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Biophysiker lassen menschliches Gel-Gehirn im Labor wachsen

Falls ihr euch schon mal gefragt hat, wie all die Faltungen und Verwinkelungen des Gehirns entstehen.
Bild: Tuomas Tallinen, Jun Young Chung und L. Mahadevan.

Falls ihr euch schon mal gefragt hat, woher diese ganzen Verwinkelungen und Verschwurbelungen unseres Gehirns kommen: Sie entstehen durch nahezu dramatische, vulkanartige Prozesse, während wir als Föten im Uterus wachsen. In den ersten 14 bis 26 Wochen der Schwangerschaft entstehen die Hirnzellen auf explosionsartige Weise in der Großhirnrinde, wobei die äußere Schicht des Organs anschwillt und anschließend kollabiert.

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Diese spektakuläre Dramaturgie haben Wissenschaftler nun mit Hilfe eines selbst erschaffenen Gel-Gehirns nachgestellt. Der Grund für die außergewöhnliche Struktur unseres Denkorgans ist einfach beantwortet: Die Verwinkelungen und Faltungen sind schlicht eine notwendige Antwort auf den begrenzten Platz innerhalb der Schädeldecke, die es erlaubt, große Volumina von Nervenzellen zu verstauen. Wie sich jedoch diese außergewöhnlichen Verformungen des Gehirns entwickeln, stellt die Wissenschaft noch immer vor einige Rätsel.

Aus diesem Grund sammelte ein Team von Harvard-Wissenschaftlern aus so unterschiedlichen Disziplinen wie Physik und Neurowissenschaft MRT-Bilder fötaler Hirnscans und erstellte daraus eine möglichst reale Nachbildung des menschlichen Gehirns in der Frühentwicklung. Die äußere Schicht des Organs versahen sie mit einem dehnbaren Elastomer-Gel, um die Rindenschicht zu simulieren und setzten die Nachbildung in einen mit Lösungsmittel gefüllten Behälter.

Das Gel-Hirn saugte die Flüssigkeit auf und die äußere Schicht blähte sich wesentlich schneller auf als die innere. Bereits innerhalb kürzester Zeit ergaben sich die typischen Schwellungen und Wölbungen, die denen eines realen Gehirns in erstaunlicher Weise glichen. Die Studie dazu veröffentlichten die Wissenschaftler nun im Fachmagazin Nature Physics.

„Als ich das Modell in das Lösungsmittel legte wusste ich, dass es sich irgendwie falten würde, ich hätte aber nie solche Muster wie im menschlichen Hirn erwartet", erklärte Jun Young Chung, Co-Autor der Studie bei Scientific American.

Das Gel-Gehirn verhielt sich auch bei weitern Versuchen exakt so wie sein menschliches Ebenbild. Die größeren Strukturen blieben nahezu stabil, während sich die kleineren immer individueller ausgestalteten. So hat auch jeder Mensch sein ganz persönliches Muster kleiner Hirnwindungen.