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Interviews

Weekend hält eine Menge Menschen für außergewöhnlich dumm

Der Rapper Weekend findet die Situation in Deutschland gerade so gravierend, dass es jetzt wichtig ist, sich zu positionieren

Irgendwie kommt Christoph Wiegand rüber wie ein Typ, der versucht, sein Leben auf die Reihe zu bekommen, und dem dabei, dann doch immer was dazwischen kommt. Ein bisschen unbedarft, dafür aber mit jeder Menge Überschwang. Ein korrekter, cooler Typ, den man gerne zum Freund hat. Ein Typ mit Humor und Herz eben. Ein toller Kerl.

In Wahrheit ist Christoph Wiegand aber ein bösartiger, hämischer Mensch, der sich gerne über andere Leute lustig macht. Ein ausgesprochen guter Battlerapper, der die Schwächen anderer Menschen messerscharf durchschaut und der sich das Image des braven, verplanten Schwiegersohns aus purer Berechnung ausgesucht hat. Einfach nur, weil er so schöne blonde Löckchen hat. Ein Typ, den alle unterschätzen und der dann von hinten in dein Herz sticht, um vorne wieder heraus zu kommen, besonders wenn es sich um andere Rapper handelt. Dabei hat er noch nicht mal was gegen diese Leute—also nicht gegen alle. Nur gegen ein paar. Dafür dann aber richtig. Kaum ein halbes Jahr nach dem Album Für immer Wochenende kommt nun das Funprojekt Musik für die die nicht so ge, in dem es wieder fast ausschließlich um Rap geht. Um Rap und die dazugehörigen Rapper.

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Noisey: Man könnte den Eindruck haben, dass du ein paar Leute nicht wirklich gerne magst. Eigentlich magst du alle nicht so richtig, oder?
Weekend: Ich mag voll viele Leute, aber manche Leute eben auch wirklich nicht, wobei ich die dann meistens auch nicht persönlich kenne. Ich könnte also nicht sagen, die sind auf irgendeiner menschlichen Ebene nicht cool, sondern das bezieht sich dann ausschließlich auf ihre Musik.

Aber darum geht es ja, man kann am besten aus der Entfernung haten. Wenn man die Leute kennenlernt, dann ist ja fast jeder nett.
Es gibt einen Song von Audio88 und Yassin, der heißt „Nett Sind Sie Alle“ und der ist großartig, wobei man aber auch am besten aus der Entfernung feiern kann. Es gibt auch eine Menge Leute, deren Musik ich gut finde und dann trifft man die und denkt sich so: „Oh Gott, ich dachte, du hast das ironisch gemeint, aber du meinst das ernst.“ Und dann ist die Musik kaputt.

Nachdem ich dein Album gehört habe, würde ich sagen, du hältst die meisten Menschen für dumm. Ist das richtig?
Die meisten Menschen vielleicht nicht, aber es gibt aktuell eine Menge Leute, die rumlaufen und ziemlich viel Mist kommunizieren. Die halte ich für außergewöhnlich dumm. Es gibt gerade eine Menge Menschen, die mich aufregen. Ob das wirklich der Großteil der Menschen ist, weiß ich nicht. In den letzten Wochen haben sehr viele Leute angefangen, sich zu bestimmten Themen zu äußern, zum Beispiel zum Thema Flüchtlinge und ich bin tatsächlich froh, dass die Stimmung gerade in eine andere Richtung kippt. Wenn man dann aber verfolgt, wer die Menschen sind, die Dinge sagen, die man nicht unterschreiben würde, und wenn man sich die Leute dann auf Facebook anklickt und sich deren Kommentare anguckt, dann kommt man immer zu dem Ergebnis, dass es arme Schweine sind, die nicht besonders schlau wirken.

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Wie bewertest du die verhältnismäßig große Stille der HipHop Gemeinde bei diesem Thema?
Es ist ein bisschen zwiespältig und ich habe mir darüber auch viele Gedanken gemacht, ob ich mich irgendwie dazu äußern soll. Ich habe lange Zeit gesagt, dass ich einfach nicht politisch sein will, weil ich oft dazu neige, populistische Aussagen zu machen. Der Facebook-Kommentar von mir, der in meiner kompletten Facebook-Historie am erfolgreichsten war, ist der, wo ich „Nazis Raus!” geschrieben habe. Den finde ich aber selber so flach und dumm, dass ich das erschreckend finde. Trotzdem ist die Situation in Deutschland gerade so gravierend, dass es jetzt wichtig wurde, sich zu positionieren. Darum habe ich das dann auch irgendwann ernsthaft getan, aber es ist halt schwierig. Man muss für sich selber entscheiden, ob man eine politische Richtung vertreten möchte und ich kann auch verstehen, wenn Leute das nicht möchten. Ich finde es aber auch wichtig, dass sich in den letzten Wochen mehr Leute geäußert und positioniert haben. Diese Stille, von der du sprichst, ist gebrochen worden, nachdem sich mehr Leute darüber beschwert haben und viele Leute haben sich auch in eine gute Richtung positioniert. Also so still, wie es vor einem Monat war, ist es inzwischen nicht mehr.

