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Sex

Der VICE Guide zu sexueller Gesundheit

Chlamydien, Filzläuse und Hodenquallen—wir klären euch über all die Dinge auf, die ihr nie über Sex wissen wolltet, aber solltet!

Wikipedia | C. Goldsmith | CC BY 2.0 Seit einiger Zeit steigt die Zahl der Infektionen mit sexuell übertragbaren Krankheiten (STI) wieder an. Zu diesen Krankheiten gehören neben HIV, Tripper oder Syphilis auch weniger bekannte Infektionen wie Chlamydien oder Trichomonaden, die nicht nur durch Geschlechtsverkehr sondern auch durch ungeschützten Oralsex oder Petting übertragen werden können.

Egal ob man für diesen besorgniserregenden Anstieg eine wachsende Fahrlässigkeit, Dating-Apps wie Grindr und Tinder oder den latenten Todestrieb einer übersättigten und pornorisierten Wohlstandsgesellschaft verantwortlich machen will, bleibt eine Sache klar: Wer sich über STI informiert und sich schützt, kann das Risiko einer Ansteckung deutlich verringern. Beim Sex ein Kondom zu benutzen, sollte dabei genauso selbstverständlich sein wie sich vor dem Petting die Hände zu waschen, auch wenn man vorher keine Mülltonnen durchwühlt oder streunende Hunde gestreichelt hat. Dies gilt zumindest für all diejenigen, die sich nicht generell der Enthaltsamkeit verschrieben haben oder ihre Sexualität ausschließlich in einer sogenannten stabilen Partnerschaft ausleben, bei der man erst nach ausgedehnter Kennenlernphase und gemeinsam bestandenem HIV-Test bei Kerzenschein die langersehnte körperliche Vereinigung feiert.

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Wer sich mit einer STI ansteckt, schwächt sein Immunsystem und erhöht so das Risiko einer HIV-Infektion. Wir verraten euch, welche sexuell übertragbaren Krankheiten momentan in Deutschland am häufigsten auftreten, wie sie übertragen werden und durch welche Maßnahmen ihr euch vor einer Infektion schützen könnt. Spoiler: Die Augen zuzumachen und zu hoffen, dass nichts passieren wird, ist garantiert die falsche Idee.

HIV / AIDS

Während bessere Behandlungsmethoden und das steigende gesellschaftliche Bewusstsein für AIDS in den 90ern für einen kurzlebigen Optimismus sorgten—sowie nationale und internationale Girlbands zu poetischen Meisterleistungen inspirierten—, stieg die Zahl der registrierten HIV-Infektionen in Deutschland zwischen 2001 und 2007 drastisch an. Nach einer kurzen Phase der Stagnation nehmen die Zahlen der Neu-Infizierten wieder zu und lagen Ende 2013 bei ungefähr 3200. Weiterhin verbreitet sich der Virus am häufigsten über homosexuelle Kontakte. Heterosexuelle Kontakte und Drogenmissbrauch liegen weit dahinter. In anderen Ländern sieht die Situation um einiges katastrophaler aus als in Deutschland, nach Schätzungen von UNAIDS leben weltweit ungefähr 35 Millionen Menschen mit dem Immunschwächevirus.

Dabei ist es im Vergleich mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten nicht so leicht, sich mit dem Virus anzustecken. Infizieren kannst du dich auf sexuellem Wege lediglich, wenn jemand, der infiziert ist, in deinen Anus, deine Vagina oder eine offene Wunde abspritzt, blutet oder ihr eure Geschlechtsorgane aneinander reibt, ohne ein Kondom zu benutzen—oder das Kondom reißt. Wer sich einmal mit HIV infiziert hat, wird den Virus sein Leben lang nicht mehr los, doch mit einer antiretroviralen Therapie lässt sich die Krankheit zumindest soweit in den Griff kriegen, dass man über Jahre und Jahrzehnte mit ihr leben kann. Wichtig dabei ist, dass mit der Therapie so schnell wie möglich begonnen wird.

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Eine Mutter, ein Sohn und zwei Diagnosen: Aus der Perspektive eines Erkrankten

Einen HIV-Test kannst du für 25 bis 50 Euro beim Arzt deines Vertrauens oder anonym und kostenlos beim Gesundheitsamt machen lassen. Dabei wird untersucht, ob sich im Blut Antikörper gegen den Virus gebildet haben, die mit hoher Sicherheit auf eine Infektion hinweisen. Nach einem ungeschützten One-Night-Stand sofort panisch zum Arzt zu rennen, macht allerdings keinen Sinn, da die potentielle Infektion mindestens drei Monate zurückliegen muss, bevor sich die Antikörper wirklich sicher nachweisen lassen.

