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Katy Perry lief wie Jesus über ein Meer unzähliger Fans

Ich war bei einem Katy Perry-Konzert und aus ihren Brüsten kam nicht mal ein Feuerwerk geschossen.

Letzte Woche fragte mich Noisey, ob ich für sie zu Katy Perry gehen will. „JA!“, sagte ich, „JAJAJA!“. Hätte man mir vor ein paar Jahren gesagt, dass ich mal heiß auf ein Katy Perry-Konzert sein würde, hätte ich mich finster murrend hinter einem Stapel Avantgarde-Noise-der-Siebziger-Schallplatten vergraben. Jetzt freute ich mich tatsächlich. Was war passiert? War ich degeneriert? Hatte ich mich weiterentwickelt? Beides?

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Man muss dazu sagen, ich WEISS sehr viel über Katy Perry. Das Internet hat mich (unfreiwillig) auf dem Laufenden gehalten: Ich weiß, wann sie sich ihre Haare gefärbt hat, mit wem sie Beef hat, welche ihrer Brüste größer und welche kleiner ist, ich weiß von ihrem Lazy Eye, Taylor Swift usw, usw. Umgekehrt proportional dazu: Ich kenne genau zwei Katy Perry-Songs. Irgendwie ist in der Haar-Makeup-Trennungs-Informationsflut vollkommen an mir vorbeigegangen, was für Musik sie überhaupt macht.

Was ich dagegen von meiner Mitbewohnerin wusste, war, dass in einem Katy Perry-Video Feuerwerk aus ihren Brüsten schießt und dass es schon sehr enttäuschend wäre, wenn bei ihrer Show KEIN Feuerwerk aus ihren Brüsten käme. Sie ging sogar so weit, auf Feuerwerk zu wetten.

Freitag war es also soweit: Ich lasse mich von den freundlichen Angestellten in die Journalistenecke irgendwo weit hinten-oben lotsen. Nach Charli-„I WANNA SEE YOUR HANDS!“-XCX folgt erwartungsvolle Stille (soweit eine Halle mit ein paar tausend Leuten still sein kann), dann geht es los: Katy kommt in einem Leuchtstoffkleid, begleitet von einer Gruppe tanzender Cyberindianer (?), aus einer Pyramide, die aus dem Boden der Bühne gefahren wird. Sie wechselt zweimal pro Song ihr Outfit, die hochgehaltenen Smartphones der Masse erinnern von oben an einen umgekehrten Sternenhimmel. Katy kreischt und leuchtet und hüpft, umgeben von ihren Tänzern, irgendwo weiter hinter gibt es glaube ich auch Musiker, sicher bin ich mir nicht.

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„DO YOU LOVE YOURSELVES?“, fragt sie die tobende Masse hirnloser Hardcorefans, die wahnsinnig viel Geld dafür ausgegeben haben, ihr unter den Rock kucken zu dürfen, “CAUSE THAT COMES FIRST!“ Dann kommt ein echtes Pferd auf die Bühne. Denke ich zumindest. Bevor ich die Nummer des Tierschutzbundes wählen kann, bemerke ich gottseidank, dass es kein echtes Pferd ist, sondern ein von Tänzern getragenes Pferdekostüm, auf dem Katy sitzt (das Thema hat inzwischen von „Indianer“ zu „Ägypten“ gewechselt) und eine Peitsche schwingt. Ein Dreiecksgerüst mit daran hängenden Tänzern wird über der Bühne in die Luft gezogen. Die Tür des Tempels öffnet sich, und…

…irgendwoher taucht eine steppende Katze auf, die das Publikum ablenken soll, während Katy sich umzieht (Katy zieht sich verdammt oft um). Dann performt sie im Katzenkostüm die einzigen beiden Katy Perry-Songs, die ich kenne („I kissed a girl“, „Hot and cold“) und wird aus einer drei Meter hohen Milchschale mit Milchpuder überschüttet.

Ich bin mir mittlerweile ziemlich sicher, dass Katy Perry ernsthafte psychische Probleme hat. Sie sucht sich aus dem Premium-Publikum jemanden aus, der wie sie aussieht und lässt die Person einen Selfie mit sich machen. Von hier oben sieht der Sonderbereich der Bühne, in den nur Fans dürfen, die Tickets für 200 Euro gekauft haben, aus wie eine große Möse und ich philosophiere darüber, dass vermutlich jeder Moment der Fanzuneigung exakt geplant wurde. Katy witzelt die gesamte Show darüber, dass sie und ihr deutsches Publikum nicht die gleiche Sprache sprechen. Ich weiß nicht, ob sie weiß, dass die meisten Deutschen standardmäßig ab der 7. Klasse besseres Englisch sprechen als sie. Während ich so sinniere, entfaltet sich ein Himmel voller Sonnenblumen über der Premium-Fan-Vagina, Katy beschwert sich, dass die Berliner Techno-DJs nie Beyonce für sie auflegen (Go Berliner Techno-DJs! Macht ihr richtig!), sie singt „By the Grace of God“ mit Gitarre und Obacht, sie kann wirklich singen und Gitarre spielen, das ist die letzten anderthalb Stunden irgendwie untergegangen.

Danach holt sie ein März-Geburtstagskind auf die Bühne (Selfie!), gegen Ende senkt sich eine blaue Meer-Himmel-Folie über die Premium-Fan-Vagina und Katy wird an einer Luftballon-Konstruktion über die O2-Arena gehoben und läuft wie Jesus übers Meer über den Köpfen ihrer Fans ein paar Ehrenrunden, WANN KOMMT ENDLICH FEUERWERK AUS IHREN BRÜSTEN, frage ich mich, WANN NUR? Es gibt noch eine Zugabe, sogar mit Feuerwerk, leider nur im Hintergrund. Die Lichter dimmen ab, Katy geht in ihre Pyramide zurück und verschwindet zusammen mit meinem Restglauben an die Vernunftbegabung des menschlichen Geschlechts. War aber trotzdem irgendwie geil. Bis zum nächstes Mal, Katy. Wir werden dich vermissen.

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