„Manchmal wäre ich einfach nur gerne wieder ein Kind"—Profisurfer Filipe Toledo im Interview
Foto: Alan van Gysen/Monster

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„Manchmal wäre ich einfach nur gerne wieder ein Kind"—Profisurfer Filipe Toledo im Interview

Wir haben mit dem brasilianischen Surfgenie Filipe Toledo gesprochen und uns erklären lassen, warum es nicht nur Vorteile hat, die Nummer 2 in der Surfwelt zu sein.

Der brasilianische Surfer Filipe Toledo (20) aus Ubatuba ist auf den ersten Blick keine besonders imposante Erscheinung. Mit seinen 1,70m hat Toledo mehr was von einer Elfe als einem Sportstar. Doch sobald er auf einem Surfbrett steht, sieht die Sache ganz anders aus. Sean Doherty vom Surfer-Magazin schrieb über Toledo, dass dieser schon „fertig auf die Welt gekommen ist", während ihn die Encyclopedia of Surfing als „elektrisierend" bezeichnet hat.

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Wenn eins feststeht, dann die Tatsache, dass Toledo nicht rein zufällig die aktuelle Nummer 2 der Welt ist: Als Sohn eines Profisurfers ist er ein lebender Beweis dafür, dass manch einem ein gewisses Talent einfach in die Wiege gelegt wird. Unsere spanischsprachigen Kollegen von VICE Sports haben mit Toledo ein Interview geführt, um herauszufinden, was dem brasilianischen Wunderkind so alles im Kopf herumschwirrt.

VICE Sports: Hallo Filipe! Wie und wann kamst du zum Surfen?
Filipe Toledo: Hallo! Also, mein Vater war Profisurfer und wurde dreimal brasilianischer Meister. Er war es auch, der mich in die Welt des Surfens eingeführt hat. Als ich gerade mal zehn Monate alt war, hat er mich auf ein Longboard gestellt und mich Richtung Meer geschoben. Als ich dann fünf oder sechs war, habe ich mit dem Surfen begonnen. Ich weiß noch, dass ich sechs war, als ich zum ersten Mal bei einem Turnier teilnahm. Ich habe mich total in diesen Sport verschossen. Und diese Leidenschaft hält bis heute an (lacht).

Auf seine Fingerknöchel hat sich Filipe Toledo die Worte „WILD" und „FREE" tätowieren lassen, zwei Konzepte, die einfach hervorragend zu ihm und seinem Leben passen, wie er findet. Foto: Alan van Gysen/Monster.

Manch einer vertritt die Meinung, dass Surfen—aufgrund der ganzen Sponsoren und Schauturniere—kaum noch einen richtigen Wettkampfcharakter hat. Was hältst du dagegen?

Surfen ist definitiv ein Wettkampfsport. Klar gibt es auch die „Free Surfer", die einfach nur um die Welt reisen und stets auf der Suche nach der besten Welle sind, doch selbst die konkurrieren darum, in Filmen oder Zeitschriften aufzutauchen. Auch unter den „Big-Wave-Surfern" gibt es einen großen Konkurrenzkampf, und dann gibt es natürlich noch Surfer wie mich, die in der World Surf League (WSL) antreten und um Punkte kämpfen. Der Leistungsdruck ist also brutal.

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Wie und wann trainierst du? Erzähl uns von deinem Training!

Es ist recht schwierig zu trainieren und in Form zu bleiben, wenn man das ganze Jahr über unterwegs ist. Sobald ich aber in meiner Heimat bin, versuche ich so viel es geht zu trainieren, besonders im Zeitraum zwischen den Wettkämpfen in Hawaii und den Monaten Januar und Februar. Surfen ist einfach immer in meinem Hinterkopf (lacht). Wenn ich in Kalifornien bin, fahre ich zum Trainieren zu einem Ort namens „La Fundación". Und wenn ich auf Reisen bin, nehme ich immer nützliche Dinge mit, um in Form zu bleiben, zum Beispiel eine Matte für Liegestützen oder einen Expander. Am Ende ist Surfen aber immer noch das beste Training. Wenn ich könnte, würde ich täglich auf dem Brett stehen.

