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Ich war im Koma und jetzt bin ich DJ

Wir stellen euch DJ Disable vor.

Als ich das erste Mal auf die 20-jährige Arielle Marra aufmerksam wurde, hat sie um sechs Uhr Nachmittags vor einem leeren Raum am Indoor Floor im Club Fifty aufgelegt, der sich im 50. Stockwerk des Viceroy Buildings in Miami befindet. Draußen war mehr los als drinnen: Max Vangeli spielte beim Pool, mit Blick über Miami, für eine ekstatische Partycrowd. Arielle trug ein weißes Shirt mit kleinen Bieberköpfen drauf und eine kastanienbraune Jacke mit Nieten. Der Look war ziemlich beeindruckend. Während sie für einen leerstehenden Raum spielte, trank sie ihren gratis Champagner und amüsierte sich auch alleine ziemlich gut.

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Als sie mit dem Auflegen fertig war, habe ich beschlossen herauszufinden, was es mit ihr auf sich hat. Ich hatte ein Shirt mit Pizzas und Pepperonis darauf an, dass sie ziemlich scharf gefunden hat. Während unsererem Gespräch hat sich herausgestellt, dass sie mit dem DJing erst vor eineinhalb Jahren angefangen hat—direkt nachdem sie aus dem Koma nach einem Autounfall aufgewacht ist. Sie kommt aus Staten Island und nennt sich DJ Disable. Da denkt man als erstes an den Typen im Rollstuhl, der auf jeden Parkplatz gemalt ist. Ich habe sie unlängst getroffen, damit sie mir ihre Geschichte erzählen kann.

Noisey: Wie kam es zu dem Autounfall?
DJ Disable: Mein Freund ist gefahren und ich kann mich nicht mehr wirklich erinnern, wie es dazu kam. Insgesamt war ich drei Monate im Krankenhaus.

Wie lange warst du im Koma?
Nur für zweieinhalb oder drei Tage.

Erinnerst du dich an irgendetwas davon?
Nein. Ich kann mich nicht mal wirklich erinnern, wie der Abend angefangen hat. Ich hatte einige Verletzungen am Kopf, an meinen Händen, meinem Gesicht, beiden meiner Beine, meinem Nacken und an meiner Wirbelsäule. Mein Schlüsselbein war auch gebrochen. Die Ärzte sagten mir, dass ich nie wieder gehen werde. Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, war ich im Rollstuhl und hatte nichts zu tun. House hat mir durch die Zeit im Krankenhaus geholfen, also dachte ich mir, warum bring ich mir nicht das Auflegen bei? Das habe ich dann auch gemacht und das gab mir die Kraft, wieder gehen zu lernen. Ich habe dann trainiert um meine Beine zu stärken, habe diese Beinprotesen benützt und mich mit Krücken gestützt. Einer der Ärzte hat das gesehen und meinte so: "Oh Scheiße! Zurück in den OP mit ihr!"

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Warum?
Naja, ich durfte eigentlich nicht aufstehen. In meinem Fuß waren einige Knochen gebrochen und so ziemlich alles voll mit Metallplatten. Die Ärzte meinten, dass ich nicht gehen sollte, weil sie mich nicht darauf vorbereitet haben und sich die Platte in meinem Fuß verschoben hatte. Also haben sie die wieder rausgenommen und ich fing mit Physiothearpie an. Danach konnte ich wieder gehen!

Welches Equipment hattest du im Krankenhaus?
Ich habe ja erst im letzten Monat meines Krankenhausaufenthaltes damit angefangen—ich wollte beschäftigt sein, weil ich immer allein war. Ich versuchte zunächst zu produzieren. Aber das habe ich mir wieder aus dem Kopf geschlagen. Als ich dann im Rollstuhl entlassen wurde, habe ich mich entschlossen einfach aufzulegen und so begann das alles. Das Produzieren versuche ich mir jetzt gerade beizubringen.

Was legst du denn so auf?
Hauptsächlich Electro, Progressive und House.