Was mich schockiert hat, ist dass so etwas wie in Heidenau passiert, ein Mob mit Molotowcocktails durch die Straßen zieht und nichts von der HipHop-Szene kommt. Ich meine, jeder bescheuerte Diss wird mit Drohgebärden und einer Horde starker Jungs im Rücken kommentiert, aber wenn rechte Hooligans randalieren, kommt nichts. Da hätten diese Rockergangs und die ganzen Bodybuilding-Boys doch wirklich mal was zu tun. Da hätten sie auch mal ernsthafte Gegner.
Dafür bin ich einfach nicht der Typ, ich bin nicht prügelerfahren genug, um an der Front zu kämpfen, und außerdem sollte man auch daran denken, dass Deutschland immer noch ein Rechtsstaat ist, wo die Polizei so etwas tun sollte, aber ich hätte nichts dagegen, wenn sich da Leute mehr engagieren. Ob das jetzt Prügel sein müssen oder einfach durch Präsenz, sei mal da hingestellt. Aber es ist ein wichtiges Thema, Leuten passieren schlimme Dinge, denen vorher noch schlimmere Dinge passiert sind und denen es gerade gut tun würde, wenn sie schöne Erfahrungen machen würden. Und was da in Heidenau passiert ist, geht gar nicht klar.

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Gut. Lassen wir das mit der Politik, um nochmal auf die Rapszene zurückzukommen: Bist du zufrieden mit dem Zustand der Deutschrapszene?
Also es gibt immer Dinge, die ganz gut sind und es gibt Dinge, die nicht so gut sind. Was das Wachstum von Fans betrifft oder was auch die Qualität von Releases im letzten Jahr angeht, lief‘s ganz gut. Aber diese ganze Kultur rund um Videoblogs oder diese ernstgemeinten Werbevideos, diese Verkaufskultur gerade, die ist anstrengend. Ich verstehe, dass sie da ist, aber mir macht es im Bezug auf mich wenig Spaß, mich zu einem QVC-Moderator zu entwickeln und es macht mir auch wenig Spaß, anderen Leuten dabei zuzusehen. Dieses Jahr wiederum sind Sachen rausgekommen, auf die ich mich gefreut habe, die ich im Endeffekt dann leider nicht so gut fand. Ich glaube, das einzige Album, was ich nach dem ersten Mal hören noch weiter gehört habe, ist das K.I.Z.-Album. Ansonsten gab es relativ wenig, was mich längerfristig überzeugt hat. Das Meiste hat beim ersten mal Hören Spaß gemacht, aber danach war es dann egal.

Du sprichst in einem Song ein paar Sachen an, die dich inhaltlich am derzeitigen Rap richtig gestört haben. Wenn jemand sagt: „Ich mache jetzt keinen Rap mehr, ich mache eher so Kunst“.
Es kommt mir immer so vor, als würden die die Ausläufer ihrer Pubertät thematisieren: „Ich bin jetzt 21 Jahre alt, gerade in die Großstadt gezogen, aber die Großstadt, die ist echt ziemlich groß und ich weiß noch gar nicht genau, hab ich Fernweh oder nicht“. Das sind ja die großen Seelenkomplexe von bestimmten Musikern. Die sagen auch alle, dass sie gar nicht mehr richtig Rap machen, sondern mehr so… Orchestermusik. Das war natürlich auch bei gewissen Alben cool, aber es gibt jetzt so viele Nachzügler, die immer noch denken, das wäre eine gute Idee. Wobei es einfach offensichtlich geklaut ist. Das ist das, was mich daran stört. Aber man kann es bestimmt auch geil machen, und es gab die Sachen ja auch schon mal in geil.

