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Vice Blog

Gönnung: Eine Liebeserklärung an das wahre Jugendwort des Jahres

Seit diesem Jahr gibt es ein Wort, das den kleinen Freuden, die das Leben erst lebenswert machen, den Wert gibt, den sie verdienen.

Seit einigen Tagen steht das österreichische Jugendwort des Jahres 2015 fest. Falls ihr es noch nicht mitbekommen habt und euch das Kopfschütteln bis jetzt erspart geblieben ist: Der neue Titelträger ist „zach". Das ist tragisch und an Lameness kaum zu überbieten—nicht weil „zach" ein beschissenes Wort ist, sondern viel eher, weil es genau so gut das Jugendwort des Jahres 2005 hätte sein können.

Auf Platz 2 landet „Rumoxidieren". Ein Begriff, den erstens kein Mensch wirklich verwendet, und der zweitens tatsächlich schon 1990 im FilmWerner Beinhart vorgekommen ist, und vermutlich auch damals nur einen halbherzigen Lacher wert war. Man könnte fast meinen, die Jugendsprache stagniert in unseren Breitengraden. Doch es gibt Hoffnung. Denn auf Platz 3 versteckt sich eine wahre Perle der Jugendsprache: die „Gönnung".

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Gönnung ist nicht nur ein Begriff, den junge Menschen tatsächlich verwenden. Es ist eine Philosophie. Es ist das heilbringende Wort, das unsere hektische Gesellschaft so dringend benötigt hat. Man kann nur hoffen, dass der Gönnungs-Way of Life die Welt, in der unsere Kinder einmal aufwachsen werden, ein Stück weit mit formen wird. Aber der Reihe nach.

„Gönn dir" sagen sich junge Menschen ja schon seit einigen Jahren. Falls ihr nicht wisst, wie man diese Phrase korrekt einsetzt: gutefrage.net hat wie immer erleuchtende Antworten (inklusive vieler kleiner süßer Smileys) parat:

Irgendwann im Laufe der letzten Jahre ist aber etwas Bemerkenswertes passiert: Ein genialer Mensch ist auf die Idee gekommen, das Verb „gönnen" im jugendlichen Alltagsgebrauch mit einem Suffix zu versehen und ein nahezu universell einsetzbares Nomen daraus zu kreieren.

Die „Gönnung" war geboren und schnell dabei, ihren Siegeszug in der deutschen Sprache anzutreten. Wann, wo und von wem das Wort zum allerersten Mal verwendet wurde, lässt sich heute leider nicht mehr eindeutig rekonstruieren. Die Legende besagt jedenfalls, dass es Moneyboy war—vermutlich in einem Trap House oder an einem Street Corner, irgendwo in der Hood von Rudolfscrime. Diese These lässt sich meiner Recherche nach aber nur schwer verifizieren. Ich habe keine journalistischen Mühen gescheut und den Hashtag „Gönnung" auf Twitter bis zum bitteren Ende (also: seinem Anfang) durchgescrollt. Das Ergebnis: Seit letztem Jahr kennt die Verwendung keine Genzen mehr, aber auch sehr viel früher wurde der Begriff schon vereinzelt genutzt. Nun darf ich euch voller Stolz die erste wirkliche Twitter-Gönnung aller Zeiten präsentieren:

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Badewannenaction ahoi! — Lari. (@fiebermaedchen)1. September 2011

An Moneyboy und seiner Glo Up Dinero Gang führt trotzdem kein Weg vorbei, wenn man den märchenhaften Aufstieg der Gönnung im Jahr 2015 verstehen will. Erst er hat das Wort unter anderem durch den Track „Beste Leben" zu dem gemacht, was es heute ist: einer massentauglichen Jugendbewegung.

Besonders gern verwendet der Boy den Begriff ja im Kontext des exzessiven Rauschmittelkonsums. Doch er weiß auch, dass Gönnung viel mehr ist. Ich möchte, dass ihr euch das folgende Video ganz genau anschaut. Gerne mehrmals hintereinander. Am Ende der Stunde wird es Fragen dazu geben.

Hinter diesen 12 Sekunden versteckt sich die tiefere Philosophie des Wortes Gönnung—quasi Gönnung in Reinform. Jeder weiß, dass es nicht sehr schicklich und auch nicht besonders gesund ist, puren Bratensaft zu trinken. Aber man kann die Lebensfreude, die Moneyboy in diesem Moment verspürt, förmlich greifen. Seid ehrlich: Wann habt ihr das letzte Mal einen Teller voller Bratensaft mit so viel Hingabe und Genuss leergetrunken, nur um dieses Geschmackserlebnis dann mit einem großen Schluck Bier abzurunden?

Lasst mich raten: Es ist vermutlich viel zu lange her. Wahrscheinlich, weil ihr gerade so unglaublich viel mit Uni, eurem Job oder Weihnachtseinkäufen um die Ohren habt, dass euch gar keine Zeit bleibt, solche vermeintlich banalen Momente noch wirklich zu genießen. Seht ihr, genau deswegen ist Gönnung das Wort, das diese stressverseuchte Welt gerade braucht.

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Mein persönliches — gegendiemasse Ⓜ️ (@gegendiemasse)13. Januar 2015

Niemandem gefällt dieser Tweet (zum Zeitpunkt der Veröffentlichung). Kein Wunder.

In gewisser Weise ist die Gönnung die kluge Weiterentwicklung des mittlerweile seit vier Jahren fest im Ironie-Vokabular des Volkes verankerten „Yolo". Der Unterschied: Yolo suggeriert dir, du musst das bisschen Zeit, das dir auf diesem Planten vergönnt ist (no pun intended), so exzessiv wie möglich nutzen—und zwar am besten noch heute. Du solltest auf keinen Fall daheim bleiben, sondern unbedingt aktiv sein und auf die Kacke hauen—was ja eigentlich auch wieder irgendwie mit Stress verbunden ist.

Die Gönnungs-Philosophie hingegen besagt: Scheiß auf die Erwartungshaltung. Tu zwischen all dem stressigen Zeug auch mal das, was du gerade wirklich am liebsten tun willst. Gönnungen sind die kleinen Freuden, die das Leben erst lebenswert machen: Eine fette Portion Eis.

Das Lieblingsvideo auf YouTube anschauen, obwohl man gerade wirklich Sinnvolleres zu tun hätte. Bratensaft vom Teller schlürfen. Ein Nickerchen auf der Couch machen, obwohl man am nächsten Tag Prüfung hat und unbedingt lernen sollte. Gönnung verbalisiert die gelegentliche Entschleunigung, die wir in Zeiten eines immer hektischer werdenden Alltags so dringend benötigen. Danke Moneyboy. Danke Gönnung.

Tori auf Twitter: @TorisNest