FYI.

This story is over 5 years old.

News

​Wie man in drei einfachen Schritten einen Mob auf Facebook entfesselt

Tipp: Fakten sind dabei nicht so wichtig wie Emotionen.

Foto: Björn Kietzmann, Screenshot: Facebookseite von N24

Die zwei verlässlichsten Emotionen, um auf Facebook Aufmerksamkeit zu erregen, sind Neugier und Wut. Das weiß auch die Redaktion von N24. Weil die aber wohl heute Vormittag grade nichts da hatten, was neugierig machen könnte, haben sie sich eben für den anderen Weg entschieden: Die Leute so richtig zur Weißglut zu bringen.

Es ist ja jetzt nicht besonders schwierig, Leute im Internet wütend zu machen—oft reicht es schon, eine Frau zu sein. Aber wie die Redaktion von N24 sich an diesem schönen Freitagvormittag mal eben in Rekordzeit einen Mob geifernder Rassisten zusammengepeitscht hat, das war schon besonders lässig—und verdient es, hier gewürdigt zu werden.

Anzeige

Wenn ihr euch also auch sehnlichst mehr Reichweite wünscht und es euch dabei völlig egal ist, was da da eigentlich genau auf eurer Facebook-Seite los ist, solange nur viel los ist, dann seid ihr jetzt genau richtig: Hier kommt die Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie die Profis das machen.

Irgendjemanden finden, der irgendwas über Silvester in Köln gesagt hat

Klar, Silvester in Köln, das ist ein "no brainer", wie die Engländer sagen—versteht sich von selbst. Eigentlich reicht es ja schon, einfach nur "Silvester in Köln" zu rufen, und sofort steigt der Blutdruck bei jedem im Umkreis von 500 Metern sprungartig an. Aber das kann man als seriöses Nachrichtenmagazin natürlich nicht einfach machen, einen Post wo nur "SILVESTER IN KÖLN!!!" steht, und deshalb muss man halt irgendwas anderes dazu sagen.

Da kommt es natürlich sehr gelegen, wenn man eine dpa-Meldung reinbekommt, dass ein Gewaltforscher namens Jörg Baberowski auf einem Vortrag erzählt hat, dass "deutsche Männer" nicht mehr wüssten, "wie man mit Gewalt umgeht", und dass sich das auch in Köln gezeigt habe, weshalb sie dort "ihre Frauen" nicht gegen Übergriffe verteidigen konnten. Das passt, das passt auf jeden Fall.

2. Die Meldung eins zu eins übernehmen, ohne nachzufragen

Die Meldung der dpa findet sich im selben Wortlaut auch bei einigen anderen Portalen, das heißt, N24 hat daran so gut wie nichts geändert. Das ist an sich nicht ungewöhnlich und wird von fast allen Medienhäusern täglich mit allen möglichen Meldungen so gemacht, weil die dpa meistens auch ziemlich solide Arbeit leistet.

In diesem Fall ist das allerdings anders: So, wie diese Meldung formuliert ist, ist sie nämlich ziemlich unklar. Am Anfang klingt es durchgehend so, als ob Baberowski die "deutschen Männer" dafür kritisiere, dass sie sich nicht aktiv genug zur Wehr gesetzt hätten, um "ihre Frauen" zu schützen. Also wünschte sich der Forscher, dass die Deutschen da auf der Domplatte mal ordentlich zugelangt und die Ehre ihrer Frauen mit urdeutschen Maulschellen verteidigt hätten.

Anzeige

Erst etwas später wird dann noch erwähnt, dass der Forscher das mit "Gott sei Dank" kommentiert hatte—womit die Aussage plötzlich eine ganz andere wird. Jetzt klingt es auf einmal so, als freue sich Baberowski, dass man in Deutschland eben gelernt hat, nicht alle Probleme mit der Faust zu lösen, sondern stattdessen auf den Staat vertraut. Nach und nach wird dann auch klar, dass Baberowski nicht die Männer, sondern den Staat für sein Nichteingreifen kritisieren wollte.

Die Aussagen des Forschers sind in der Meldung jedenfalls so knapp zusammengefasst, dass einiger Raum für Missverständnisse offenbleibt. Wenn einen seine Meinung also wirklich interessiert hätte, hätte man den Typen ja durchaus mal anrufen und fragen können, wie er das genau gemeint hat. Oder man geht gleich zu Schritt 3 über:

3. Die Meldung mit einer maximal provokativen Beschriftung auf Facebook posten

Auf Facebook hat niemand Zeit für Doppeldeutigkeiten, und deshalb wird N24 jetzt richtig deutlich: "Sind die deutschen Männer zu zahm geworden? Ein Gewaltforscher sieht das so. Das habe sich auch in Köln gezeigt", heißt der Text zum Artikel. In Verbindung mit der Überschrift "Deutsche Männer wissen nicht mehr, wie man mit Gewalt umgeht" ergibt sich daraus eine klare Botschaft, in etwa:

Dieser Typ findet, dass ihr Luschen seid, weil ihr euch da in Köln nicht richtig gewehrt habt. Ist also praktisch eure Schuld. Wenn ihr nicht solche Luschen wäret und nicht solche Angst vor ein paar Ausländern hättet, dann wär das alles nicht passiert.

Anzeige

Das hat gesessen. Die Verbindung von "Silvester in Köln" und "Das ist alles nur passiert, weil Deutsche feige sind", das ist so ziemlich die perfekte Provokation. Das ist kein feines Spielen auf der Klaviatur der Emotionen—da ist jemand mit einem Bulldozer über das Klavier gefahren. Für den normalen Wutbürger, der sowieso schon nah an der Halsschlagader gebaut ist, muss das so ziemlich die Neutronenbombe sein, die größte Verarschung alle Zeiten, der Todesstoß, die ultimative Frechheit. Da kann man nicht ruhig bleiben, da muss man jetzt aber mal wirklich seine Meinung sagen! Und das tun sie dann auch.

Bingo

Seit heute Vormittag hat der Post bereits 430 Kommentare eingesammelt, und die Top-Kommentare haben bis zu 600 Likes pro Stück bekommen. Und was schreiben die Leute so? Nun ja, der beliebteste Kommentar ist zum Beispiel der hier:

Klingt ja noch ganz besonnen—bis man zu dem Teil kommt, wo er auf etwas verschwurbelte Art und Weise die Angreifer von Köln mit Primaten gleichsetzt. Das gefällt den anderen ganz außerordentlich, und damit ist der Ton dann auch gesetzt:

Das sollte reichen. Bei N24 freut man sich jetzt wahrscheinlich über die gelungene Provokation und das viele "Social Engagement", das dafür sorgt, dass man in irgendeiner Liste ein Stückchen nach oben rutscht. Natürlich nicht auftauchen wird in dieser Liste, dass dieses "Engagement" eigentlich aus einer Horde entfesselter und in ihrer Männlichkeit gekränkter Rassisten besteht, die sich gerade gegenseitig in Gewaltphantasien gegen die "Affen" reinsteigern.

Und das alles wegen der Aussage eines Forschers, der eigentlich den Staat dafür kritisieren wollte, in Köln nicht genug getan zu haben, um die öffentliche Sicherheit herzustellen.