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Deutsche Notaufnahmen brauchen Türsteher wegen handgreiflicher Patienten

Allein in einem einzigen Krankenhaus in Karlsruhe gab es fast 1000 Patienten, die drohten oder prügelten. Dutzende Mitarbeiter wurden verletzt.

Im Emergency Room musste George Clooney eher selten gegen stänkernde, ungeduldige Patienten kämpfen. Wäre aber wohl ein realistischer Plot-Twist | Foto: imago | United Archives

Wenn jemand in der Notaufnahme landet, ist vermutlich einiges schief gelaufen. Vielleicht steckt eine Glühbirne in seinem Hintern. Vielleicht ist sein Intimpiercing am Reißverschluss hängen geblieben. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, nach zwölf Bier freihändig Fahrrad auf der Landstraße zu fahren und dabei die Internationale zu grölen.

Auf jeden Fall muss etwas Schlimmes passiert sein, wenn man die Nacht nicht im Bett verbringt, sondern im Warteraum mit wimmernden, ansteckenden Menschen—beleuchtet durch fieses Neonröhren-Licht. Am besten hält man in diesem Fall die Fresse und seinen lädierten Körperteil fest, und wartet darauf, dass die Menschen in Weiß einen von seinem Leid erlösen.

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Das logische Ding wäre, zu diesen Menschen sehr, sehr nett zu sein: Meistens haben die Mitarbeiter der Notaufnahmen nämlich sehr dünne Nerven. Denn sie haben in den letzten drei Tagen nicht geschlafen, sich von Snickers ernährt, eiternde Wunden verbunden oder Hypochonder abgewimmelt, die in die Notaufnahme gekommen sind, weil sie GÄNSEHAUT hatten.

Leider ist der Mensch kein logisches Wesen. Die Hand, die ihm ausgestreckt wird, beißt er. Oder versucht sie zu brechen. Wortwörtlich. Heute stand in vielen deutschen Tageszeitungen die Meldung, dass Kliniken über zunehmende Gewalt von Patienten in Notaufnahmen klagen. Allein im Diakonissenkrankenhaus in Karlsruhe hätte es im vergangenem Jahr 970 Vorfälle durch aggressives Verhalten in der Notaufnahme und der Intensivstation gegeben. In 42 Fällen seien dabei Mitarbeiter verletzt worden.

Foto: imago | Michael Westermann

Schon vor Wochen berichtete das BranchenmagazinKlinik Management Aktuell, dass immer mehr Kliniken in Deutschland Sicherheitskräfte in ihren Notaufnahmen einstellen. Und bei einer Befragung der Unternehmensberatung openConsulting unter Mitarbeitern von 100 Kliniken im deutschsprachigen Raum, gaben drei von vier an, dass sie im vergangenen Jahr körperliche und verbale Attacken in der Notaufnahme erlebt hätten.

Schuld daran seien nicht nur Drogen und Alkohol, sondern auch die Ungeduld der Patienten. Viele kommen offensichtlich nicht damit klar, zu warten. So erzählte ein Arzt derFrankfurter Neuen Presse von erwachsenen Männern, "die sich vor dem Empfangstresen wie trotzige Kinder auf den Boden werfen und brüllen"—und dann den Arzt angreifen, wenn er sie bittet, zu warten. Inzwischen bitten viele Krankenhäuser auch ein Deeskalationstraining für ihre Mitarbeiter an. Die Ärzte der Notaufnahmen müssen bald also nicht nur Wunderheiler mit Engelsgeduld sein, sondern auch das Beschwichtigungsgeschick von Gandhi vorweisen. Und manchmal auch die Muskeln von Rambo.