Warum bloß... Eintracht Frankfurt?
Alle Fotos: Luiza Skrzypczynska

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Warum bloß... Eintracht Frankfurt?

Die Eintracht dümpelt häufig zwar im Niemandsland der Bundesliga herum, trotzdem geht es hinter den Kulissen und bei den Fans immer heiß her. Der Hesse und seine Eintracht—das ist innige Liebe. Und viel Verzweiflung.

Eintracht Frankfurt und seine Fans, das ist eine Liebe, die gerade in der jüngsten Vergangenheit auf einige harte Proben gestellt wurde. Berauschende Hochs und erschütternde Tiefs wechselten sich so schnell ab wie die Trainer, von denen keiner gekommen war, um zu bleiben. Frankfurt, das war mal Waldstadion, das war Europapokalsieg 1980, das waren Jay Jay Okocha und Anthony Yeboah. Die Eintracht heute, das ist Commerzbank-Arena, Abstieg 2011, aktuell Bundesliga-Niemandsland.

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Frankfurt, das ist auch eine Stadt, in der Banker neben Fixern leben, und in der die Ansprüche, nicht nur im Fußball, immer ein wenig höher zu sein scheinen, als es die Wirklichkeit zulässt. Aber auch das ist Frankfurt, nämlich Fußball-Fans, die ihren Verein immer bedingungslos unterstützen und im wahrsten Sinne des Wortes eine unerschütterliche Eintracht bilden. Wo sich zehntausend Mann alle unisono in Orange kleiden, um zu einem Auswärtsspiel in der Euroligue zu pilgern, einfach, weil man das eben so macht bei einer Eintracht. Wo Kinder noch als Kinder eines Vereins heranwachsen, eines Vereins, der sie tatsächlich alle vereint, nicht nur die gebürtigen Frankfurter und Hessen, sondern Fans in ganz Deutschland.

Wer ist eigentlich Borussia-Mönchengladbach-Fan?

Doch wer genau sind eigentlich diese Fans, die geduldig eine weitere mausgraue Saison lang ihr Team abgefeiert haben, und die bereits wieder in Richtung Europa schielen, niemals aber Richtung Abstieg? Begegnungen am Rande des Frankfurter Auswärtsspiels in Berlin.

Philipp

Warum ist Frankfurt der Verein, dem dein Herz gehört?
Philipp: Frankfurt, Bankfurt, es ist einfach eine sehr aggressive Stadt. Arm und reich, Banken und Heroin, Schwarz und Weiß—all diese Kontraste verbindet die Eintracht. Im Stadion sind wir alle Brüder.

Kannst du erklären, wie das gelingt?
Wir sind keine Fußball-Fans, wir sind Frankfurt-Fans. In erster Linie sind wir hier alles Lokalpatrioten.

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Aber wenn das Ergebnis nicht stimmt, sind trotzdem alle sauer…
Nein, ich bin zufrieden, in der Summe hat diese Saison sogar meine Erwartungen übertroffen. Wir sind hier Realisten, bei uns stehen die Erwartungen und tatsächlichen Ergebnisse noch im Einklang miteinander.

Was könnte der Verein denn besser machen?
Wir dürfen uns nicht mehr so anhängig von Einzelspielern machen. Aber ich habe das Gefühl, jetzt ist endlich Ruhe da, und das ist das Wichtigste für die nächsten Jahre.

Manuela

VICE Sports: Hinter dir und deinem Verein liegt eine eher mittelmäßige Saison—trotzdem zufrieden?
Manuela: Auf jeden Fall, die Leistung hat ja gestimmt, das Mittelfeld ist gut. Rückstände haben wir oft wieder aufgeholt—aber andererseits genauso oft bei Führungen verloren.

Zumindest froh, dass es dieses Jahr nicht um den Abstieg ging?
Definitiv, die letzten Jahre war es ja eher immer enger.

War früher alles besser?
Definitiv, ich bin ja Fan seit meinem 16.Lebensjahr. So vor 18, 19 Jahren, da hatten wir noch ein richtiges Top-Team und wären ja auch zwei Mal beinahe Meister geworden. Mit Yeboah und Stepanovic als Trainer, das war noch eine ganz andere Art zu spielen, da hat auch das Gesamtpaket noch gestimmt.

