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diskriminierung

Dozentin forderte muslimische Studentin auf, ihr Kopftuch abzunehmen

Die Professorin soll gesagt haben, dass man "mit Mützen und Ähnlichem nicht gut lernen" könnte.
Foto: imago | Sven Simon

Übermotivierte Erstsemester denken oft, dass sie nach dem Auszug bei Mama und Papa an der Uni endlich tun und lassen können, was sie wollen. Dann besuchen sie ihre erste Vorlesung. Und dürfen weder Wasserflaschen auf den Tisch stellen, noch die 50-seitige Powerpoint-Präsentation des Dozenten abfotografieren – gleichzeitig allerdings auch nicht den Laptop benutzen, um mitzuschreiben. Eine Dozentin der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg fordert von ihren Studierenden, die Kopfbedeckungen abzunehmen. Weil sie damit nicht nur Caps und Hüte, sondern auch das Kopftuch einer muslimischen Studentin meint, werfen der Studienrat und die Grüne Jugend der Professorin nun Diskriminierung vor.

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Ausgerechnet in der Vorlesung "Internationale Beziehungen" soll die Professorin Dr. Gisela Müller-Brandeck-Bocquet am Mittwoch eine Studentin dazu aufgefordert haben, ihr Kopftuch abzunehmen. Die Dozentin hatte zunächst alle Studierenden darum gebeten, ihre Kopfbedeckungen im Hörsaal abzulegen. Als eine muslimische Studentin dem als Einzige nicht nachkam, soll Müller-Brandeck-Bocquet sie dazu ermahnt haben, es ihren Kommilitonen gleichzutun. Die Gründe, die die Dozentin dafür anführt: Sie missbillige die Entscheidung der Studentin im Sinne der Gleichbehandlung – schließlich müssten die männlichen Studenten ihre Baseball-Caps auch absetzen.

Die Dozentin findet Kopfbedeckungen im Hörsaal respektlos

Offensichtlich stellt die Dozentin und Vorständin des Instituts für Soziologie und Politikwissenschaften religiöse Kopfbedeckungen mit Mode-Accessoires gleich. Sie halte es seit Jahren so, dass Studierende in ihren Lehrveranstaltungen keine Kopfbedeckungen tragen dürften, zitiert die Uni Müller-Brandeck-Bocquet in einer Stellungnahme, sie betrachte das "als Zeichen des Respekts". Sie habe die Studentin aber weder explizit dazu aufgefordert, ihr Kopftuch abzunehmen, noch den Hörsaal zu verlassen. Eine anwesenden Studentin bestreitet das. Müller-Brandeck-Bocquet habe erklärt, man könne "mit Mützen und Ähnlichem nicht gut lernen". Außerdem sei die Universität ein säkularer Raum, in dem das Kopftuch als religiöses Zeiten keine Berechtigung habe.


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Die Leitung der Julius-Maximilians-Universität bestreitet das. Religionsfreiheit sei an der Institution selbstverständlich, so die Uni in einer Pressemitteilung: "[Es gibt] keine Vorschriften oder Richtlinien, die das Tragen eines Kopftuches untersagen würden – weder den Studierenden, noch dem Lehrpersonal oder anderen Beschäftigten." Allerdings bedauere die Dozentin die Vorkommnisse in ihrer Vorlesung. Der Hochschulleitung zufolge habe sie sich mittlerweile in einem Brief bei der Studentin entschuldigt und werde dies in der nächsten Vorlesung auch mündlich tun.

Fakt ist, dass niemand dazu gezwungen werden kann, für eine Vorlesung ein Kleidungsstück abzulegen – egal, ob man es aus religiösen oder modischen Gründen trägt, oder weil man sich für seine Frisur schämt. Gegenüber der Augsburger Allgemeinen erklärte die betroffene Studentin, ihr Kopftuch gehöre für sie zur Ausübung ihrer Religion: "Es ist meine eigene freie Entscheidung, niemand zwingt mich dazu."

Unter einem Facebook-Post der Studierendenvertretung der Uni meldeten sich derweil mehrere andere Nutzer zu Wort, die in der Vergangenheit von ähnlichen Begegnungen mit Müller-Brandeck-Bocquet berichten. "Es ist schön, dass endlich mal auf Aussagen von der Professorin reagiert wird", schreibt etwa eine ehemalige Studentin.

Am Mittwoch zeigten sich immerhin mehrere der Studierenden mit ihrer Kommilitonin solidarisch: Mehrere Teilnehmer und Teilnehmerinnen verließen den Hörsaal, nachdem die Betroffene der Forderung der Lehrenden nicht nachgeben wollte. Dem Bericht einer Studentin zufolge wollte die Dozentin die Veranstaltung dann sogar vollständig abbrechen. Am Ende war es nicht ein Kopftuch oder ein Cap, das die Studierenden davon abhielt, etwas zu lernen – sondern die Professorin selbst.

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