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Musik

Kontroversenhalligalli mit Death in June

Wir müssen jetzt bestimmt nicht über die Political Correctness auf dem letzten Death in June Konzert diskutieren, aber euch zumindest einen Eindruck vermitteln wie es so war.

Da ihr ja vermutlich eure Hausaufgaben gemacht habt – wir also nicht mehr bei den Death-In-June-Basics einsteigen müssen bzw. Neofolk, Douglas Pearce, 30 Jahre Bandjubiläum und den ganzen politisch-ästhetischen Kontrovers-Hickhack nicht mehr grossartig erklären müssen – können wir uns eigentlich direkt auf die Beschreibung des letzten Wochenendes stürzen. Gründe für schlechte Laune gab’s im Vorfeld ja auch so schon ausreichend. Je näher so ein Konzerttermin rückt, desto schräger findet man sich selbst in diesem ganzen Kontextgeschwurbel aus ach so subversiver Organisation, dank zu erwartendem Lokalpolitikstress, angekündigten Gegendemonstrationen und Indymedia-Mobilmachung – andererseits möchte man wiederum ab einem gewissen geistigen Alter auch nicht mehr unbedingt in einer Warteschlange neben geschmacklos-schlechtangezogen Mamasöhnchen mit Seitenscheitel statt Freundin stehen. Und schon gar nicht später bei einem Bier in einer ostdeutschen Kuhdorf-Mehrzweckhalle, wo sonst „Schlagerparties mit DJ Ossi“ stattfinden und die Security „Sicherheit“ in Frakturschrift auf dem Sweatshirt trägt. Kognitiver Fluchtreflex. Dazu noch die Entwicklung von Death In June respektive Douglas Pearce: Seit ein paar Jahren musikalisch leider irgendwo zwischen tragisch und belanglos, sich selbst noch nicht einmal nur zitierend, sondern eher lauwarm aufgießend. Das immer gleiche Gejammer über bösen Imperialismus und die Ihro Exzellenz nunmehr betrügenden aber ehemals mit ihr zusammenarbeitenden Musikerkollegen (alles Nutten außer John Murphy, oder so). Dazu einen Schuss Naturesoterik und lustiges (aber wohl ernst gemeintes) verqueres Weltbild des verbitterten älteren Herrn, der auf Militäroptik steht und sich selbst bzw. Death In June nicht nur ein kleines bisschen zu wichtig nimmt. Kunststück, bei einer Fangemeinde, die den Boden küssen würde, so er denn mit einer Notdurft Douglas' geweiht ist und auf jede einzelne E-Mail ihres Chefs in der bandzugewandten Mailinglisten-FanGroup so reagiert, als sei das jetzt the second coming. Andererseits: die Erwartung niedrig bis negativ, der Kontext schwer eigenartig – auch eine Form von kognitiver Dissonanz, die dann dazu führt, dass das Konzert gut werden könnte. Der traurige alte Mann entpuppte sich mitunter als zorniger älterer Kerl, die Setlist entpuppte sich als „greatest hits“-Auswahl, der sonstige Rahmen als erwartungsgemäß distinktionsfördernd. Den ganzen Kontextquatsch erstmal beiseite geschoben, gab’s nur noch wenig, was wirklich Mist war. Die bemüht-witzige „Rose Clouds Of German Bollocks“-Textzeile in vorauseilendem p.c.-Gehorsam vielleicht oder den einen oder anderen lieblos runter gerockten „Kameradschaft“-Klassiker. Aber sonst? Immer mal wieder kurze Ahnungen, warum dieser Typ auf der Bühne mal den Neofolk miterfunden hat, warum man für diesen Typ auf der Bühne eben doch mal ein paar hundert Kilometer in ein entlegenes Kaff fahren kann. Warum das beeindruckt, mit welcher Entschlossenheit der Typ auf der Bühne steht und eben nach 30 Jahren immer noch „sein Ding“ macht, auch wenn sein Ding nicht mehr so ganz 2011 ist. Und auch warum es eine angenehme Form von Lässigkeit ist, wenn jener Typ auf der Bühne dann C’Est Un Rêve spielt, und Heaven Street und She Said Destroy. Zwar gibt’s sowieso keinen erheblichen Neofolk-Nachwuchs mehr, aber gäbe es einen, könnte er sich wenigstens das mal gern bei Douglas abgucken: die Leckmich-Einstellung. Auf der nächtlichen Heimfahrt natürlich keine riesige musikalische Weltsichtveränderung festgestellt, aber ein Gefühl der immerhin nicht verschwendeten Zeit. Und das ist echt mehr als bei so mancher Nachwuchs-IndieHipster-Kapelle.