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„Bepimmelte Kack-Muslime“ gegen die Verteidiger des Abendlandes

Heute Abend lesen Journalisten mit Migrationshintergrund die Leserbriefe vor, die ihnen ihr Migrationshintergrund so beschert. In Dresden, der Heimat der „Pegida".
Die Teilnehmer von Hate Poetry. Foto: Thies Rätzke

Die Lesungsreihe Hate Poetry, in der Journalisten und -innen mit ausländisch klingenden Nachnamen die Leserbriefe vorlesen, die sie im Arbeitsalltag so bekommen, ist seit ihrer Erfindung vor zwei Jahren zu einem ziemlich beliebten Format geworden.

Das Prinzip ist dasselbe, wie wenn Youtube-Stars die fiesesten User-Kommentare vorlesen. Der Unterschied: Die Briefe triefen nur so vor rassistischen Beleidigungen, zu denen sich manche Leser eben provoziert fühlen, wenn ihnen plötzlich ein „Türke" in ihrer Sonntagszeitung was erzählen will.

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Heute Abend wird die Gruppe in Dresden auftreten—und zwar genau deshalb, weil Dresden die Heimat der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes", kurz Pegida, ist. Ich habe die taz-Journalistin und Hate Poetry-Moderatorin Doris Akrap angerufen, um herauszufinden, wie das zusammenpasst.

Doris Akrap bei einer vergangenen Lesung. Foto: Susanne Wittmann

VICE: Hallo Doris, „Hate Poetry" gibt es ja schon eine Weile. Kannst du das Konzept trotzdem noch einmal schnelle erklären?
Doris Akrap: Entstanden ist das vor zwei Jahren, das war eine Idee von Ebru Taşdemir. Weil Menschen mit „komischen" Nachnamen, die Texte schreiben, komische Leserbriefe kriegen. In diesen Briefen wird man beschimpft—als „verkümmelter Kacktürke" oder sonst was. Das sind also rassistische Briefe in Form von Beschimpfungen, manchmal aber auch in einem vermeintlich aufgeklärten Duktus.

Ebru hat dann ein paar Leute gefragt—Yassin Musharbash, Deniz Yücel, Mely Kiyak und Özlem Gezer, das war so der Kern. Ich hab das ganze moderiert. Die hatten die Idee, den Scheiß, den sie geschickt bekommen, zurück in die Umlaufbahn zu geben. Also einfach zurück ans Publikum.

In Form einer Lesung, sozusagen.
Also, die Briefe einfach nur vorzulesen, fanden wir ein bisschen langweilig. Deshalb haben wir daraus eine Show gemacht. Wir lesen die Briefe also in vier Kategorien vor: Die erste Kategorie heißt „Sehr geehrter Herr Arschloch, liebe Frau Fotze"—das war mal eine Anrede—, die zweite heißt „Abo-Kündigungen", die dritte „Große Oper" und die vierte „Kurz und Schmutzig".

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Was waren da mal so Highlights?
Es ist so schwer, da Highlights raus zu suchen, das sind eigentlich alles Highlights. Eines der schönsten war ein Vorwurf an Deniz, dass er nicht in der Lage sei, alle Trockenblumen auf einer niedersächsischen Wiese aufzustellen. Das war ein toller Vorwurf. Oder eben „bepimmelter Kack-Muslim", auch so ein Highlight.

Und warum macht ihr das heute in Dresden?
Diese Leute, die sich Pegida nennen und da schweigend oder „Lügenpresse" rufend in Dresden stehen und nicht mit den Medien reden—was in diesen Leserbriefen steht, ist genau das, was die Leute auch denken. Es ist also lustig, dass sie jetzt nicht mit der Presse reden, weil wir schon seit Jahren mit denen in regem Kontakt stehen.

Natürlich sind das nicht genau dieselben Leute, aber diese Briefe stehen für die Geisteshaltung dieser Leute, die dort mitlaufen. Wir machen also eine Veröffentlichung dessen, was diese Leute zu sagen haben. Und das ist purer Rassismus.

Habt ihr Angst, damit nach Dresden zu fahren?
Nö. Natürlich ist es ein bisschen mulmig. Wir sind gespannt, ob ein paar dieser Leute kommen.

Glaubt ihr, dass ihr damit etwas bei ein paar Pegida-Leuten ausrichten könnt?
Das glaube ich nicht, weil die uns ja für Lügenpresse halten. Wahrscheinlich werden sie uns unterstellen, dass diese Briefe auch alle gelogen sind. Wäre sehr interessant zu hören, was die dazu sagen. Vielleicht sind auch einige erschrocken! Vielleicht.

Also: Wenn ihr in Dresden seid und euch mal so richtig erschrecken lassen wollt, dann geht heute um 8 in die Scheune.

Titelfoto: Thies Rätzke