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Gericht verdonnert Vater, WhatsApp von den Handys seiner Kinder zu entfernen

Dem kuriosen Urteil am Amtsgericht Bad Hersfeld ging eine Anzeige wegen sexueller Belästigung zuvor. Von den Sexting-Attacken seines alten Schulfreundes will der Vater nichts gewusst haben.

Das Amtsgericht Bad Hersfeld hat den Vater zweier Mädchen im Alter von 10 und 15 Jahren dazu verurteilt, WhatsApp und jegliche weitere Messaging-Apps von den Smartphones seiner Kinder zu deinstallieren. Außerdem muss er einmal im Monat mit seinen Töchtern „ein Gespräch über den aktuellen Stand der Nutzung der Smart-Geräte" führen und diese im Dreimonatsrhythmus „bezüglich dort installierter Apps sowie auf eventuell auftretende Ungereimtheiten und etwaige kindes-/jugendgefährdende Inhalte" kontrollieren, so der Gerichtsbeschluss vom 22. Juli 2016.

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Vorausgegangen war eine Anzeige wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung, die die ältere Tochter am 13. Mai 2016 gegen einen alten Schulfreund ihres Vaters erstattet hatte.

Das Gericht zwingt den Vater damit zu einer Entscheidung, vor der alle Eltern eines Tages stehen: Wann erlaube ich meinem Kind wie viel Smartphone-Konsum? Welche Apps sind okay und welche nicht? Dass dabei auch das unterschiedliche Maß an technischem Verständnis von Eltern und Kindern eine große Rolle spielen kann, zeigte sich auch im Falle der 15-Jährigen Bad Hersfelderin. Die Eltern des Mädchens waren anscheinend schon mit grundlegenden Funktionsweisen von Whatsapp überfordert, ihre Mutter nutzt die App selber überhaupt nicht. So heißt es im Gerichtsbeschluss: „Auch die Erörterungen über die Hintergründe und die Entstehung bzw. die Ursachen der Vorfälle, auch und vor allem in technischer Hinsicht, erbrachten von Elternseite kaum Substantielles und zeugten mehr von der Überforderung und Hilflosigkeit der Eltern." Es wäre eine deutliche Unkenntnis der technischen Abläufe seitens der Eltern klar zu erkennen. Außerdem hätten diese „kaum Wissen darüber, wie sie ihre Töchter in der digitalen Welt" schützen könnten.

Allerdings waren auch die beiden Mädchen bei der Benutzung des Messenger-Dienstes relativ unbedarft und hätten „keine Ahnung", wie der WhatsApp-Kontakt durch den Verursacher überhaupt zustande gekommen sei.

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Die 15-Jährige, welche bei ihrem Vater lebt, befand sich zum Zeitpunkt der Anzeige bei ihrer Mutter und derem neuen Lebensgefährten. Wenige Tage nach der Anzeige gab es dann beim Jugendamt ein „klärendes Gespräch" zwischen der Tochter und beiden Elternteilen, in dem der Vater laut Mitarbeitern des Jugendamts „glaubhaft" versichert hatte, zwar von der Kommunikation zwischen seiner Tocher und seinem Schulfreund gewusst habe, nicht aber über deren drastische Inhalte.

Die Mutter habe dagegen schon seit Juni 2015 von den Inhalten der Nachrichten gewusst und ihrer Tochter lediglich empfohlen, den Freund des Vaters auf WhatsApp zu blockieren oder zu löschen, was ihr aber laut Aussage der Mutter der Vater des Mädchens untersagt habe. Als sie sich im Herbst 2015 aber doch dazu durchringen konnte, den Kontakt zu löschen, hätten die Belästigungen vorübergehend aufgehört, wären aber Anfang 2016 fortgesetzt worden.

Die 15-Jährige, die „sich offensichtlich sehr schämt" und nicht über die Inhalte der WhatsApp-Konversationen sprechen möchte, hatte sich dann im April 2016 zunächst dem Lebensgefährten ihrer Mutter anvertraut, der daraufhin die Klassenlehrerin des Mädchens informiert hatte. Wie die Lehrerin vor Gericht erklärte, habe ihr das Mädchen von den „erheblich und langandauernden" sexuellen Belästigungen durch den Freund ihres Vaters berichtet, der außerdem mehrmals Fotos von beiden Mädchen gemacht habe, als diese mit ihrem Vater bei ihm zu Besuch gewesen seien.

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Auskunft über die konkreten Inhalte der WhatsApp-Nachrichten, die der 1977 geborene Schulfreund des Vaters an dessen 15-jährige Tochter geschickt hatte, gab dann vor Gericht schließlich die 10-jährige Schwester des Mädchens, welches die Inhalte auf dem entsprechenden Smartphone selbst einsehen konnte. „Dieser Freund des Vaters habe dort unter anderem danach gefragt, wie die Schamhaare und die Geschlechtsteile des Mädchens aussähen bzw. wie groß „die Sachen" seien. Außerdem habe er auch Nacktfotos von S. haben wollen", heißt es im Beschluss.

Das Gericht befand, dass das 15-jährige Mädchen noch immer erheblich unter der insgesamt 12 Monate andauernden Belästigung leidet und in ihrem seelischen Wohl stark beeinträchtigt ist. Auch ihre kleine Schwester sei durch das Mitlesen der Nachrichten und die Information über die Vorfälle sehr belastet.

Beide Eltern gaben den klaren Wunsch an, solche Vorfälle künftig unbedingt vermeiden und ihre Kinder physisch und psychisch schützen zu wollen. Der Kindesvater erklärte Bereitschaft, an einer „Hilfemaßnahme", wie die Angebote zur Erziehungsunterstützung beim Jugendamt heißen, teilzunehmen. Er verpflichtete sich außerdem, alle drei Monate die Smartphones seiner Töchter auf das Vorhandensein von Messenger-Apps zu überprüfen.

Die gerichtlichen Auflagen, die der Vater zu erfüllen hat, gelten bei seiner älteren Tochter bis einen Tag vor ihrem 18. Geburtstag im August 2018, bei dem jüngeren Mädchen bis einen Tag vor ihrem 16. Geburtstag im Jahr 2021.

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Eine neue EU-Regelung, die voraussichtlich 2018 in Kraft treten

soll

, setzt das Mindestalter zur Nutzung von WhatsApp auf 16 Jahre herauf. Auch das Amtsgericht Bad Hersfeld hatte in seinem Beschluss grundsätzliche rechtliche Bedenken „hinsichtlich der Nutzung von WhatsApp" durch Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren erklärt. Auch die aktuellen

Nutzungsbedingungen

von WhatsApp sehen keine Nutzung von der App durch Nutzer unter 16 Jahren vor.