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Popkultur

Die verrückte Welt der Porno-Kurzgeschichten auf xHamster

Zu Gast in einer Community, wo Storys über eine milfige Steffi Graf und einen Mann, der nach Belieben seinen Penis wachsen lassen kann, Hunderttausende Klicks bekommen.
XHamster
Maske: imago/Rolf Hayo | Hamster: Imago/Panthermedia | Regentropfen: Clipground | Bearbeitung: VICE

"Commander Su Si jagt eine Plasmafontäne nach der anderen aus den Bordkanonen. Mächtig zerrt sie den Steuerknüppel auf volle Kraft und darüber hinaus. Rote Alarmlichter flammen auf. Die Turbinen werden überlastet. 'Aua!!' schreit da wer. 'Was, zur Hölle machst du mit meinem Schwanz? Lass los, du reißt ihn mir noch aus!' Susi torkelt aus den Tiefen ihres Science-Fiction Traumes an die gleißende Oberfläche der Wirklichkeit." – Helios53, 'Ein heißer Juni 11 – Shopping'

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Wenn es eine Grundregel des menschlichen Zusammenlebens gibt, dann ist es wohl diese: Alles was existiert, wird versext. Jeder Lebensbereich hat, zumindest hypothetisch, das Potenzial, ein Porno zu werden.

Auf xHamster.com, einer der größten Pornoseiten der Welt und einer der meistbesuchten in Deutschland, gibt es natürlich jede Menge Threesomes, Blowjobs und Jerk-Off-Instructions – aber auf der deutschsprachigen Seite verbirgt sich ein besonderer Schatz: "Story" heißt er ganz lakonisch.

Nutzer der Seite posten dort anonym seit gut zehn Jahren erotische Kurzgeschichten, die die vollständige Schönheit der Amateurprosa offenbaren. Inklusive Alienschwänze, notgeilen Omas und übersinnlichen Gläserrücken-Sex-Sessions.

Kann man in dieser Community etwas über Deutsche und ihr Verhältnis zu Sex lernen?


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"Eines Tages half ich ihr dann beim Umzug und wir kamen auf das Thema Sex zu sprechen. Ich fragte sie dann, ob sie schon mal in ihren Arsch gefickt wurde. Sie bejahte dies. Mein Schwanz wuchs, in Gedanken steckte ich auch schon in ihrem Arsch." – cybersexman, 'Die geile Schwägerin'

Die beliebtesten Geschichten haben bis zu 300.000 Aufrufe. Es gibt Nutzerinnen und Nutzer, die Hunderte Storys geschrieben haben. Und sie alle kämpfen gegen eine doppelte Schwierigkeit: Denn erstens schreiben sie über Sex. Wahrscheinlich gibt es nichts in der Literatur, worüber sich schwieriger schreiben ließe.

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Nicht umsonst gibt es den "Bad Sex in Fiction Award", einen Negativpreis, den sogar berühmte Autoren wie Tom Wolfe, Norman Mailer oder der Musiker Morrissey gewonnen haben.

Und dann, zweitens, muss die Community von xHamster auch noch auf Deutsch schreiben: einer Sprache, der in Hinblick auf Sex jegliche Zwischentöne fehlen. Wo es nur "Lustgrotten" gibt – oder "Fotzen". Wo entweder "gefickt" wird oder man sich "in kosmischer Weltumarmung verliert". Total obszön oder totaler Kitsch.

"Die Drachentöterin war eine junge Frau von 21 Jahren. Sie war dafür bekannt, sich in Schlafzimmer von Frauen zu schleichen und es ihnen zu besorgen. Vielleicht hieß sie deshalb Drachentöterin, weil sie den Hausdrachen besiegte. Und sie bekam für jeden Orgasmus dreissig Euro." – katrinsatt, 'Die Drachentöterin'

Der User love6prince notiert im Kommentarbereich einer Geschichte: "Sexuell ist diese Geschichte wohl ein Männertraum, ein gefügiges Harem." Tatsächlich: Die Geschichten lesen sich fast durchgehend wie die hilflosen Fantasien eines 14-Jährigen, der gerade das Wichsen entdeckt hat, keinen klaren Gedanken mehr fassen kann und sein dauergeiles Gestammel ohne Filter niederschreibt.

Eigentlich eine fatale Lektion, die man aus dieser Community mitnimmt: Erwachsene Deutsche, die ihre Sexfantasien aufschreiben, sind auf demselben Fantasielevel steckengeblieben, das sie bei ihrem ersten Samenerguss hatten.

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Porno-Kurzgeschichten sind wie gute Trash-Filme: grottenschlecht, aber verdammt lustig.

Es gibt, abseits der Geschichten, die hunderttausendfach angeklickt werden, auch dunkle Ecken innerhalb dieser Community. Vor allem: Inzest, jede Menge Inzest. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass Sigmund Freud, der Mann, der Ende des 19. Jahrhunderts den Ödipus-Komplex in die Psychologie gebracht hat, auf Deutsch geschrieben hat – und sich ein ganzes Volk nicht von der Vorstellung lösen kann, Sex mit der eigenen Familie zu haben.

Es gibt Geschichten über Missbrauch oder darüber, wie Frauen versklavt werden. Man darf das nicht verharmlosen. Aber man muss es in Relation setzen. Diese Art von Kurzgeschichten bei xHamster sind literarische Fantasien. Widerliche Fantasien. Aber sie werden innerhalb der Community kaum gelesen – auch, weil es dort verboten ist, strafrechtlich Relevantes zu veröffentlichen.

Der Großteil der Geschichten ist harmlos. Vorwürfe, die man ihnen machen kann, sind eher ästhetische und qualitative: Die Geschichten sind einfach grottenschlecht. Aber genauso wie Trash-Filme grottenschlecht geschrieben oder gedreht sind, machen auch die meisten Geschichten der xHamster-Community vor allem: großen Spaß.

Zum Beispiel die Science-Fiction-Geschichte einer Raumpilotin, die von der Erde (wo Sex verboten wurde!) abhebt und das Universum erkundet, um sexuell aufgeklärte Völker zu besuchen.

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Es gibt Porno-Pingpong-geeignete Storytitel wie Die Erforschung des Universums anhand von Frau Milchstraß oder Gassi mit dem Pipi-Girl.

Oder die Geschichte über Ex-Tennisstar und Fantasie-Milf Steffi Graf, die zwei Redakteure einer Schülerzeitung verführt, damit sie einen schmeichelhaften Bericht über sie schreiben.

Und sehr versteckt gibt es auch echte Highlights. Kleine niedliche Kurzgeschichten, die einen echten Spannungsbogen haben. "NDR2012" schreibt etwa in Geheimnisse Kräfte über einen Mann, der ein "mysteriöses Medaillon" findet. Dank diesem kann er die Größe seines Penisses nach Belieben verändern.

"Wenn du doch nur noch einmal etwas wachsen würdest!, dachte ich fast amüsiert vor mir hin, und dann spaßeshalber als Befehl: 'Wachse!'. Plötzlich verspürte ich ein Kribbeln in der Schamgegend."

Natürlich übertreibt es der Mann. Er lässt sich einen unterarmdicken Schwanz wachsen und muss feststellen, dass er den Frauen, die er verführt, damit Schmerzen zufügt und keine Superorgasmen. Am Ende der Geschichte versöhnt er sich mit seinem durchschnittlichen Ausgangspenis. Ein echtes Happy End. Und ein sehr deutsches: Im Leben kriegst du nichts geschenkt. Alles, was du dir verdienst, ist harte Arbeit. Selbst eine Erektion.

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