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Liechtenstein lebt für Gott, Fürst und Vaterland

Wir waren am Fürstenfest in Liechtenstein und ließen uns von Fürst Hans-Adam II. belehren.
Alle Fotos von Kamil Biedermann

Wir kommen aus einem Paradies. Aus einem Land, in dem sich gerade mal 36'000 Leute in vollkommener Bergidylle durch das Leben schlagen. Und das wirklich erfolgreich: Liechtenstein ist eines der reichsten Länder der Welt.

Die Sorgen der Liechtensteiner drehen sich darum, ob die gehisste rot-blaue Landesflagge wirklich glatt gebügelt ist und ob auf dem eigenen Zweit-SUV kein Dreck-Fleckchen mehr ist als auf dem des Nachbarn.

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Sollte dennoch einmal alles schieflaufen, haben die Liechtensteiner trotzdem Glück. Denn sie haben einen, der auf sie aufpasst—einen Big Daddy. Der wohnt in seinem Schloss oberhalb des 5'200-Seelen-Kaffs Vaduz. Von dort schaut Hans-Adam II.—der reichste Monarch Europas—auf seine Untertanen.

Schaut, dass alles seine Ordnung hat. Denn er weiss, was richtig ist. Schliesslich gehören seiner Stiftung Milliardenkonzerne wie die Steuerskandal-Bank LGT und das Monsanto-Vorbild RiceTec sowie die Agrarstiftungen, mit den höchsten EU-Subventionen "für ein stabiles Einkommen für Landwirte".

Als nomineller Herrscher muss er nicht einmal Steuern bezahlen. Weil er so grosszügig und volksnah ist, fliegen ihm die Herzen zu. Er grüsst die verwunderten Spaziergänger in seinem Schlosswald schon mal barfuss und im Tanktop. Am Fürstenfest, dem offiziellen Staatsfeiertag, lädt er zu Sandwiches und Bier im Garten seiner Schloss-WG.

Die Möglichkeit auf Freibier liessen wir uns natürlich nicht entgehen und statteten dem wohl einzigen Staatsoberhaupt, das die Sprache seines Volkes nicht beherrscht, einen Besuch ab. Das Saufen mussten wir uns aber zuerst verdienen und eine Portion Staats-Trara über uns ergehen lassen. Der Einmarsch des Who is Who der liechtensteinischen Laien-Politik glich einem Trauermarsch.

Ein paar verloren wirkende Touristen, Schweigen, Regen—nur das aufgesetzte Cheshire Cat-Grinsen der Aussenministerin Aurelia Frick erinnerte daran, dass wir zum Feiern hier waren. Sie seien hier, weil sie nichts besser zu tun hätten, rechtfertigten italienische Touristen ihren Besuch in Vaduz.

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Andere nahmen die Sache ernster. Auf der durchnässten Schlosswiese warteten Monarchisten aller Couleur, die lokale Neonazi-Prominenz und die zukünftigen Regierungschefs eingedeckt mit Liechtenstein-Regenschirmen und -Fähnchen darauf, dass der Fürsten-Sohn Erbprinz Alois I. die Wahrheit sprach.

Die Wahrheit heisst Neoliberalismus. Weniger Staat, mehr Eigenverantwortung—darauf stehen die von und zu Liechtensteins. Rhetorisch hat sich der Fürsten-Youngster seit seiner Ansprache bei meiner Matura vor sieben Jahren kaum verbessert. Damals hatte ein Freund die Rede mit "Kann man den auch abwählen?!" kommentiert. (Nein, kann man nicht.) Heute klatschten alle brav mit.

Aber er kann nichts dafür, der Simba Liechtensteins. "König der Löwen"-like wurde er zum Thronfolger bestimmt. Wurde ihm eines Tages auf dem Schloss-Balkon gesagt: Sieh, mein Sohn, das alles wird eines Tages dir gehören.

Ein grosser Teil der Regenschirm-Horden hatte mit dem Geklatsche seine staatsbürgerliche Pflicht erfüllt und setzte sich Richtung Freibier ab. Sie verpassten nichts. Der Parlaments-Präsident Albert Frick lullte die Verbliebenen mit "Zusammen sind wir stark"-Phrasen ein und lobte den Fürsten für seine politische Weitsicht.

"Es mag zwar Zufall sein, dass der Beginn Ihrer Regierungszeit fast auf den Tag genau mit dem Fall der Berliner Mauer zusammenfiel", aber der Fürst habe ja alles kommen sehen und sei sowieso der Beste.

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In einer banal-treffenden Polit-Analyse bestätigte ein junger Monarchen-Fan die fürstliche Rolle im politischen Top of the Pops: Die jungen Liechtensteiner stünden hinter dem Fürsten; er würde schon alles richtig machen.

Dass das auch die älteren Liechtensteiner so sehen, zeigten sie 2012. Rund drei Viertel entschieden in einer Abstimmung, dass der Fürst ihre Volksentscheide mit einem Vetorecht kippen kann. Dass er gewillt ist, seine Vorstellungen von richtig und falsch durchzudrücken, bewies er ein Jahr zuvor.

Vor der Abstimmung zur Legalisierung von Abtreibungen, kündigte das Fürstenhaus an, das Gesetz zur Legalisierung nicht anzunehmen. Konsequenz: Die Stimmbeteiligung ging auf Tauchgang; Abtreibung blieb illegal—und bleibt es bis heute.

Den Touristen, die ihr Facebook-Profil nach dem Sturm auf die Bierstände mit einem Fürsten-Selfie adeln wollten, war das alles scheissegal. Sie zitterten als sie neben dem grossen Staatsoberhaupt standen, überreichten ihm Schnapsflaschen in Pistolenform und freuten sich über das eintägige Untertanen-Feeling.

Die meisten bemerkten nicht einmal, dass der lachende Monarch wohl schon leicht einen sitzen hatte—oder liess ihn nur die entgegengebrachte Liebe zu euphorischen Höhenflügen ansetzen?

Als ich mich endlich zu Ihrer Durchlaucht Hans-Adam II. durchgekämpft hatte, war die Euphorie verflogen. Mein Soziologie-Studium schien ihm mindestens so am Arsch vorbeizugehen wie mir selbst und als ich ihn wissen liess, dass ich über seinen grossen Tag schreibe, grübelte er wohl gerade über der Frage, ob er wie alle anderen die aufgestellten Toitois verwenden muss.

Erst als ich mich als Monarchiegegner outete wurde er feinhörig. Er zückte den väterlichen Zeigefinger und wies mich—wie es sich für einen Big Daddy gehört—zurecht. Ich zeigefingerte kurz zurück als er mich wissen liess, dass man mit so einer antimonarchistischen Einstellung der Hecht im liechtensteinischen Karpfenteich sei.

Ich fragte mich für einen Augenblick, ob die Liechtensteiner wirklich alle so fett und träge sind, dass sie einen brauchen, der sie zur Bewegung zwingt und liess das fürstliche Telefon-Date-Angebot ("Geben Sie mir einfach einen Funk!") so stehen. Ich ging zurück zum Freibier und den anderen 36000 verzogenen Kindern.