Chlamydien

Als hätten die Spätjugendlichen und Jungerwachsenen in unserer modernen Gesellschaft nicht schon genug Probleme, gehören sexuell Aktive unter 25 auch noch zu der Risikogruppe, die sich am leichtesten mit Chlamydien infiziert. Laut Marita Völker-Albert von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) lässt sich dieses erhöhte Risiko damit erklären, dass Menschen in diesem Alter häufiger als später im Leben ihre Sexualpartner wechseln und ihre Beziehungen tendenziell von kürzerer Dauer sind.

Wikipedia | Dr. E. Arum; Dr. N. Jacobs | CC BY 2.0

Chlamydien sind Bakterien, die sich als Parasiten in Körperzellen einnisten, und gehören in Deutschland allgemein zu den häufigsten Infektionen, die bei heterosexuellen und homosexuellen Kontakten auftreten können. Die Bakterien finden sich nicht nur in Sperma, sondern auch in Vaginalsekret, Urin und infizierten Schleimhäuten und werden so nicht nur bei ungeschütztem Sex, sondern auch beim Lecken oder Blasen ohne Lecktuch oder Kondom und beim Petting sehr leicht übertragen.

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Eine Infektion mit Chlamydien kann mit Antibiotika sehr gut behandelt werden, während sie unentdeckt bei Männern und Frauen zu Unfruchtbarkeit führen kann. Da eine Infektion bei 70 Prozent der Frauen und 50 Prozent der Männer ohne Symptome verläuft—und man von einer durch Oralsex infizierten Rachenschleimhaut generell überhaupt nichts merkt—solltet ihr euch lieber bei nächster Gelegenheit testen lassen, wenn ihr es mit der Verhütung nicht immer so genau genommen habt und nicht unwissend jemanden anstecken wollt.

Trichomonaden

Auch wenn die Trichomonaden im Gegensatz zu HIV oder Syphilis höchstens ein Schattendasein im allgemeinen Gesundheitsbewusstsein fristen und man sie dem Namen nach auch für einen ausgestorbenen orientalischen Völkerstamm halten könnte, ist die Infektion mit Trichomonaden die weltweit am häufigsten auftretende sexuell übertragbare Krankheit überhaupt. Jährlich stecken sich geschätzte 200 Millionen Menschen damit an.

Die Parasiten haben eine Vorliebe für Orte, in denen es warm und feucht ist, weshalb sie es sich besonders gern in Scheide, Harnröhre und Darm gemütlich machen—oder auch in der Sauna. Übertragen werden sie vor allem beim Vaginal- und Analverkehr, aber auch beim Petting oder wenn man das gleiche Handtuch benutzt wie eine infizierte Person. Die Symptome einer Trichomonaden-Infektion sind äußerst ungerecht verteilt: Während drei Viertel der infizierten Frauen unter Juckreiz, Scheidenentzündungen und ziemlich unappetitlichem Ausfluss zu leiden haben, passiert bei Männern meist überhaupt nichts. Unbehandelte Infektionen können bei Frauen zu einer Entzündung des Gebärmutterhalses und Komplikationen in der Schwangerschaft führen, bei Männern—in seltenen Fällen—zu Prostata- und Nebenhodenentzündungen.

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Wikipedia | Nephron | CC BY-SA 3.0

HPV

Infektion mit humanen Papillomaviren gehören ebenfalls zu den Krankheiten, die am häufigsten über sexuelle Kontakte übertragen werden. 70 bis 80 Prozent der Erwachsenen stecken sich im Laufe ihres Lebens ein oder mehrere Male mit HPV an. Dabei unterscheidet man zwischen Niedrig- und Hochrisikoviren. Während die Niedrigrisikoviren vor allem Feigwarzen (zum Beispiel an Vorhaut oder Scheideneingang) verursachen, die zwar nicht schmerzhaft, dafür aber entzündlich und hoch ansteckend sind, kann eine unausgeheilte Infektion mit den Hochrisikoviren bei Frauen zu Krebsvorstufen und letztendlich Gebärmutterhalskrebs führen.

Wer sich jedes Jahr vom Frauenarzt auf diese Vorstufen untersuchen lässt, vermindert das Risiko erheblich. Bei Männern kann es durch beim Oralverkehr übertragende HP-Viren im schlimmsten Falle zu Mund-, Rachen- und Kehlkopfkrebs kommen. Wer also Cunnilingus nicht sowieso aus persönlichen Gründen ablehnt und auf Nummer sicher gehen möchte, sollte neben Kondomen auch immer ein paar Dental Dams parat haben. Die Sexyness dieser Lecktücher bewegt sich zwar ungefähr auf dem Niveau von Fahrradhelmen, aber so wie eine schlimme Kopfbedeckung im Ernstfall noch erträglicher ist als ein Schädelbasisbruch, ist ein glitschiger Latexlappen an den Lippen immer noch appetitlicher als ein wuchernder Tumor im Hals.

