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Mode

Metamorphose zum Mainstream

Es scheint, als hätte Patrick Mohr einen Weg gefunden, ohne Bärte, Brüste und Bodybuilder auszudrücken, dass er nicht nach Geschlechtern trennt.

Es gibt ein paar Konstanten, auf die wir uns bei der Berlin Fashion Week verlassen können: Ostertag trägt Heels und wäre eigentlich gerne Lana Del Rey, Hoschek ist ein Synonym für Blümchenretro, Michalsky zelebriert sich selbst. Deswegen mag ich die Modewoche, wirklich. Sie gilt als kuschelige Komfortzone der Cool Kids: Man weiß, was man bekommt, ähnlich wie in einem urig-deutschen Restaurant, in dem sich der fetttriefende Schweinebraten penibel am Tellerrand orientiert.

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Patrick Mohr ist die Ausnahme, weil er dafür bekannt ist, Obdachlose und Bodybuilder über den Catwalk zu schicken. Seitdem gilt er als gehyptes Enfant terrible der Hauptstadtmode, was heißt, dass er auch mal von Constanze Rick bei Prominent erwähnt wird. Constanze und Couture, das passt nicht. Fiel dem Designer offensichtlich auch auf, weil er irgendwann beschloss, dass ab sofort die Kleidung vor der Inszenierung steht. Und Kleidung kann er. Was er schon an der Modeschule Esmod in München bewies, die ihm zum Abschluss die Auszeichnung Prix Createur for the Best Collection in die Hand drückte (und den angepassten Kommilitonen damit ein fettes WTF ins Gesicht zauberte). Titel dagegen weniger. Metamohrphose, das ist dann wieder eher Privatfernsehen als Paris. Doch ich widme mich seiner Präsentation vorurteilsfrei, obwohl mir das nicht leicht fällt, weil ich vor dem Kino Babylon in der Rosa-Luxemburg-Straße stehe und meine Augen schmerzen. Muss an der gleißenden Sonne liegen, die die beiden Bill-Kaulitz-Lookalikes vor mir in ein fast surreales Licht taucht. Bevor ich darüber nachdenken kann, ob ich vielleicht doch bei der Premiere des Spice World-Remakes gelandet bin, darf der Kinosaal betreten werden. Es ist nicht wirklich dunkel und die Models sind bereits in einer geraden Reihe vor der Leinwand erstarrt. Die Kollektion wird von überraschend vielen Farben beherrscht: Mint fließt in sattes Pink, die charakteristischen Dreieck-Prints in Apricot und Blau harmonieren auf einer weißen Grundierung. Hier und da blitzt ein Neonschimmer. Den, zugegeben, größtenteils Bonnie Strange ausmacht, als Model in den letzten Tagen unvermeidlich. Patrick Mohr hat seine fließenden Schnitte mit verspielten Kordeln ergänzt, ein bisschen clean, Dip Dye und ein Hauch California Beach Hippie. Dass dieser ganz eigene Look nicht aufgesetzt wirkt, sondern lässig-elegant, hat er bei Henrik Vibskov gelernt.

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Ich philosophiere so lange über Silhouetten, weil ich nicht weiß, ob überhaupt noch etwas passiert. Dann verziehen sich die Models nach rechts und links ins Nichts, man applaudiert vorsichtig, die Leinwand erwacht zum Leben. Patrick Mohrs Show ist ein Modefilm, produziert unter der Regie von Hakan Can, 26, Berufsbild: Cinematographic Poetry. Die Szenen sind mystisch und ausdrucksstark. Natürlich könnte man den Film auch als gelungenes Mash-up aus Spartacus, Das Vermächtnis der Tempelritter und Justin Timberlakes Video zu „Rock Your Body“ betrachten, aber so weit möchte ich nicht gehen. Ein Protagonist durchläuft mit einer roten Maske verschiedene Stufen, die ihn fesseln, faszinieren, interessieren. Am Ende verwandelt er die Summe der Möglichkeiten in verschiedene Visionen seines Selbst, ausgedrückt durch Mohrs Entwürfe für Spring/Summer 2013. Egal, ob männlich oder weiblich. „Ich trenne nicht nach Geschlechtern“, betont er seit Jahren, wenn es um seine Kollektionen geht. Es scheint, als hätte Patrick Mohr einen Weg gefunden, das auch ohne Bärte, Brüste und Bodybuilder auszudrücken.

Der Film ist vorbei, die Models stehen wieder vor der Leinwand. Patrick Mohr, bärtig, hager, kommt zum obligatorischen Showdown und kuckt mysteriös in die Kameras. Tragbarkeit hin, Bonnie Strange her: Mohr packt in seine neuen Entwürfe alles, was die Hauptstadt sehen will und kreiert somit die Kollektion, die Berlin am meisten verdient hat.

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