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Popkultur

FILM ISSUE EXTRA - CHRISTOPHER DOYLE

Christopher Doyle, HKSC (aka

), ist ein australischer Kameramann, der nun schon seit über zwei Jahrzehnten in Asien lebt und arbeitet. Am bekanntesten ist er für seine acht Filme andauernde Zusammenarbeit mit Wong Kar-wai. In größtenteils drehbuchlosen, modernen Klassikern wie Days of Being Wild, Happy Together, Chungking Express und In the Mood for Love, hat Doyle dazu beigetragen eines der am stärksten visuell stilisierten Ouvres des Kinos zu erschaffen, und das obwohl er nie eine offizielle Ausbildung oder Ähnliches erhalten hat.

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Nachdem er Australien mit 18 verließ, arbeitete er auf einem Norwegischen Handelsfrachter, als Viehtreiber in Israel, als Brunnengräber in Indien, als Doktor der chinesischen Medizin in Thailand und vieles mehr… so zumindest lautet die Legende dieses Mannes, den manche Dù KS Feng nennen, zu Deutsch: „Wie der Wind." Von seiner Vorbereitung in Form seiner Reisen und vielen langen mit Schauspielern und Künstlern verbrachten Nächten zehrend, drehte Doyle 1983 seinen ersten Film und genießt seitdem den Status des meistbeschäftigten Australiers der asiatischen Kinolandschaft.

Nach dem Film 2046, der 2004 in die Kinos kam, und dessen Fertigstellung fünf Jahre in Anspruch genommen hatte, entschieden sich Doyle und Wong, obwohl sie nach eigener Aussage imstande sind, gegenseitig ihre Gedanken zu lesen, zunächst getrennte Wege zu gehen. Doyle ist seitdem weiterhin viel beschäftigt, und hat weltweit mit verschiedenen Regisseuren gearbeitet, zuletzt mit Neil Jordan für Ondine und Jim Jarmusch für The Limits of Control.
Er sprach mit uns von seinem Hotelzimmer in Shanghai aus, nach einem Arbeitstag am Set seines neuesten Projekts.

Vice: Hi Chris. Du bist gerade in Shanghai?
Christopher Doyle: Ja, ich bin Shanghai, und mein Zimmer befindet sich im 26. Stock. Es hat hier ungefähr 40 Grad. Diese gottverdammten Moskitos, ich habe keine Ahnung, wie sie so hoch fliegen können. An was arbeitest du?
Ich arbeite mit Stanley Kwan, ein wunderbarer, wunderbarer Filmemacher. Er ist ein großer Regisseur aus Hong Kong, der dazu neigt – Zitat - „schwule" Filme zu machen oder, wie sie in Hong Kong sagen, Filme mit „Frauenthemen" Du bist für dein sehr spontanes Auftreten auf Filmsets bekannt, und für deine Arbeit an den Filmen von Wong Kar-wai, ganz ohne jedes Skript.
Du kannst dir unglaublich ausführliche Notizen machen, aber wenn es wirklich ans Drehen geht, wirfst du das Skript doch wieder weg. Du musst. Es geht für mich um die Energie und die Inspiration und die Möglichkeiten dessen, was in der Geschichte versucht wird. Es hat etwas von Bildhauerei. Du trägst den Stein ab und siehst was sich wirklich darin versteckt.

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Wie die Legende von Michelangelo, der David im Innern des Marmors sah.
Ja. Es handelt sich in der Hauptsache um einen Prozess, der durch eine Reaktion auf das bereits Vorhandene in Gang gesetzt wird. Vielleicht kommt es von der Arbeit in Filmlandschaften, die keinen Zugriff haben auf große Budgets und nur über minimale technische Möglichkeiten verfügen. Von der Gewohnheit mit dem zu arbeiten, was man hat, im Gegensatz zu dem, was man will. Es ist also ein Geben und Nehmen, so wie Tai Chi, eine Grundlage der Kampfkünste. Oder man sucht das Zentrum des Ganzen, wie man es in der Meditation tut. Du zielst in eine Richtung und strebst danach, das Unnötige zu entfernen. Das ist nicht die Art und Weise, in der die meisten Kameramänner aus Hollywood über ihre Arbeit sprechen würden. Es ist sehr erfrischend, es so beschrieben zu hören.
Ich denke, Film besitzt sämtliche Eigenschaften der Musik. Es gibt Wiederholung, Rhythmus, dabei handelt es sich um eine gewisse Anmut und eine gewisse Zurückhaltung an bestimmten Punkten. Film besitzt eine spontane, emotionale Energie, und stilisiert nicht…, mmh, wie könnte man das jetzt am besten sagen?