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Dein Sound ist ja eher konventioneller Rap im Gegensatz zu den ganzen modernen Trap-Rappern. Findest du das interessant, was die machen?
Interessant auf jeden Fall. Ich finde es allerdings in Deutschland an 98% aller Stellen einfach nicht geil. Ich finde, da könnte man wesentlich mehr machen. Es gibt gerade einen sehr interessanten Rapper namens Mauli. Der macht Trap und rappt darauf und das finde ich voll geil. Es gibt auch sehr viele Leute, die Selbstfindungs-Rap auf Trap-Beats machen und dann über Fernweh rappen und über das Leben in der Großstadt. Das interessiert mich dann wenig. Ich würde es weniger an diesem Sound festmachen als an den Inhalten. Und ich finde, wenn du es gut machst, ist es großartig. Eines der besten Rap-Alben der letzten Jahre ist das vorletzte Kendrick-Lamar-Album, das hat ja ganz viele Trap-Einflüsse. Das hat das Ganze für mich geöffnet. Ich finde es auch ein bisschen engstirnig, selbst zu sagen: „Meine Musik, die ich höre ist 90BPM-Boom-Bap-Rap und alles, was das nicht ist, finde ich scheiße.” Wenn man anfängt zu generalisieren, verpasst man auch eine Menge guter Sachen. Mach ruhig deinen Trap und überzeug mich damit, dann ist das cool. Mach‘s nicht und überzeug mich damit. Ich habe nicht vor, Trap zu machen, wobei ich das auch nicht ausschließen würde. Unterm Strich ist es OK, sollen es die Leute machen, aber dann sollen sie es gut machen.

Du hast einen Song auf deinem Album, in dem du sehr viele HipHop-Interview-Zitate eingearbeitet hast. Wieviel Spaß hat dir das gemacht?
Das war tatsächlich einer der besten Songs in der Entstehung. Wir haben zwölf Stunden lang bei mir auf der Couch gesessen und Interviews geguckt. Es ist schon sehr unterhaltsam, was Menschen für Dinge sagen. Gerade wenn man so Grundaussagen einfach für sich stehen lässt, ist das teilweise schon sehr unterhaltsam. Das war sehr witzig. Ich mache das auf dem kompletten Album ja öfter, dass ich Dinge gesamplet und reingeschnitten habe.

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Unten geht's weiter.

Beim ersten Song „Der Neue von der Schule” habe ich ein bisschen gebraucht, bis ich gemerkt habe, dass es nicht um deine Erlebnisse auf der Schule geht, sondern um die Deutschrapszene.
Es ist extra so von mir gedacht, dass man den Song vielleicht zweimal hören muss, um zu verstehen, dass sich die Namen auf die Szene beziehen. Aber spätestens, wenn man merkt, dass das kein autobiographischer Song ist, sondern nur Quatsch, ist es geil.

Aber man muss das Personal kennen, um den Witz zu verstehen.
Natürlich. Das ist wahrscheinlich nicht der Song mit einem großen Mainstream-Potenzial, weil man schon ein gewisses Grundwissen über Rap und die jeweiligen Rapper braucht, um das zu verstehen. Aber es richtet sich ja alles eher an Menschen, die auch musikalisch Spaß daran haben, sich auf eine lustige Art und Weise mit Rap zu beschäftigen. Das ist keine Stadionplatte, die den Mainstream anspricht.

Und wieso endest du als Friedrich in dem Song?
Naja, Friedrich ist ein Mensch, der sich sehr viel mit der Schule beschäftigt hat in letzter Zeit. Der hat ein Album gemacht, in dem es darum geht, wie man sich fühlt, wenn man aus der Schule kommt. Die Sehnsucht nach der Jugend vielleicht. Vielleicht ist es aber auch nur zielgruppenorientiert und es geht mehr darum, die Pubertät für Leute zu beleuchten, die gerade in der Pubertät sind.

Hältst du ihn für so strategisch?
Ich halte ihn für jemanden, der sich sehr krass daran orientiert, was Leute gerade wollen. Ich komme aus der Position, mal ein sehr großer Fan gewesen zu sein und fühle mich inzwischen von ihm etwas auf den Schlips getreten. Ich kann verstehen, wenn Leute die Musik ihrer frühen Helden irgendwann nicht mehr gut finden. Das wird es bei mir natürlich auch geben, und das ist dann auch ok, aber ich finden, dass man sich als Fan auch beschweren darf und deshalb hat es mir Spaß gemacht, in die Richtung kurz einen kleinen Seitenhieb zu lassen.

Aber das ist halt alles Spaß, und da gibt‘s ja auch immer wieder irgendwo einen bekannten Namen, den ich erwähne, aber das ist halt witzig. Ich möchte keinen Beef und habe das in der Promo für die CD auch nicht an die große Glocke gehängt, dass ich Leute disse. Das soll auch nicht der Aufhänger sein. Das können Leute hören, das können Leute witzig finden, wenn da jemand ein Problem mit hat, können wir das gerne besprechen. Ich kenne diese Leute nicht und möchte niemandem etwas persönlich Böses. Es macht mir einfach Spaß.

Alles Klar, vielen Dank.

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