FYI.

This story is over 5 years old.

Musik

Kopfkino im Berghain

Das Berghain ist das Berghain ist das Berghain ist ein Sündenpfuhl. Es wird also Zeit, dass morgen mit ≠ not equal ein wenig Kultur in den Darkrooms Einzug hält.

Das Berghain ist das Berghain ist das Berghain und neben dem fantastischen Klang in der Panne-Bar ist das Berghain vor allem eines: ein Sündenpfuhl, in dem am frühen Morgen eher wenig Kultur herrscht. Ein geliebtes Sodom und Gomorrah eben. Eine neue Veranstaltungsreihe soll deshalb ab morgen auch mal dort zum Denken anregen, wo ansonsten irgendwann der Stumpfsinn regiert.

Klangforschung, Inszenierung und Narration sollen also dort erforscht werden, wo ansonsten nur diverse Körperhöhlen begutachtet werden. Diese erste ≠ (not equal)-Party will die narrative Komponente der Musik einer Analyse und Reflektion der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen unterwerfen, die ihre Entstehung erst möglich gemacht hat (Wir verweisen wieder auf den sog. Sündenpfuhl). Minimal gibt es natürlich auch und so besteht das Live-Line-Up sowohl aus den okkulten Demdike Stare, Emptyset, Andy Stott und Tropic of Cancer, als auch den DJ-Sets von Raime, Milton Bradley und Opium Hum. Seid ihr nun Fasziniert? Verwirrt? Dachten wir uns, also haben wir uns vom Veranstalter Michail Stangl das alles für euch mal erklären lassen.

VICE: Hi Michail, was kann man sich den unter „Klangforschung, Inszenierung und Narration“ genau vorstellen?
Michail Stangl: Es ist oft ein Vorwurf an die elektronische Musik, dass sie irgendwie so ‚konzeptlos’ sei, dass es nur in Sequenz arrangierte schöne Klänge seien. Und das trifft auch auf oft zu, wie überall, sowohl bei Popmusik als auch im Elektro gibt es total belanglose Sachen. Es gibt aber auch viele Künstler, die sich ihrer Musik von einer ästhetischen Seite annähern, sie versuchen nicht nur ein schön klingendes Objekt zu schaffen, sondern vielmehr auf die Klangforschung einzugehen, also eine neue Art Sound zu finden. Wir haben auch Künstler eingeladen, die das zusammen geplant haben. Wenn man in Berlin oft weg geht, gibt es, außer im Kunstbereich, nicht viele Clubs oder Veranstaltungen, wo das Visuelle genauso gleichberechtigt neben dem Klang steht. Das soll geändert werden. Wie ist das Line Up entstanden? Hattest du genaue Vorstellungen?
Emptyset ist ein gutes Beispiel für solche Acts: Sehr viele Elemente aus perkussiver Tanzmusik und auch unrhythmischem Industrial plus analogem Crunch sind in einer neuen Kombination zu hören. Demdike Stare sind zum Beispiel eine Band, bei der es sehr viel um Narration geht, das heißt, du hörst zu und es erzeugt ein „Kopfkino“.

Ich habe mir das Promovideo angeschaut und auf dem Promoposter ist ein Vulkan auf dunkeln Hintergrund. Ist Düsterkeit das Leitmotiv?
Düster ist es nicht, das Leitmotiv ist eher Natur und ihre Macht. Natur ist die Urgewalt, egal, was wir bauen, man braucht nur ein Erdbeben oder Tsunami und schon ist es hin. Diese quasi sehr subtil wirkenden Kräfte innerhalb der Natur, die auch auf unsere Gesellschaft immer krassere Auswirkungen haben, sind ein ästhetisches Motiv. Es gibt eigentlich kaum etwas, das mehr Angst erzeugt als eine Naturkatastrophe. Da alle Bands diese gewisse Düsterkeit und Bedrohlichkeit in der Musik haben, hat sich das ergänzt. Wie bei jedem Berghain Event wird es Leute geben, die zufällig da sind. Wie meinst du, werden diejenigen, die nichts davon wissen, reagieren?
Radio Slave spielt in der Panorama Bar, was zum Beispiel auf der anderen
Musikseite liegt. Aber ich finde es irgendwie gut, wenn die Leute hoch zu Radio Slave wollen und dann wegen der Musik auf unserer Ebene bleiben.
Die beste Erfahrung, die ich in meinem Leben gemacht habe, war, als ich bei einem Konzert eine Band namens Coil gesehen habe. Beim Konzert wusste ich absolut nicht, was mich erwartet und dieser Abend hat mein Leben verändert. Gerade solche Herausforderung zu schaffen, finde ich spannend.