Ein bisschen so wie Jazz, improvisations-orientiert?
Genau wie Jazz. Du fängst an, und dann kommt dein Solo-Zeug, du bewegst dich entlang bestimmter Themen und dann versuchen alle zusammen zum Ende zu kommen. In der Tat ist es eine Jamsession. Ich finde das wunderbar. Jede Kunst sollte darauf abzielen.

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Bei all diesen großartigen Filmen, die du zusammen mit Wong Kar-wai gedreht hast, habt ihr auch mit William Chang als Produktionsdesigner und Cutter zusammengearbeitet. Betrachtet man die Menge an Material, die du und Wong Kar-wai ohne Drehbuch für einen Film wie In the Mood for Love geschossen habt, sieht es so aus, als hätte der arme Cutter den härtesten Job gehabt. Er musste alles zusammensetzen.
William ist ziemlich rücksichtslos! (lacht) Das ist eine seiner großen Stärken. Es ist erstaunlich. Wenn wir zusammenarbeiten, läuft das sehr wortlos ab. Wir diskutieren die Dinge nicht wirklich. Wir haben keine echten Produktionsmeetings. Es passiert einfach. Nochmal, ich bin nicht oberflächlich, da existiert einfach eine gemeinsame Wellenlänge mit diesen Jungs. Eine gemeinsame Antwort auf etwas, das nie wirklich ausgesprochen wird. Selbst wenn wir einen Drehort besuchen, reden wir kaum. Wir gehen einfach nur durch und entscheiden, ob er gut oder schlecht ist, und ob wir hier arbeiten werden. Und dann kommen wir vielleicht noch mal zurück und sagen „Und die Tapete?" oder so etwas in der Art. Aber das ist alles. Es ist kein Produktionsmeeting im westlichen Sinn, mit verschiedenen Abteilungsleitern, die sich zusammensetzen, um etwas zu diskutieren.

Aber es war eine Hilfe, dass William Chang der Produktionsdesigner mit euch auf dem Set war. Er konnte so zur Story beitragen und hatte ein besseres Gespür für sie, wenn er als William Chang der Cutter in den Schneideraum ging.
Ja, und die Sache mit William ist, wie pragmatisch und scharfsinnig er ist und wie er sich selbst immer aus allem heraushält. Mit anderen Worten: Es ist vollkommen egal, wie viel Zeit und Geld, einschließlich seiner eigenen Ressourcen, in etwas geflossen sind. Wenn es nicht funktioniert, funktioniert es nicht. Wenn es entschlackt werden kann, wird es entschlackt. Aber wenn es eine dreiminütige Sequenz sein soll, in der nur Maggie Cheung eine Treppe hinaufläuft, dann wird es auch genau das sein. Und Maggie Cheung auf den Stufen in In the Mood for Love ist definitiv ein Bild, das haften bleibt. Bevor du zum ersten Mal zu einer Kamera gegriffen hast, bist du gereist und hast quer über den gesamten Globus gelebt. Was hat dich dazu gebracht?
Notwendigkeit. Ich weiß nicht, ich habe keine Ahnung. Als ich Australien verließ, studierte ich gerade Literatur in einem sehr drogen-orientierten, politisierten kulturellen Umfeld 1969. Da war Vietnam, Leute wurden eingezogen, all diese Sachen sind passiert. Außerdem fühlen sich die meisten Australier – und ich rede hier gerade vom weißen Australiern – isoliert. Es gibt da einen Haufen Dinge in der Welt da draußen, die du noch nicht erlebt hast, also versuchst du rauszukommen. Ich wollte etwas kennenlernen, das ich bis dahin nur durch die Literatur kannte. Ich wollte es aus erster Hand erleben, anstatt mir von D.H. Lawrence oder Borges oder Bukowski davon erzählen zu lassen. Also wurde ich Matrose auf einem Handelsschiff, und dann kam ich nach Europa, und dann bereiste ich Israel, und dann reiste ich quer übers Land nach Indien, und da habe ich drei Jahre gelebt und bla bla bla. Und ich glaube, das war meine Filmschule. Das glaube ich absolut. In meiner traditionellen Filmschule wurde mir beigebracht, narratives Filmschaffen müsse vom Skript her, sowie zeitlich und finanziell auf den Dollar und die Minute genau geplant sein. Es gibt da zum Beispiel diese Drehbuchformel, nach der ein 30 seitiges Skript ungefähr 30 Minuten Laufzeit entspricht.
Yeah. Und was ist, wenn das Skript 24 Seiten hatte und in der Mitte von Seite 3 heißt es „Dann schlafen sie miteinander"? Das heißt sie können nur 10 Sekunden miteinander schlafen, richtig? (lacht) Und dann heißt es „Jetzt kämpfen sie", aber was ist, wenn du hier eine Szene hast wie aus Tiger and Dragon oder Hero, weißt du? Und im Drehbuch heißt es einfach nur, „Jetzt kämpfen sie!" Darum, wenn Leute sagen „Was ist dein Beweggrund, einen Film zu machen? Ist das Skript da nicht sehr wichtig?"Naja, wie viele gute Shakespeare-Verfilmungen hast du gesehn? Vielleicht fünf? Und wie viele haben sie gemacht? Also, ganz offensichtlich gibt es da neben dem Skript noch andere Aspekte von Bedeutung.