Was war die beste Welle, die du bisher gesurft bist?
Ich mag den Surfspot Lower Trestles in Kalifornien. Aus meiner Sicht gibt es dort wirklich mit die brutalsten Wellen auf der ganzen Welt. Es ist zwar immer ziemlich voll da, doch seitdem ich nach Kalifornien ausgewandert bin, trainiere ich dort immer meine Airs und andere Tricks.

Was ist dein absoluter Lieblingsstrand und warum?
Der ist in meiner Heimatstadt Ubatuba. Er ist wunderschön und sehr abwechslungsreich. Mein Herz wird wohl immer für diesen Ort schlagen, weil ich dort das Surfen gelernt habe.

Welchen Tipp würdest du Anfängern geben?
Dass sie konzentriert arbeiten und an ihre Träume glauben. Für mich persönlich ist aber das Wichtigste, dass ich mich mit Gott verbunden fühle.

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Wo hattest du bisher dein schönstes Surferlebnis?
Ich weiß nicht, obwohl … ich würde sagen, in einem Ort in der Nähe von Sydney. Dort war ein wunderschöner Strand samt Kai und mit perfekten Wellen. Und beim Surfen haben wir gemerkt, dass fast direkt neben uns eine riesige Raffinerie war. Das hatte etwas echt Science-Fiction-Mäßiges.

Filipe Toledo schon wieder bei der Arbeit. Foto: Alan van Gysen/Monster.

Abgesehen vom Surfen: Wie hältst du dich körperlich und geistig noch fit?
Als Jugendlicher habe ich Jiu Jitsu gemacht, doch um wirklich gut darin zu werden, muss man viel trainieren und richtige Kämpfe absolvieren. Heute fahre ich vor allem viel Skateboard. Nicht zuletzt deswegen ist einer meiner Sponsoren auch eine australische Skateboardmarke. Ich habe sogar ein eigenes Modell, was ziemlich cool ist. Skateboardfahren ist wie Surfen, nur eben außerhalb des Wassers. Es macht mir riesigen Spaß.

Lebt man als Profisportler in einer anderen Welt oder bekommt man durchaus mit, was auf der Welt so passiert?
Ich glaube schon, dass sich die Welt für uns Profisurfer ganz schön verändert hat. Allein die Reaktion der Leute nach meinem Sieg in Rio war der pure Wahnsinn, ganz viele wollten mich anfassen und Fotos mit mir machen. Ich weiß noch ganz genau, wie ich mich irgendwann zu meinem Vater umgedreht habe und meinte: „Papa, das Ganze ist zwar ziemlich cool, aber am liebsten wär ich grad einfach nur wieder ein Kind, das am Strand spielen kann und keinerlei Verantwortung hat." Für mich hat sich dieses Jahr nach meinen Siegen in Rio, an der australischen Gold Coast und in Lowers so ziemlich alles verändert … Ich habe aber versucht, einen ruhigen Kopf zu bewahren und mit möglichst viel Demut weiterzuarbeiten, um mit beiden Füßen auf dem Boden zu bleiben.

Toledo ist zwar mittlerweile ein Superstar seines Sports, doch auch er denkt manchmal wehmütig an vergangene Tage zurück. Foto: Gysen/Monster.

Gehörst du einer sozialen oder politischen Vereinigung an? Und wenn ja, welcher?
Nein, einer großen Vereinigung oder so gehöre ich nicht an, ich arbeite aber mit verschiedenen kleineren Organisationen aus meiner Heimatstadt Ubatuba zusammen. Denen schicke ich regelmäßig Geld und Surfausrüstung. Ich erinnere mich noch an eine Gruppe von Kindern, die weder PCs noch Internet hatten, aber sich echt gerne Surfwettbewerbe anschauen wollten. Also habe ich ihnen kurzerhand einen PC gekauft und ihnen einen Internetanschluss legen lassen, damit sie kein Event mehr verpassen müssten. Wenn man mich um etwas bittet, versuche ich alles, was in meiner Macht steht, um dieser Person zu helfen.

Alle Achtung, Felipe, und vielen Dank für das Interview!