Du bist mit der Eintracht schon durch viele Höhen und Tiefen gegangen…
Klar, ein Hammer war natürlich die Teilnahme an der Europa League, aber das beste für mich ist die Fankultur an sich—unsere Fans sind die besten der Bundesliga. Die Spiele gegen Bayern waren auch immer wieder top. Insgesamt kann es ja nur wieder besser werden.

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Thomas (mit Kindern Lea, Tim und Denise v. l. n. r.)

Erinnerst du dich noch, seit wann du Eintracht-Fan bist?
Thomas: Ach, schon seit 40 Jahren. Ich wohne in Wiesbaden und habe dann halt das genommen, was in der Nähe lag. Außerdem hat der Jürgen Grabowski damals gleich bei mir nebenan gewohnt, und den fand ich natürlich toll.

Was macht Eintracht Frankfurt so besonders für dich?
Es ist einfach eine Mannschaft, die ganz Hessen vereint.

Was war denn dein persönliches Highlight, dass dir der Verein beschert hat?
1980, das UEFA-Cup-Endspiel gegen Mönchengladbach im Waldstadion. Da war ich gerade 16 Jahre alt, das war die beste Zeit meines Lebens. Danach ging es immer ja immer wieder auf und ab—also fußballerisch gesehen.

Dieses Jahr war ja eher wieder ein Ab…
Ja, aber wir haben uns gefreut, dass wir mit dem Abstieg zumindest nichts zu tun hatten. Wir backen mittlerweile kleinere Brötchen bei der Eintracht.

Hat der Abstieg 2011 hat das Team demütiger gemacht?
Auf jeden Fall—damals kamen wir alle ziemlich traurig vom entscheidenden Auswärtsspiel aus Hamburg wieder.

Ist mit Thomas Schaaf denn jetzt der Trainer da, der das Team wieder zu neuen Höhen führen kann?
Ich denke schon, der Schaaf ist einfach erfahren und ruhig.

Anke und Marc

Was ist für euch euer persönlicher Eintracht-Moment gewesen?
Anke: Damals, in der zweiten Liga, das 6:3 gegen Reutlingen, da haben wir in den letzten zehn Minuten noch drei Dinger gemacht. Damit war der Aufstieg plötzlich da, da hatte ja keiner mehr dran geglaubt.
Marc: Meine Frau hat damals sogar mich ins Stadion mitgenommen, seitdem fahre ich mit der Eintracht überall hin.

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Müssen aufregende Zeiten gewesen sein vor ein paar Jahren in der Europa-League…
Marc:Auf jeden Fall, besonders das Auswärtsspiel in Bordeaux, da waren wir mit 10.000 Mann am Start.

Kann der „neue" Trainer euch denn da jetzt wieder hinführen?
Marc:Also, da bin ich eher skeptisch, die Saison wäre jedenfalls definitiv mehr drin gewesen. Die Abwehr hat keine Stabilität, und man hatte oft nicht das Gefühl, dass das Team wirklich alles gegeben hat.

Ist denn die Stimmung bei der Eintracht trotzdem gut?
Anke: Auf jeden Fall, immer. Wir leben seit 15 Jahren in Frankfurt, und die Stadt an sich ist auch wunderschön. Dass es jetzt im Stadion so Logen gibt und das Commerzbank-Arena heißt, hat sich zumindest auf die Stimmung nicht ausgewirkt.

Könnte man bei der Eintracht trotzdem noch etwas besser machen?
Marc: Ich würde endlich mal einen verlässlichen Stürmer holen und mehr Stabilität in die Mannschaft bringen. Die vielen Gegentore nerven. Es muss ja nicht jedes Jahr sein, aber auf lange Sicht wäre es doch schön, wieder oben mitzuspielen.

Miriam und Konstantin

Seit wann seid ihr Beiden Eintracht-Fans?
Miriam: Also ich bin ja neutral und unterstütze eher die Ostvereine. Aber aus Liebe gehe ich schon mal mit ihm ins Stadion.
Konstantin: Ich bin schon seit der Kindheit der Eintracht treu, ich fand damals schon den Adler im Wappen immer so toll—also so etwa, seit ich sechs Jahre alt bin.

Wie lange währt denn eure persönliche Eintracht schon?
Konstantin: Wir sind seit 12 Jahren ein Paar.