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Du bist in deinen Dreißigern zum Filmen gekommen. Hast du vorher wenigstens fotografiert, während deiner vielen Reisen?
Nein, nicht mal das. Ich hatte nie einen Fotoapparat bis ich Chungking Express gefilmt habe. Die erste Kamera, die ich überhaupt jemals benutzt habe, war eine 8-mm Filmkamera, und das war nur, um ein Mädchen zu beeindrucken. Du weißt schon, das Übliche, richtig?

Ich frage mich, wie du imstande warst, nicht nur so zügig in den Beruf des Kameramanns einzusteigen, sondern auch so einzigartige und schöne Bilder zu schaffen.
Ich denke, genau wie das Muskelgedächtnis eines Sportlers ist das visuelle Gedächtnis etwas, das lediglich angezapft werden muss. In meinem Fall behalte ich einfach die visuelle erfahrung eines Ortes wie Indien, oder ich erinnere mich an die Farbe des Lichts in Israel oder des Nebels in Brügge, wo ich auch eine Zeit lang gelebt habe. Vielleicht ist das relevant für die Art und Weise, in der ich zum Beispiel eine irische Landschaft ausleuchte. Ich bin nicht sicher, aber wahrscheinlich schon. Es ist nicht bewusst, aber es ist da.

Du arbeitest viel in Asien oder in China, und dann gehst du nach Europa oder in die USA und drehst auch dort. Du kommst immer noch ziemlich viel rum.
Es ist ein großes Vergnügen außerhalb meiner üblichen kulturellen Umgebung zu arbeiten, aber ich fühle mich hier am wohlsten. In meinem Umfeld habe ich einen chinesischen Namen. Die meisten Leute kennen noch nicht mal meinen englischen, also habe ich eine gewisse Freiheit, die meiner Meinung nach grundlegend ist für das künstlerische Streben. Hier bin ich zu dem geworden, der ich bin. Hier sind die Menschen, mit deren Filmkultur und sozialen Bedingungen und Sorgen ich am vertrautesten bin. Mit diesen Menschen kann ich offener reden.

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Als du zurück nach Australien gegangen bist, um Rabbit-Proof Fence zu machen, hattest du da den Blick eines Fremden, nach so langer Zeit in Asien?
Absolut, absolut. Es war fantastisch. Ich bin weggegangen, als ich 18 war, und ungefähr 30 Jahre später wieder zurückgekommen. Ich glaube ich mache Filme, weil ich in Australien geboren wurde, auch wenn ich das damals noch nicht wusste.

