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Sex

Umgekrempelte Arschlöcher auf der feministischen Porno-Preisverleihung

Seit ihren bescheidenen Anfängen im Jahre 2006 hat sich die Award-Show immer weiter entwickelt und besteht inzwischen aus vier Tagen voller Filmvorführungen, offiziellen Tanz-Partys, offiziellen Sex-Partys und inoffiziellen Tanz-und-Sex-Partys.

Feministischer Porno ist kein Widerspruch mehr. Nein, es ist nicht nur ein Genre, sondern vielleicht sogar eine politische Bewegung. Es gibt eigene Preisverleihungen und eine Konferenz. Ich habe mich also im letzten Monat auf den Weg nach Toronto gemacht, um den 9. Feminist Porn Awards beizuwohnen. Für das Spektakel verantwortlich zeigt sich der Independent-Sexshop Good for Her. Seit ihren bescheidenen Anfängen im Jahre 2006 hat sich die Award-Show immer weiter entwickelt und besteht inzwischen aus vier Tagen voller Filmvorführungen, einer zweitägige Konferenz an der Universität von Toronto, offiziellen Tanz-Partys, offiziellen Sex-Partys und inoffiziellen Tanz-und-Sex-Partys. Letztes Jahr veröffentlichte die in New York ansässige Feminist Press sogar The Feminist Porn Book, eine Sammlung von Essays, die von Foreign-Press-Award-Gewinner Tristan Taormino und anderen Akademikern im Bereich der Sexual-Media-Studies editiert wurde. Ich nahm in diesem Jahr zum fünften Mal an diesem Event teil. Im ersten Jahr war ich noch eine neugierige Anfängerin, neu im Filmgeschäft und scharf darauf, mir ein internationales Netzwerk von Sex-Workern und Darstellern aufzubauen. In den beiden darauf folgenden Jahren gewann ich selber Awards, aber dieses Mal reiste ich nicht nur nach Toronto, um an der Konferenz teilzunehmen und mit ein Paar meiner Lieblingsschlampen zu feiern, sondern auch, weil ich der ganzen feministischen Porno-Community einmal richtig auf den Zahn fühlen wollte. Ist die Preisverleihung nichts weiter als eine Gelegenheit, sich selbst zu feiern oder leistet sie tatsächlich einen Beitrag dazu, dass die Welt den sexuellen Ausdruck einer entrechteten Gruppe mit anderen Augen sieht? Ich würde es bald herausfinden.

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An meinem ersten Abend sah ich mir „Public Provocative Porn“ an, eine Vorführung zehn kurzer Porno-Clips, gefolgt von einer Podiumsdiskussion. Während ich wie der Rest des Publikums Wein aus Plastikbechern trank, genoss ich den faszinierenden Anblick von Sebastian Keys’ Rosette in Louise Houstons Bed Party—auch Jungs können Feministen sein, besonders wenn sie ihr Arschloch nach außen stülpen—und war begeistert von Samuel Shanahoys Best Slumber Party Ever. (Die Links sind aus offensichtlichen Gründen NSFW.) Shanahoys Fünf-Minuten-Komödie erzählt die Geschichte von drei aufgedonnerten, muskulösen Lesben, die sich gegenseitig mit regenbogenfarbenen Lollis penetrieren und eine/n genderqueere/n Nerd dazu zwingen, „I love Sporty Spice!“ zu schreien. In einem weiteren Geniestreich, Zarah Stardusts The One on the Bottom, wird sie von einer Frau, die aussieht wie ein Penthouse-Girl, bis in den Gebärmutterhals gefistet. (Im Nachhinein denke ich, dass sie die Vorstellung statt „Public Provocative Porn“ eher „Eine Nacht voller Hände, die in allerlei Löcher gesteckt werden“ hätten nennen sollen.) Ich mochte diese Art von dick aufgetragenen, selbstironischen Hardcore-Filmen. Gerade weil Feministischer Porno ansonsten bei all der Konzentration auf feministische Ästhetik und politischen Anspruch oft vergisst, das zu sein, was er eigentlich sein sollte—Porno. Während ich mir all diese Filme ansah, fühlte ich mich eher, als würde ich eine Mitternachtsvorstellung im Kino zu besuchen, als auf den Times Square der 70er Jahre zurückversetzt—denn, so weit ich weiß, wurde im Publikum weder heftig masturbiert, noch Orales praktiziert. Die meiste Zeit lachten wir einfach oder warfen Popcorn durch die Gegend und versuchten, den Beweis zu finden, dass jemand Kondome über die Lollies gestülpt hatte, bevor sie in irgendwelche Vaginas gesteckt wurden.

