten S wahrscheinlich nicht mal eine gewollte Provokation, sondern ganz schlicht eine ästhetische Entscheidung ohne Hintergedanken. Das Hengzt alles andere als Deutschraps Jonathan Meese ist, zeigte er bereits, als er sein homoerotisches Alternativ-Cover als unreflektierten Witz offenbarte.

Die Berliner Staatsanwaltschaft und der Staatsschutz sind sich offenbar nicht bewusst darüber, was für ein Bild sie hier in unseren Köpfen kreieren: Da sitzen Beamte an ihren Schreibtischen und arbeiten seit Tagen und Wochen an einer Anklage gegen einen Rapper. Währenddessen gehört das Abfackeln von designierten Flüchtlingsheimen zum Alltag.

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