Ich mag die gesättigten Farben und Texturen in vielen deiner Filme. Wie viel davon kommt von der Nachbearbeitung und wie viel von der Art und Weise, in der du filmst?
Da ich aus einer technisch sehr schlecht entwickelten Umgebung komme, bzw. über weniger ausgeprägte technische Erfahrung verfüge, war ich immer der Ansicht: Wenn es nicht auf dem Negativ ist, kommt es auch nicht in den Film. Diese Mentalität habe ich immer noch von Tag zu Tag. Aber wir konnten die Dinge, die bereits vorhanden waren durch simple Techniken verstärken. Diese Techniken sind sehr organisch und direkt, nicht digital.

Also ist es auf dem Film, bevor es entwickelt wird.
Ja, die Lebhaftigkeit der Farben ist da. Die Farben, die Lebhaftigkeit und die Energie der Filme kommen alle von dieser Umwelt. Als wir zum Besipiel In the Mood for Love machten, sagten wir: „Es wird in diesem Film viel Rot geben." Du musst vorsichtig sein mit Rot, weil es eine so symbolträchtige Farbe in der Chinesischen Kultur ist. Wenn du alles mit Rot vollkleisterst, heißt das wirklich was. Es schlägt dich ins Gesicht und erzeugt eine gewisse Resonanz. Alle Farben sind beladen mit kulturellem Ballast.

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Du warst ein Berater für den Film Internal Affairs, der die Vorlage war für Martin Scorseses The Departed. Es ist kein völlig neuer Trend, aber in letzter Zeit gibt es viele Remakes im amerikanischen Kino.
Nun ja, offensichtlich basieren die Strukuren bestimmter Industrien auf Geld. Was in der Kinokultur des Westens in letzter Zeit passiert ist, sind Franchises und Remakes. Es ist die kommerzielle Funktionalität dieser – in Anführungszeichen – „Industrie". Wie dir Menschen in verschiedenen Teilen der Welt bestätigen werden, gibt es bestimmte Aspekte der westlichen Kultur, die in eine Sackgasse geraten sind.

Manche Leute sagen, Amerika erlebe gerade seinen Untergang des Römischen Reichs. Ich war gerade gestern im Kino, und in der Lobby hingen Poster für kommende Filme, und alle schienen vom Ende der Welt zu handeln, wie 2012, ein Apokalypsenfilm. Ich sah das Harry Potte- Poster, das sehr gruselig aussah, und das GI Joe und das Transformers-Poster. Diese Filme sind Franchises und wirken ziemlich fixiert auf das Ende der Menschheit.
Das sind Filme, die ihre Stimme verloren haben. Heutzutage wird die Arbeit den richtigen Künstlern aus den Händen genommen und von einem Komitee erledigt, so wie wir es in einem Großteil der Werbung oder auch – lass es uns ruhig so polemisch ausdrücken – in einem Großteil der Hollywood-Filme sehen.

Das asiatische Kino ist in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren sehr gewachsen.
Nun, du hattest eine neue Welle in Frankreich. Eine neue Welle in Hong Kong, in China und Korea, sogar in Argentinien und Brasilien zur selben Zeit. Das ist ein soziokulturelles Ding, wo verschiedene Faktoren zum richtigen Zeitpunkt zusammenkommen. Es kann andauern, meistens ist es aber schnell wieder vorbei. Und meistens kommt es aus der Energie des Moments. Schau dir die fünfte Generation in China an. Warum kam es zu dieser Explosion an Kreativität? Wegen der Kultur-Revolution. Den Menschen wurde so lange so viel verweigert, und es gab so viele Geschichten, die darauf warteten, erzählt zu werden.

