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Die längste Wahl der Welt

Wie es nach der Aufhebung der Bundespräsidentenwahl jetzt weitergeht

Was kostet eine Wahlwiederholung? Wann findet sie statt? Und was ist, wenn einer der beiden Kandidaten vorher stirbt?

Foto: Achim Bieniek / VfGH

Jetzt ist es offiziell. Wie der Verfassungsgerichtshof am 1. Juli in seiner vorgezogenen Entscheidung verkündet hat, muss die Stichwahl zur Bundespräsidentenwahl in ganz Österreich wiederholt werden. "Wahlen sind das Fundament unserer Demokratie", sagte der Präsident des Verfassungsgerichtshofs Gerhart Holzinger, "dieses Urteil macht niemanden zum Verlierer und niemanden zum Sieger. Dieses Urteil dient nur einem Ziel, nämlich das Vertrauen in den Rechtsstaat zu stärken."

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Was wir daran alles gut finden und worauf wir uns an der Wahlwiederholung am meisten freuen, lest ihr hier (Spoiler: es ist ein sehr kurzer Artikel). Aber auch, wenn uns diese Groundhog Day-Situation genauso fertig macht wie euch, gibt es doch ein paar Eckdaten, die man dazu wissen sollte. Wir haben deshalb die dringendsten Fragen zusammengefasst und für euch zu beantworten versucht.

Worüber hat der Verfassungsgerichtshof überhaupt verhandelt?

Dieter Böhmdorfer, langjähriger Anwalt von Jörg Haider und ehemaliger Justizminister, vertritt den Anfechtungswerber Heinz-Christian Strache. Die beiden haben dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) einen Schriftsatz vorgelegt. Einiges davon war umstritten (zum Beispiel reklamiert Strache etwas, das er selbst tat), anderes wiederum war wirklich berechtigt. Die Details zu den Vorwürfen sind hier gut zusammengefasst. Im Prinzip hatte der VfGH aber zu entscheiden, ob das Wahlverfahren rechtswidrig war oder nicht. Dafür lud er 90 Zeugen aus verschiedenen Bezirken zu sich—besonders umstritten waren dabei die Briefwahlstimmen.

Hätte das Ganze nicht verhindert werden können?

Hätte es. Bei der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs geht es nicht nur um die Frage, ob der Wahlverlauf rechtswidrig war, sondern auch, ob das einen Einfluss auf das Ergebnis hatte. Der renommierte Rechtsanwalt Alfred J. Noll argumentiert dazu im Standard: "Hatten die zahlreichen Gesetzverstöße Einfluss auf das Wahlergebnis oder hatten sie es nicht? Wenn der FPÖ der Nachweis gelingt, dass die Auszählung falsch war, dann werden wir wieder wählen. Wenn ihr dieser Nachweis nicht gelingt, dann wollen wir zu Hause bleiben dürfen."

Auch NZZ.at-Kollege Georg Renner hatte eine interessante These: Die FPÖ hat ihren Punkt gemacht und die Schwächen des Systems aufgedeckt. Auf die Betroffenen warten wohl Strafverfahren. Aber wenn es der FPÖ, wie Strache behauptet, nicht um den Sieg, sondern bloß um ein korrektes demokratisches Verfahren geht, hätte er die Anfechtung noch vor der Entscheidung zurückziehen sollen. Damit wäre der "Ordnungstreue Genüge getan, man würde den Wahlsieger fairerweise anerkennen und der Polarisierung der Gesellschaft wäre ein Stück Boden entzogen. Es wäre die richtige Entscheidung im Sinne einer staatspolitischen Verantwortung", schrieb Renner.

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Wer wird am 8. Juli angelobt?

Heinz Fischer wird um 10:00 Uhr als Bundespräsident verabschiedet. Um 11:00 Uhr wäre der neue Präsident vom derzeitigen Bundesratspräsidenten Mario Lindner (SPÖ) angelobt worden. Diese Zeremonie fällt wohl aus.

Wer ist in der Zwischenzeit "Bundespräsident"?