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Die FPAs sind eine Gala, die Mitglieder einer bestimmten Gegenkultur versammelt, und dabei geht es nicht sonderlich spannend zu. Jedes Jahr lässt Good for Her einige Porno-Regisseure einfliegen, zeigt ihre Filme, setzt sie in die Jury—und niemand gibt dabei vor, nicht zu wissen, dass genau diese Leute Awards wie Hearthrob of the Year oder Best Boygasm gewinnen werden. Ebenso scheint es sich nicht um einen Interessenkonflikt zu handeln, wenn ein Film einen Preis gewinnt, der von einem der offiziellen Sponsoren vertrieben wird. (Bed Party, der den Preis für Best Boygasm erhielt, wird von Pink Label vertrieben, einem offiziellen Sponsor.)

In diesem Jahr schienen alle mit der Gala zufrieden gewesen zu sein. Die Moderatorinnen Lex Vaughn und Ryan G. Hinds sorgten mit Klasse und versauten Witzen dafür, dass die Award-Zeremonie kurzweilig über die Bühne ging, während Mahogany Storm und CoCo La Crème mit Burlesque- und Boylesque-Einlagen das Publikum glänzend unterhielten. Die Barkeeper versorgten uns mit Bier und Diät-Limo. Währenddessen sah ich so viele Plateausohlen und Latexcorsagen an mir vorbeispazieren, dass ich mir vorkam wie auf einer Porno-Kostüm-Party. Die wenigsten Gewinner legten bei ihrer Dankesrede eine falsche Bescheidenheit à la Jared Leto an den Tag. Trotzdem beeilten sie sich, sobald sie den Award in Form eines Butt-Plugs in den Händen hielten, nach wenigen Worten des Dankes wieder von der Bühne zu verschwinden, da eine strenge, mit einer Peitsche bewaffnete Butch-Lesbe am Bühnenrand nur darauf zu warten schien, dass sie die festgesetzte Zeit für ihre Reden überschritten. Als Madison Young allerdings die Peitsche knallen hörte, während sie sich für den Hottest Lesbian Vignette Award für ihren Film Women Reclaiming Sex on Film bedankte, rollte sie nur mit den Augen und sagte: „Oh bitte, du weißt doch, dass das mich erst richtig anturnt!“

Bei der Feminist Porn Conference am Samstag und Sonntag konnte ich schließlich meinen Glauben an die Möglichkeit von echtem politischen Aktivismus in Zusammenhang mit diesem Thema festigen. Die vom preisgekrönten Filmemacher Tristan Taormino ins Leben gerufenen Konferenz ermöglichte es, dass über das Genre des Feministischen Pornos ernsthaft und kritisch diskutiert werden konnte. Es ging nicht nur darum, sich selbst zu feiern, sondern auch darum, Fragen zu stellen und dazuzulernen. Die Leute erschienen bei der Konferenz in dezenteren Outfits als auf der Gala und klangen plötzlich auch weniger wie Cheerleader und mehr wie Technik-Freaks oder Theorie- und Politik-Nerds. Bei den Diskussionen ging es unter anderem um die finanzielle Nachhaltigkeit nicht-ausbeuterischer Pornos, das Stigma, das der Arbeit in der Pornoindustrie weiterhin anhaftet, sowie um die Einbindung spezieller Gruppen in die Community—besonders um die Eingliederung von Farbigen und Trans-Frauen. Dass während der Konferenz weitere Filme gezeigt wurden, sorgte für eine merkwürdig widersprüchliche Atmosphäre, als die Diskussion zwischen intelligenten, fast ungeschminkten Menschen über Ethik und Technologie von Orgasmusgestöhne untermalt wurde.

Am Ende der Konferenz war ich erstaunt darüber, dass der Feministische Porno als eine politische Bewegung genau soviel Zeit damit verbringt sich selbst zu definieren wie damit, die eigentlichen Inhalte zu produzieren. Doch wahrscheinlich ist dies auch notwendig, wenn man bedenkt, dass Pornografie im Allgemeinen immer noch als Ausbeutung betrachtet wird. Anders als die konventionellen AVN Awards bieten die FPAs und die dazugehörige Konferenz Menschen, die sonst marginalisiert werden, eine Möglichkeit, sich laut und stolz zu präsentieren. Und natürlich macht es Spaß, sich gegenseitig auf die Schultern zu klopfen und sich zu neuer Kreativität anzuspornen. Nachdem ich während einer Woche so viele künstlerisch hochwertige Erwachsenenfilme gesehen, talentierte Darsteller getroffen und eine Menge über pornographische Ethik gelernt hatte, kann ich sagen, dass nur die allerprüdesten unter uns noch abstreiten können, dass Porno uns gleichzeitig stark machen und anturnen kann. Die Bewegung des Feministischen Pornos scheint uns aufzeigen zu wollen, dass weder die Produktion noch der Konsum von Pornografie notwendigerweise erniedrigend sein muss. Das, was mir bei meinem fünften Besuch der Feminist Porn Awards in diesem Jahr besonders auffiel, war der kollektive Wunsch zu beweisen, dass Befreiung und Vulgarität Hand in Hand gehen können, oder Faust in Vagina, oder Vibrator in nach außen gekehrtem Arschloch, oder—naja, ihr wisst ja schon, was ich meine.