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Letzte Nacht habe ich mir Gus Van Sant's Paranoid Park, bei dem du Kameramann warst, angesehen. Es passt in vieler Hinsicht zu seinen letzten Filmen wie Elephant und Last Days. Außerdem denke ich, passt er auch zu einigen der Filme, die du mit Wong Kar-wai gedreht hast. Mit der gebrochenen Chronologie und dem, man könnte sagen, meditativen Stil.
Nachdem ich einen der schönsten und vollständigsten Versuche der Verwirklichung einer Idee gesehen habe in seiner Trilogie Gerry, Elephant und Last Days, war da einfach der Gedanke: „Wohin von hier?" Harris Savides war der Kameramann bei diesen drei Filmen. Er ist auch ein sehr guter Freund von mir. Eines der dinge, die ich mit Paranoid Park erreichen wollte, war, weiterzugehen und trotzdem nicht diese Gemeinsamkeit zu verlieren – eine weitere Spur dieser unglaubliche und informativen Reise zu verfolgen, die die Trilogie darstellt. Es ist wie eine kleine, gemeinsame Reise, und du bringst ein bisschen eigenes Gepäck mit. Du schaffst es, mit jedem Regisseur eine neue Herangehensweise zu entwickeln, aber findest du es nicht manchmal schwer, nicht einen deiner alten Tricks, eine deiner alten Techniken zu verwenden?
Ich denke, da besteht eine große Gefahr, aber das kann dir in Allem passieren. Man muss sehr darauf Acht geben, sich nicht selbst zu parodieren, unbewusst oder bewusst. Wenn du mit Leuten arbeitest, die „integer" sind oder ähnliche Intentionen besitzen, dann werden sie dich davor beschützen.

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Und manche Leute wollen sicher mit dir arbeiten, um eine Kopie deiner älteren Arbeiten zu bekommen.
Da gibt es welche, die sagen „OK, das hier sind die Referenzen für den Look dieses Films", und dann zeigen sie mir einen meiner eigenen Filme! Ich fange an zu lachen. Ich sage „Nein, das kann ich nicht machen", und sie sagen „Was soll das heißen?" und ich sage „Nun, ich habe das bereits getan. Wie soll ich es noch mal machen?"

Du hast mit vielen Regisseuren an ihren Debüts gearbeitet. Besser gesagt, konnten manche Filme nur entstehen, weil dein Name im Spiel war.
Es ist eine große Ehre mit Freunden zu arbeiten und wenn meine Zusage an jemanden, der vorher vielleicht noch nie einen Film gemacht hat, es ermöglicht, dass der Film gedreht wird, dann könnte ich darauf nicht stolzer sein. Ich könnte auch nicht stolzer sein auf die Tatsache, dass einige der größten Filmschaffenden meine Freunde sind. Ich meine, was kannst du dir im leben mehr wünschen?

Überall wird jetzt davon geredet, dass der analoge Film ausstirbt und bald alles digital gedreht wird. Wie reagierst du auf die technischen Veränderungen in der Filmbranche?
Vor The Limits of Control, der Jim Jarmusch Film, den ich vor einem Jahr gedreht habe, hatte ich noch nie eine DI benutzt. Für all die nicht-Filmnerds da draußen, eine DI ist eine Digital Intermediate Camera, in der das Material durch einen Film-to-Video-Prozess läuft und dann mithilfe digitaler Techniken bearbeitet werden kann. Sorry für die Unterbrechung…
Ich hatte Angst vor DI. Aber, weißt du, man muss leben… Wie heißt es? Better the devil you know than the devil you don't.

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Richtig. Der Wechsel zum Digitalen hat den definitiv positiven Effekt, dass es jetzt viel einfacher ist für Amateure, ihre Filme zu drehen und zu verbreiten.
Die Außerordentlichkeit des Bildes muss von der Außerordentlichkeit der Idee herrühren. Nicht von der Hierarchie des Geldes. Jetzt kannst du dich über Youtube verbreiten. Du musst gar nicht mehr drauf warten, dass dir irgendein verdammtes Studio grünes Licht gibt. Ich denke, wir leben in dieser unglaublichen Zeit, in der die Herausforderung, die das Fernsehen in den Fünfzigern für das Kino darstellte, hundertfach potenziert wiederkehrt. Es ist verrückt - es ist fantastisch. Jetzt müssen wir wirklich besser sein als vorher, wenn wir sagen, wir sind professionelle Filmschaffende.

Du erwähnst die Herausforderung, die das Fernsehen für das Kino darstellte. Das Internet ist jetzt irgendwie für das Fernsehen dasselbe. Aber ich denke, das Internet fordert alles heraus, echt.
Ich finde es fantastisch. Ich meine, all diese Scheißfilme, sie können dagegen kämpfen, wie die Musikindustrie versucht hat MP3 zu bekämpfen. Aber es ist nur das Außerordentliche – die Qualität – was die Menschen wirklich erreicht. Natürlich, die Könige der Wiederverwertung, die American Idols dieser Welt, sie werden weiterhin Mittelmäßigkeit propagieren. Es gibt jetzt sehr viel Raum für den Rest von uns.