Erzählst du uns ein bisschen von dem Eingangsbereich. Es wird eine Installation des Berliner Medienkünstlers MFO geben?
Genau. Wir werden eine Passage schaffen, quasi vom Eingangsbereich hoch. Das ist ja auch wieder das Interessante am Berghain, man kommt rein, hat seine Jacke abgeben, man geht die Treppe hoch und ist mitten im Klubraum. Dieser Moment des Eintretens im Berghain ist grandios. MFO wird mit den Themen, die wir bisher hatten, tektonischen Kräften, Elektrizität arbeiten. Der Raum korrespondiert mit dem Event und andersrum.

Warum richtest du diese Veranstaltung nicht im Rahmen der transmediale aus?
(lacht) Die nächste Veranstaltung ist im Rahmen der transmediale am 3. Februar. Das ist so ein grandioses Ding in Berlin, dass man so was noch regelmäßiger machen kann. Es wird aber keine monatliches Ding sein, weil es eher darum geht, die richtigen Leute zu haben, anstatt irgendwie immer Events zu veranstalten. Was hat dich denn beeinflusst? Irgendwelche literarischen oder philosophischen Texte? Du hast vorhin über Natur gesprochen.
Ich war mal in auf den Schweizer Alpen und wir waren mitten im schlimmsten Gewitter, seit einem Jahrhundert. Ich würde nicht sagen, dass das eine religiöse Erfahrung war, aber das war mitunter eine der beeindrucktesten Erfahrungen, die ich in meinem Leben hatte. Für mich persönlich gibt es nichts Faszinierenderes als die Natur. Im Bezug auf Literatur, das ist eine komplizierte Frage. Ich komme aus dem sozial- und kommunikationswissenschaftlichen Bereich. Mich interessiert die Analyse sozialer Dynamik und das Verstehen komplexer sozialer Systeme und die intersystemischen Zusammenhängen. Aber ich muss ehrlich sagen, ich habe noch nie Nietzsche gelesen und kann auch nicht mit irgendwelche Habermas-Zitaten um mich schmeißen. (lacht) Manche Leute könnten skeptisch sein und vielleicht behaupten, dass man über eine Klubnacht gar nicht so viel schreiben kann. Was hältst du davon?
Ich könnte mir gar nicht vorstellen, dass jemand es auf die Art kritisieren
könnte, weil man sich tatsächlich Gedanken zu der Musik macht. Aber das stimmt schon das der Text Akademisch ist. Du kannst das nicht mit so locker flockigen Marketing/Promoter-Vokabeln beschreiben. Das hat sich so nicht richtig angefühlt, weil da sehr viele Ideen zusammenfließen. Die persönliche Beobachtung zu den Themen, wie verdichtet ein Klubraum sein kann. Mit „Geschichten“ meine ich nicht, dass man Leute im Raum beobachtet, sondern dass der Raum selbst erzählt. Ich mache seit sechs Jahren Veranstaltungen und für mich wird das die Beste. Bei jeder Veranstaltung, die man macht, geht super viel Herzblut und Erwartung an sich selber rein. Ich bin echt aufgeregt. Wenn wir es interessant finden, werden es andere Leute auch interessant finden. Dementsprechend drücke ich mir mal selbst die Daumen. ≠ not equal 11.11.11 ab 23Uhr im Berghain, Berlin