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Und seitdem auch regelmäßig gemeinsam im Stadion?
Konstantin: Na früher war es schon mehr, heute vielleicht noch drei bis vier Mal pro Saison.
Miriam: Das macht ja schon Spaß, aber bei langweiligen Spielen ärgere ich mich dann immer, dass ich mitgegangen bin—und leider gab es davon in der Saison ja so einige…

Vielleicht schafft es das Team ja unter Thomas Schaaf, sich langfristig neu auszurichten, was meint ihr?
Konstantin: Ich weiß nicht, der ist so ein Eigenbrötler—für mich hat er diese Saison zum Beispiel zu viele falsche Aufstellungen und Auswechslungen gemacht. Und wo ist eigentlich Flum? Der hat doch früher prima gespielt.

Die Stimmung im Team soll ja laut Medienberichten angespannt sein…
Konstantin: Ja, der Anspruch ist eben immer ein ganz anderer als die Realität bei uns. Es soll ganz schön brodeln im Team. Ich glaube, der Schaaf hat da keinen Rückhalt.

Woran liegt das eurer Meinung nach?
Miriam: Naja, in der Stadt an sich fließt viel Geld, aber der Verein hat keine Kohle.
Konstantin: Außerdem waren diese Saison die Auswärtsspiele das große Manko.

Thomas und Martina

Was zeichnet einen Eintracht-Fan aus?
Thomas: Man muss abgehärtet sein. Wir erreichen ja nie was.
Martina: Der Zusammenhalt, der Äppelwoi (Apfelwein, d.R.), und unser Fanklub, der „EFC Sossenheim" – letztens haben wir 40-jähriges Bestehen gefeiert.

So lange seid ihr selbst auch schon dabei?
Martina: Klar, wir kommen aus Hessen, das ist unser Klub.
Thomas: Ich hatte schon als Kind Stutzen und Trainingshose von der Eintracht, und habe eine Dauerkarte, seit die zum ersten Mal verkauft wurden.

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Dann habt ihr ja sicher schon viele schöne Momente mit der Eintracht erlebt…
Thomas: Ich erinnere mich immer wieder gerne an die Euro-League-Partie gegen Tel Aviv. Die Menschen, die Stimmung, das war einfach unglaublich. Aber auch 1980 war ich schon dabei. In Rotterdam und Utrecht zum Beispiel.
Martina: Wir beiden haben uns vor zehn Jahren durch Fußball kennen gelernt und sind seitdem befreundet, das ist doch was.

Wie ist denn aktuell die Stimmung nach der Saison?
Thomas: Ich bin total unzufrieden, aber nehme es, wie es ist. Da hätte mehr drin sein können, aber das ist eben die Eintracht. Zumindest ist der Schaaf endlich der Richtige, der soll mal weitermachen.

Ist da vielleicht ein bisschen Sehnsucht nach vergangenen Zeiten zu spüren?
Thomas: Na klar, damals hatten wir Gaudino, Möller Okocha, Yeboah. Früher war alles besser.

Nico

Was war diese Saison besonders gut bzw. schlecht?
Nico: Die Hinrunde war super, aber in der Rückrunde haben wir zu viele Punkte einfach liegen lassen.

Sollte denn deiner Meinung nach jetzt etwas geändert werden?
Ja, zuerst mal soll unser Stadion wieder in Waldstadion umbenannt werden. Dann geht es darum, jetzt die Schlüsselspieler zu halten. Der Verein ist momentan einfach in einer großen Findungsphase denke ich.

Bist du trotzdem zufrieden mit deinem Team?
Ja klar, wir wirtschaften ja gut, wir müssten nur mal wieder was reißen. Was da helfen könnte, wäre so eine echter Stürmer, Typ Yeboah. Ein Knipser eben.

Wie hast du denn überhaupt zum Verein gefunden?
Ich bin da einfach reingewachsen, obwohl mein Vater Gladbach-Fan ist. Das war wohl auch so etwas wie Heimattreue, ich bin nämlich irgendwann zum Studium nach Darmstadt gezogen.

Und heute fährst du für dein Team sogar nach Berlin…
Naja, ich wohne mittlerweile hier, aber zwei bis drei mal im Jahr feuere ich das Team schon noch live an. Damals bei der Europa-League war ich bei jedem Heimspiel.