Stanic – Die Kolumne

Wie ich Männer umerziehen will und warum

Die Wiener Linien starten eine Social-Media-Kampagne gegen Menspreading, aber das reicht mir nicht.
Manspreading: Ein Buch über intersektionalen Feminismus
Foto: Pixabay | MummyAnja | Stocksnap || Collage: VICE

Feministin, Gastarbeitertochter und VICE-Kolumnistin: Alexandra Stanić schreibt wöchentlich darüber, wie sie Politik, Rassismus und Sexismus erlebt.

Da scheinen die Wiener Linien ja etwas richtig gemacht zu haben: Mit ihrer neuen Kampagne gegen Menspreading sorgen sie für viel Trubel. Dabei ist das Echo größer als der tatsächliche Einsatz: Der "kleine Schummelzettel", wie es auf den Social-Media-Kanälen der Wiener Linien heißt, wird nur auf sozialen Medien verbreitet – an Haltestellen und U-Bahn-Stationen wird er nicht hängen. Reicht das, um Bewusstsein bei Männern zu schaffen?

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Was wäre das für eine schöne, heile Welt, wenn ein "Schummelzettel" auf Twitter dazu führen würde, dass sich Männer mit der Frage auseinandersetzen, wem wie viel Platz im öffentlichen Raum zusteht. Das tun sie aber nicht, warum denn auch? Sie nehmen den Platz einfach ein – nicht zuletzt, indem sie ihre Beine so spreizen, dass man meinen könnte, ihre Hoden fallen in jeder anderen Sitzposition ab. Klar, ich kann mir schon gut vorstellen, dass es für manche mitunter unbequem ist, die Beine zu schließen. Aber in einer engen Mom-Jeans die Beine übereinander zu schlagen, ist auch nicht das beste Gefühl. Ich kriege es trotzdem hin, aus Rücksicht auf meine Mitmenschen. Warum sollte ich das nicht auch von Männern verlangen können?

Was es braucht, sind strengere Maßnahmen, um Bewusstsein zu schaffen. Wie wäre es zum Beispiel mit klar kommunizierten Konsequenzen? Wer beim ersten Mal Menspreading erwischt wird, erhält eine Verwarnung. Beim dritten Mal Menspreading müssen die Herrschaften mit den dicken Eiern das öffentliche Verkehrsmittel verlassen. Sollen sie halt zu Fuß gehen, vielleicht tut die frische Luft ihrem Genitalbereich gut. Ich setze mich gerne mit den Verantwortlichen zusammen, um die Idee zu Ende zu denken, aber das wäre mal eine Ansage, die wirklich Bewusstsein schaffen würde.

Klar, man kann natürlich argumentieren, dass die österreichische Verbotskultur nicht der progressivste Weg ist, um Probleme anzugehen. Aber wer Essen in der U-Bahn verbietet und damit ausblendet, dass es Menschen gibt, die unter derart prekären Bedingungen arbeiten, dass sie schlichtweg keine Zeit haben, in Ruhe anderswo zu essen – der kann auch verbieten, dass Personen, vor allem Männer, mehr Platz einnehmen, als ihnen zusteht. Mir ist der Geruch von Pizza lieber als ein Mann, dessen Oberschenkel an meinem klebt.

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Die Wahrheit ist doch: Wer wirklich Veränderung möchte, muss dahin, wo es wehtut – und damit meine ich keine eingequetschten Eier. Wir müssen radikal in unserem Denken und Handeln sein, wenn wir alte Verhaltensmuster aufbrechen wollen.

Gehen wir einen Schritt weiter, weg von den dicken Hoden in den Öffis: Wo werden Frauen besonders oft sexuell belästigt, außer ständig und überall? In Clubs. Wir wäre es also mit einem Bro-Test, der sicherstellt, dass Männer respektvoll mit Frauen umgehen? Da sind dann Fragen wie: "Was machst du, wenn du einer Frau einen Drink ausgibst, sie aber nicht weiter mit dir reden möchte?" Der Eintritt ist nur erlaubt, wenn 90 Prozent der Fragen richtig beantworten werden. Wer nur drei Viertel aller Fragen richtig beantwortet, der darf zwar in den Club, kriegt aber keinen Alkohol. Hoch lebe Österreichs Verbotskultur, oder?

Christian Berger, Sprecher des Frauenvolksbegehrens, verweist in einem Kurier-Interview auf eine Studie, wonach Buben schon in der Kindheit lernen, ihren Macht- und Dominanzanspruch auszuleben. Was wir brauchen, ist ein sensibilisierter Umgang mit geschlechterspezifischen Missständen und das schon von klein auf. Das ist kein Verbot, sondern eine Verpflichtung, der unser Bildungssystem derzeit nicht nachgeht. Dabei wäre gerade das wichtig. Ich gebe Lehrkräften keine Schuld an der fehlenden bzw. mangelnden Auseinandersetzung, dafür aber der hiesigen Politik, die keine Ressourcen dafür zur Verfügung stellt und sich stattdessen lieber zum x-ten Mal mit der Frage beschäftigt, ob ein Kopftuchverbot sinnvoll wäre.

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Man merkt, was auf politischer Ebene mehr zählt: Es scheint wichtiger, dem Rechtsruck in der Gesellschaft in die Hände zu spielen, statt sexistischen und rassistischen Verhaltensmustern ein für allemal den Kampf anzusagen. Alles für die Punschkrapfen-Joachims, die sich liebend gern darüber aufregen, wie sich Frauen kleiden, aber nicht hinterfragen, wie grenzüberschreitend sie sich im Alltag verhalten.

Und wie wäre es, wenn wir die Wehrpflicht endgültig abschaffen und stattdessen verpflichtende, feministische Seminare über mehrere Monate für junge Männer anbieten? Das 1x1 des Feminismus, damit sie lernen, was grenzüberschreitendes Verhalten eigentlich ist. Die Wehrpflicht bzw. der Zivi-Dienst gehört zu Österreich wie die Liste der "Einzelfälle" der FPÖ, aber das wäre doch ein Schritt in die richtige Richtung. Garantiert zwar nicht, dass alle zu Feministen werden, aber so würden wir zumindest da ansetzen, wo es notwendig ist: bei der Bildung.

Das klingt erstmal utopisch und schwer machbar, ich weiß. Aber es gibt in Österreich genug Expertinnen (generisches Femininum, Männer wie immer mitgemeint), die bestens beraten können. Und gerade ein intersektional-feministischer Diskurs sollte ganz oben auf der Agenda jedes Unternehmens und jeder Institution stehen.

Eine Awareness-Kampagne gegen Menspreading ist ein nettes Schmankerl. Aber ich bin mit meinem Lob sparsam, wenn es dabei nur um eine Social-Media-Anleitung geht, die weder im analogen Raum präsent ist, noch Konsequenzen zieht. Der Wiener-Linien-Schummelzettel generiert kurzfristig mediales Interesse, geht aber nicht tief genug, um sexistische Verhaltensmuster wie etwa Menspreading aufzubrechen. Aber das kann eine Werbekampagne auch gar nicht schaffen: Dafür müsste erstmal etwas auf politischer Ebene passieren.

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