Alkohol macht nicht immer lustig
Screenshot via Rick and Morty

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Alkoholismus

Alkohol macht nicht immer lustig

Hahaha, der Bürgermeister leidet an einer der schlimmsten Suchterkrankungen, die es gibt. Lol – Häupls Vorliebe zum Wein ist ein beliebter Running Gag.

Das Rezept für einen altbackenen Witz ist einfach. Man nehme einen beliebigen Makel, weise indirekt darauf hin und schlage dann mit einem Hammer wieder und wieder an die selbe Stelle bis nur noch blutiger Brei bzw. Gatsch bzw. Schlamm übrig ist. Zum Beispiel: Bürgermeister Häupls angenommener pathologischer Alkoholkonsum (Makel) führt dazu, dass der Rathausplatz sehr sauber ist (Spannung steigt), weil er täglich mit einem Fetz'n drübergeht (indirekter Hinweis). Ba-dum, tss.

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Tosender Applaus, grölendes Gelächter. Hahaha, der Bürgermeister leidet an einer der schlimmsten Suchterkrankungen, die es gibt. Lol, wahrscheinlich stirbt er daran. Das funktioniert übrigens auch mit Ursula Stenzel: Die ist jetzt blau. Bruhaha.

Freilich, sowohl Stenzel als auch Häupl sind nicht für Dünnhäutigkeit bekannt. Im Gegenteil, die beiden teilen sogar gern aus. Ist klar, was ich meine? Ich könnte auch schreiben, dass sie gerne einschenken (statt austeilen), tu es aber nicht. Erstens muss ich nicht jede Sau durchs Dorf treiben, die mir über den Weg läuft und zweitens möchte ich lieber über die Politik, die politischen Äußerungen, die mediale Inszenierung, Entscheidungen und Fehler witzeln als über ein mutmaßliches Gesundheitsproblem, das die beiden mit 340.000 Österreicher_innen (manifest alkoholkrank) bzw. 735.000 Österreicher_innen (pathologischer Alkoholkonsum) teilen.

Die beiden Politiker_innen stehen im öffentlichen Interesse und sind sich als Medienprofis ihrer Wirkung und Wahrnehmung bewusst. Wer einen Witz darüber macht, dass der Wiener Bürgermeister Spritzwein bestellt, verwendet bestenfalls eine gute Vorlage. Im schlimmsten Fall wird der Narratriv eines Politikers übernommen. Das ist so, als ob berichtet würde, dass Van der Bellens Vater doch kein Nazi war, anstatt zu berichten, dass Stenzel lügt. In solche Fallen kann man tappen, muss man aber nicht, wenn man respektiert, dass Menschen Deutungshoheit über ihre ureigenen Angelegenheiten (Gesundheit, sexuelle Identität usw.) haben.

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Das heißt, Alkoholiker_innen dürfen Witze über ihren eigenen Alkoholmissbrauch machen, dürfen darauf anspielen, ja, überhaupt damit spielen. Wir nicht. In einer gerechten Welt wäre jeder Witz über eine Erkrankung ein Geständnis, selbst erkrankt zu sein. Andernfalls könne man ja unmöglich darüber spotten.

Ich möchte lieber über die Politik, die politischen Äußerungen, die mediale Inszenierung, Entscheidungen und Fehler witzeln als über ein mutmaßliches Gesundheitsproblem.

Die linksliberale Wiener Wochenzeitschrift Falter hat im satirischen Jahresrückblick "Best of Böse" in Anspielung auf die missglückten Bau(planungs)unternehnmungen der MA48 und der politisch verantwortlichen Stadträtin Ulli Sima (die Zentrale der MA48 sollte aussehen wie eine riesige Mülltonne) ein Bild von Wr. Gebäuden veröffentlicht.

Das Haus der Bestattung Wien sieht aus wie ein Sarg, das Finanz-Magistrat sieht aus wie ein Bankomat, das Frauen-Magistrat sind zwei nackte Brüste (Tutteln, geil! Wetten, dass die Idee von einem Mann kam?) und das Rathaus sieht aus wie eine Flasche Wein. Zum Brüllen, oder? Wenn der Bürgermeister säuft, dann werdens alle andern dort auch tun. Eine Logik, die durch ihre gnadenlose Schlichtheit besticht. Ein Witz, der durch seine gnadenlose Logik besticht!

Gnade und Witz sind allerdings zwei Paar Schuh! Wohin käme die politische Satire, wenn sie gnädig sein müsste? Auf den Hund, genau! Und ein solcher ist der Suff bekanntermaßen ("S' Lebn is a Hund!"). Ein guter Witz legt etwas offen: Widersprüche, Wunden oder die Weltanschauung des Erzählers oder der Erzählerin. Alkohol und Rausch sind viel zu ergiebig, um auf Witze zu verzichten. Aber es muss nicht immer die Pointe auf Kosten der Suchtkranken, der Bsuff, der Armutschkerl sein. Wer sich so von Tabus, Enthemmung und Wahrnehmungsunterschieden abzugrenzen versucht, ist nicht abgegrenzt.

Wo bleiben eigentlich die Witze, dass es bei einem verhältnismäßig hohen Alkoholgehalt im Rathaus bzw. Alkoholiker_innenanteil in der Stadtregierung (mutmaßlich 15,4%) nur so wenig ambulante Therapieplätze gibt? Lol, die brauchen "de Poliker olle söba". Na, jetzt hab ichs ihnen aber gezeigt!

Post Scriptum: Eine Liste mit Hilfseinrichtungen bei Alkoholmissbrauch gibts übrigens hier
Post Post Scriptum: Im Jahr 2012 war der Verbrauch von Alkohol pro Kopf im Burgenland dreimal so hoch wie in Vorarlberg. Liebe Burgis, wir müssen reden! 
Post Post Post Scriptum: Liebe Vorarlberger_innen, wir müssen auch reden!

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