Niemand. Die Verfassung sieht für eine Verhinderung des Bundespräsidenten grundsätzlich vor, dass der Bundeskanzler seine Aufgaben übernimmt—es sei denn, der Präsident ist an der "ferneren Ausübung" verhindert. Dann übernehmen die Präsidenten des Nationalrats—rechtlich sind sie jedoch nicht "Bundespräsident", sondern bloß eine Vertretung, bis ein neuer Präsident gewählt ist. Aktuell ist Doris Bures (SPÖ) erste NR-Präsidentin, Karlheinz Kopf (ÖVP) zweiter und—ja—Norbert Hofer (FPÖ) dritter Nationalratspräsident. Diese drei fällen ihre Entscheidungen mit Stimmenmehrheit, der BP-Kandidat Hofer kann als interimistischer Präsident also keinen Alleingang veranstalten.

Lest hier alle unsere Texte zur Bundespräsidentenwahl 2016.

Wann findet die Wahlwiederholung statt?

Den Termin legt die Bundeswahlbehörde fest. Dabei sind in diesem Fall keine gesetzlichen Fristen zu beachten, wohl aber organisatorische Aspekte. Alleine für die Anfertigung der Drucksorten der Stimmzettel brauche man 11 Wochen, erklärt der Sprecher des Innenministeriums, Karl-Heinz Grundböck. Wahrscheinlich sei ein Termin Ende September oder Anfang Oktober.

Was ist, wenn einer der beiden Kandidaten das Handtuch wirft?

Auch, wenn das lustig klingt: Das spielt keine Rolle. Wenn der VfGH eine Wahl aufhebt, dann ist gesetzlich vorgesehen, sie zu wiederholen. Persönliche Befindlichkeiten der Kandidaten spielen dabei keine Rolle. Sagt ein Kandidat in der Öffentlichkeit jedoch, kein Interesse mehr auf das Amt zu haben, wird er wohl nicht von der Mehrheit der Österreicher gewählt werden. Obwohl: Wissen kann man das in diesem Land nicht.

Was ist, wenn einer der beiden Kandidaten vor der Wahlwiederholung stirbt?

In diesem Fall wird—keine Sorge—nicht komplett neu mit zwei Durchgängen gewählt. Der Zustellungsbevollmächtigte des Kandidaten hat laut Grundböck (BMI) das Recht, einen neuen Kandidaten zur Wahl zu ernennen. Bei Norbert Hofer ist dies Heinz-Christian Strache, bei Alexander Van der Bellen der Direktor des Grünen Parlamentsklub Robert Luschnik.

Was kostet eine Wahlwiederholung?

Das BMI rechnet mit Kosten von 5,2 Millionen Euro für den Bund, plus weitere 7,8 Millionen für die Gemeinden. Um die Funktionstüchtigkeit einer Demokratie aufrecht zu erhalten, ist das aber ein mehr als zu vernachlässigender Betrag.

Müssen wir uns auf einen harten, dritten BP-Wahlkampf einstellen?

Wohl kaum. Der Wahlkampf sowohl im ersten als auch im zweiten Durchgang war sehr intensiv. Die Wähler wissen nahezu alles über die Kandidaten (es ist eine Persönlichkeitswahl) und deren Positionen. Darüber hinaus fehlt das Geld. Ein ungeplanter Wahlkampf ist bei den Parteien nicht budgetiert. Möglich wäre eine Finanzierung über Crowdfunding. Fraglich ist jedoch, wer freiwillig spendet, um noch mehr Wahlkampf zu erleben.

Wem nutzt eine Neuwahl?

Darüber kann nur gemutmaßt werden. Stefan Petzner, ehemaliger Pressesprecher von Jörg Haider, meint in News, dass die Neuwahl klar zugunsten Van der Bellen ausgehen wird: "Noch einmal das ganze Theater würde viele nerven, sie würden die Blauen dafür abstrafen." Die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle widersprecht dem: Je unzufriedener die Menschen sind, umso eher würden sie FPÖ wählen.

Christoph auf Twitter: @Schattleitner