Wie geht es dir derzeit körperlich?
An manchen Stellen habe ich noch immer irreparable Schäden, aber die sind nicht sichtbar. Gehen funktioniert gut, aber laufen kann ich nicht und rumspringen auch nicht. Es tut nicht weh … naja, manchmal schon. In Miami zu leben tut mir gerade sehr gut. Viel besser als im kalten New York rumzuhängen. Dort würde ich wahrscheinlich gelähmt werden. (lacht) Für meine Arthritis ist warmes Wetter einfach besser. Ich hab eine angeschlagene Wirbelsäule und mein Nacken wird mir für immer zu schaffen machen. Ich bin Rechtshändler und kann nicht mehr wirklich schreiben. Jedes Mal wenn ich versuche was zu schreiben oder eine Unterschrift machen muss ist es bloß Gekritzel. Ich kann zwar einen Stift oder eine Tasse halten, aber nach einiger Zeit muss ich das in die andere Hand geben, weil sich alles verkrampft. Aber das belastet mich nicht—ich werd drüber hinweg kommen.

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Du hast mir erzählt, dass du zu dieser Zeit mit deinem Freund Schluss gemacht hast, ein Tag bevor du ins Krankenhaus gekommen bist, aber als du raus gekommen bist hast du dich daran nicht mehr erinnern können…
Stimmt! Genau so war das. Nachdem ich aufgewacht bin, hat mir meine Familie gesagt, dass er nichts mehr von mir wissen will. Ich habe einen Tag vorm Unfall mit ihm Schluss gemacht, aber wir redeten noch miteinander. Als ich aufgewacht bin, hatte meine Familie aber keine Ahnung davon. Ich habe mit ihnen nie wirklich über meinen Freund geredet, aber sie sagten mir dass er nichts mehr mit mir zu tun haben will. Ich dachte mir so "WAS?!". Ich hab nicht kapiert was los war. Ich hab ihm dann eine SMS geschrieben und wir haben gestritten. Er hat mich nichtmal besucht, was ich ziemlich krank fand. Aber im Endeffekt bin ich froh, dass es so kam. So war es einfacher voranzukommen..

Was hast du in New York vor dem Unfall gemacht?
Ich war in einer Schule für Kommunikation. Ich wusste nicht wirklich was ich machen sollte, aber für mich war klar, dass es irgendwas mit Produktion, TV, Musik oder Filmen war. Im College habe ich mich viel mit Video Edition beschäftigt. Ich habe versucht Remixe mit Garageband zu machen (lacht). Ich mochte es schon immer mein eigenes Ding zu machen und kreativ zu sein.

Erzähl mal, wie es dir als Frau in der DJ-Welt so geht.
Ich fühle mich wie viele Frauen … es ist entweder so oder so. Leute nehmen einen nicht ernst und sagen nur "Hey, die sind heiß" oder sie bewundern sie wirklich weil sie Talent haben. Ich weiß nicht wirklich wie das für die Fans mit weiblichen DJs ist. Ich selbst beschäftige mich nicht wirklich mit weiblichen DJs, weil sie oft ihre Sexualität in den Vordergrund stellen.

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Und du nicht?
Offensichtlich hilft es mir, aber das ist nicht was ich will! Ich will, dass die Leute meine Geschichte kennen, die Kraft der Musik sehen und wie sie mir hilft, mit all dem umzugehen. Das ist eher mein Anliegen.

Wie würdest du damit umgehen, wenn dir jemand vorwerfen würde, dass die Behinderung nichts weiter als eine Marketingstrategie ist?
Gar nicht. Ich habe mit dem Auflegen angefangen weil es nichts weiter als ein Hobby ist. Nach einiger Zeit sind die Leute eben auf mich aufmerksam geworden. Sie haben mir gesagt, dass ich meine Musik spielen soll und meine Geschichte erzählen muss. Das hat mir Mut gegeben und mir geholfen mit allem besser umzugehen. Ich meine, ich saß jeden Tag zu Hause und hatte nichts zu tun. Ich wollte mir einfach was neues beibringen und habe gemerkt, dass ich es liebe, kreativ zu sein. Das ist jetzt mein Traum. Nicht nur Musik zu spielen und zu machen, sondern andere Leute mit meiner Geschichte zu inspirieren. Weißt du was wirklich weird ist?

Was?
Ich bin jetzt hungrig. Ich glaube, dieses viele Reden macht mich echt hungrig.

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