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59 Schiedsrichter streiken gegen Nazi-Verein

Beim 1. FC Ostelbien Dornburg sorgen 15 Rechtsextreme in der Kreisliga für Gewalt und Rassismus. Politik und Sportverbände haben lange nichts dagegen unternommen—auch weil Dornburgs Spielführer ein angesehener Politiker im Dorf ist.
imago/ Dünhölter Sportpressefoto

Wenn der 1. FC Ostelbien Dornburg in der Kreisliga antritt, dann ist Schluss mit Fairness, Toleranz und sportlicher Leidenschaft. Der Verein aus Sachsen-Anhalt fällt seit vier Jahren vielmehr mit brutalen Fouls, rassistischen Beleidigungen, massiver Bedrohung und Schlägereien auf und neben dem Platz auf. Gemeinsame Recherchen von MDR INFO und Mitteldeutscher Zeitung ergaben jetzt, dass mittlerweile 15 von 18 Spielern zur rechtsextremen Szene gehören.

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Die Angst vor dem von Rechtsextremisten dominierten Verein und seinen gewalttätigen und rassistischen Eskapaden ist so groß, dass viele Schiedsrichter und Vereine lange nicht gegen den Neonazi-Verein vorgingen. Hausbesuche der Kameradschaft um Dennis Wesemann, der Schlüsselfigur des Vereins, wurden gefürchtet. Der Fußballverband Sachsen-Anhalt tat so, als ob er nichts von all dem wusste. Nach Gewaltvorfällen Anfang des Jahres und diversen überregionalen Medienberichten scheint sich langsam etwas zu tun. Zumindest Mannschaften und Schiedsrichter wollen sich jetzt wehren. Zur neuen Saison weigern sich 59 Schiedsrichter Spiele des Klubs zu leiten. Laut Schiedsrichter-Obmann Dietmar Fähse stellen sich lediglich sechs Unparteiische noch zur Verfügung. Mindestens vier Mannschaften aus der Liga erklärten, dass sie nicht mehr gegen Dornburg spielen wollen.

Der Auslöser dafür sind die massiven Übergriffe von Spielern des FC Ostelbien auf Spieler anderer Mannschaften bei Turnieren und Pflichtspielen. Es kam immer wieder zu rüden Fouls, offenem Rassismus gegenüber gegnerischen Spielern mit Migrationshintergrund oder zu Spielabbrüchen und Schlägereien. Viele der Schiedsrichter wurden bedroht und auch die Polizei musste regelmäßig zu Spielen des FC Ostelbien anrücken. Michael Pieper war der erste Schiedsrichter im Kreisverband, der öffentlich erklärte, die Spiele des Neonazi-Klubs nicht mehr zu pfeifen. „Ich will nicht in meiner Freizeit um Leib und Gesundheit fürchten müssen", begründete er. Eigentlich dürfte der Verein gar nicht spielberechtigt sein.

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Den 2011 gegründeten Verein wollte der Fußballverband Sachsen Anhalt gar nicht erst zulassen—doch dieser klagte das Spielrecht vor dem Landgericht ein. Spieler und Trainer sind fast alles polizeibekannte Neonazis und vorbestrafte rechten Hooligans. „Das geht von Körperverletzungen, Beleidigungen bis zu volksverhetzenden Äußerungen - also das ganze Repertoire. Und mitunter tauchen die Personen auch bei anderen rechtsextremistischen Aktivitäten wie Demonstrationen oder Musikveranstaltungen auf", erklärte Hilmar Steffen vom Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt dem MDR. Star der Mannschaft und Spielführer ist Dennis Wesemann.

Wie Wesemann sind die meisten Spieler des FC Ostelbiens Mitglieder der einst verbotenen „Blue White Street Elite", die als rechte Schlägertruppe im Jerichower Land Diskotheken und Jugendclubs terrorisieren und zu Auswärtsspielen des FC Magdeburg fahren, um sich mit gegnerischen Fans zu prügeln. Im Jahr 2010 wurde das Verbot der B.W.S.E. vor dem Oberverwaltungsgericht endgültig aufgehoben. Dennis Wesemanns Strafakte reicht von gefährlicher Körperverletzung über Landfriedensbruch bis hin Volksverhetzung. Offiziell war Wesemann sogar schon für jeglichen Spielbetrieb gesperrt, nachdem er bei einem Hallenturnier einen Schiedsrichter bedroht hatte. Er lief trotzdem auf.

Dennis Wesemann hat die Liga scheinbar schon länger in seiner Hand. Nach Recherchen der "taz" soll es ein offenes Geheimnis sein, dass Schiedsrichter entweder mit Wesemann befreundet sind oder schlichtweg Angst vor ihm haben. Der Dornburger Kapitän macht um seine Gesinnung keinen Hehl und läuft mit der 18 auf dem Trikot auf. Die Zahlen stehen für den ersten und achten Buchstaben im Alphabet. A und H. Die Initialen von Adolf Hitler. Hauptberuflich verkauft Wesemann Kleidung mit gewaltverherrlichenden Symbolen und Motiven. Dass er ein polizeibekannter Neonazi ist, scheint niemanden zu stören. In seiner Gemeinde ist Wesemann ein angesehener Bürger. Vor einem Jahr wurde er in den Ortschaftsrat gewählt. Bei einem Dorffest Ende Juni sponsorte er einen Sielplatz und ließ sich dafür feiern.

Nach langem Zögern prüfen nun endlich Landessportbund und Landesfußballverband die Möglichkeit, den Verein auszuschließen. Nach Informationen der „MZ" hatte das Innenministerium zuvor Druck ausgeübt. Innenstaatssekretär Ulf Gundlach (CDU) informierte, dass „man in den Verbänden das Problem jetzt ernsthaft sieht". Es gebe „Anhaltspunkte und Indizien dafür", dass ein Ausschluss erfolgreich sein könnte. Gundlach warnte aber auch vor überzogenen Erwartungen: „Das Verfahren wird noch ein paar Monate dauern, zudem ist davon auszugehen, dass der Verein Rechtsmittel einlegt." Die ganze Liga und alle Schiedsrichter hoffen, dass ein Einspruch diesmal keinen Erfolg hat und der Spuk der Neonazis in der Kreisliga bald ein Ende hat.

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