Mit der HD-Technik besteht die Möglichkeit der klaren Wiedergabe mit einem sehr scharfen, präzisen Look.
Kinder verbringen heute irgendwas um die 60 Prozent ihrer Zeit vor irgendeinem Bildschirm, sei es ihr Telefon ein Fernseher oder ein Computer. Ihre visuelle Erfahrung differiert in extremer Weise von unserer. Also, wenn Leute davon reden, digitale Bilder zu schaffen, dann sollten sie meiner Meinung nach mit den Kindern reden und nicht mit mir. Mein Schaffen kommt von Landschaften, von Büchern – und von der Musik. Meine Arbeit ist beschränkt auf diese Arten der Wahrnehmung, sie wird durch sie in Gang gesetzt. Ich würde eher etwas lesen, als ins Kino zu gehen. Das ist kein Witz. Wenn ich die Wahl habe, gehe ich selten ins Kino.

Fühlst du dich unter Druck gesetzt, die neue RED-Kamera auszutesten? Jeder sagt „Diese Kamera ist fantastisch. Sie ist die Zukunft."
Sie ist nur ein Werkzeug. Ich weiß immer noch nichts Genaues über sie. Ich meine, natürlich weiß ich ein bisschen was darüber, weil ich mich dazu gezwungen habe, es zu wissen, aber es ist letztlich dasselbe wie vorher – einfach ein weiteres Werkzeug. Du hast immer noch deine Augen, du musst immer noch wissen, wie du Dinge wahrnimmst, und wie du an die Technologie herangehst und an die Möglichkeiten, die du in ihrer Anwendung siehst. Daraus entsteht Kunst. Jeder wird dir erzählen, ein wirklich schöner Farbfilm sollte richtig klare Rottöne, schöne Grüntöne und wirklich tiefe Schwarztöne haben. Also, was passiert, wenn du die dunklen Töne sättigst und den Film im Push Process-Verfahren entwickelst und er richtig körnig aussieht?

War es schwer für dich an Studio-Filmen mit größerem Budget zu arbeiten?
Weißt du, vor zehn Jahren hat mich Gus Van Sant angerufen und gesagt, „Lass uns Psycho machen". Oder zum Besipiel der M. Night Shyamalan Film, den ich gemacht habe, Lady in the Water. Das waren fantastische Erfahrungen. Ich hätte nie so viel Respekt für Handwerk gehabt, hätte ich sie nicht gemacht. Darüberhinaus ließen sie mich die Qualitäten eines vollständigeren, technisch raffinierteren westlichen Arbeitsumfelds erkennen. Ich konnte sagen „Ist das wirklich die Art von Film, die ich machen möchte?" Nun, ja, damals war das etwas, das ich wissen wollte.

Du arbeitest Film für Film, einer nach dem anderen.
Ich glaube, all meine Entscheidungen über meine Arbeit beruhen auf meinen persönlichen Motiven zu dem jeweiligen Zeitpunkt. Und es ging immer um die Menschen. Night und ich, wir denken nicdht völlig gleich, aber ich habe sehr, sehr großen Respekt vor ihm und sehe ihn als Freund. Ich habe riesengroßen Respekt vor Barry Levinson (von Liberty Heights) und sehe ihn als Freund. Unsere Wege kreuzen sich, und es bestehen gemeinsame Ziele und gegenseitiger Respekt, denn wir sind alle Filmemacher. Dasselbe ist es mit Jim und Gus und Phil Noyce und Wim Wenders und Anthony Dod Mantle. Ich weiß, wenn ich mit Night arbeiten würde, könnte ich in diesem Mainstream, high-profile, high-budget Umfeld arbeiten. Dann hätte ich keine Angst vor, sagen wir, Spielberg.

Hey, er könnte das hier lesen und dich mal anrufen. Man kann nie wissen.
Ja, genau!

DAVID FEINBERG