Tripper (Gonorrhoe)

Dass die Gonorrhoe in Windeseile einen ganzen Freundeskreis befallen kann, liegt daran, dass es unglaublich leicht ist, sich mit ihr anzustecken—selbst wenn man bei Vaginal-, Anal und Oralverkehr pflichtbewusst Kondome und Tücher verwendet. Der Grund dafür liegt mitunter darin, dass Gonokokken-Bakterien schon bei der scheinbar ungefährlichen gegenseitigen manuellen Befriedigung übertragen werden können und so gut wie niemand auf die Idee kommen würde, sich in Vorbereitung auf einen nett gemeinten Handjob erst mal ein paar Gummihandschuhe überzuziehen.

Über die Hände können die Gonokokken außerdem ins Auge gelangen und dort eine Bindehautentzündung verursachen, die unbehandelt schnell zu Erblindung führen kann. Infektionen im Rachenraum, in der Scheide, im Enddarm oder der Harnröhre verlaufen häufig ohne Symptome, haben ohne die richtige Therapie allerdings im schlimmsten Fall Unfruchtbarkeit zur Folge. Solltet ihr also den Verdacht haben, euch angesteckt zu haben, lasst euch lieber untersuchen und informiert—wie übrigens bei allen anderen Infektionen auch—all die Leuten, mit denen ihr in letzter Zeit Sex hattet. Einem One-Night-Stand die frohe Botschaft zu überbringen, dass man ihr oder ihm möglicherweise einen Tripper angehängt hat, ist vielleicht nicht die angenehmste Sache der Welt, dafür aber bestimmt eine prima Vorlage für die nächste schlimme romantische Komödie von Matthias Schweighöfer.

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Syphilis

Syphilis ist nicht nur die sexuell übertragbare Krankheit mit der größten kulturhistorischen Relevanz, die im 19. Jahrhundert unter anderem die romantischen Dichter Keats, Schiller und Heine befiel und später den morbiden Arzt und Lyriker Gottfried Benn zu der bewunderungswürdigen Wortschöpfung „Hodenquallen" inspirierte, sondern auch in den letzten Jahren wieder auf dem Vormarsch. Da Syphilis neben HIV und Hepatitis A, B und C zu den meldepflichtigen STI gehört, gibt es konkrete Zahlen, die einen kontinuierlichen Anstieg der Neu-Infektionen innerhalb der letzten fünf Jahre belegen. Laut Statistik handelt es sich bei den Infizierten in über 90 Prozent der Fälle um Männer, die sich beim Vaginal-, Anal- oder Oralverkehr angesteckt haben, oder dadurch, dass sie mit Syphilisgeschwüren in direkten Kontakt gekommen sind.

Im Gegensatz zu früheren Jahrhunderten, in denen die Krankheit häufig zu einem ziemlich gruseligen körperlichem Verfall bis hin zum Tod führte, kann Syphilis seit der Erfindung des Penicillins mittlerweile vollständig geheilt werden. Allerdings nur solange sie rechtzeitig erkannt wird. Besonders als sexuell aktiver Mann solltest du daher in regelmäßigen Abständen deinen Penis, deinen Anus und auch deine Lippen nach ungewohnten Knötchen absuchen, und wenn du etwas gefunden hast, schleunigst einen Arzt konsultieren, anstatt abzuwarten und darauf zu hoffen, dass dein Körper schon irgendwie alleine damit fertig wird.

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Wikipedia | Fæ | CC BY 4.0

Herpes

Die schlechte Nachricht: Geschätzte 85 Prozent der Erwachsenen sind mit Lippenherpes und 15 Prozent mit Genitalherpes infiziert. Die gute Nachricht: Die hässlichen Bläschen verwandeln sich nach kurzer Zeit in flache Geschwüre und verschwinden nach einigen Wochen ganz. Allerdings verbleiben die Viren das ganze Leben lang im Körper. Lippenherpes kann schon beim Küssen ansteckend sein, wenn sich an der Lippe oder im Mundraum Bläschen angesammelt haben. Darüber hinaus können sowohl Lippen- als auch Genitalherpes beim direkten Geschlechtsverkehr, beim Blasen, Lecken oder Ass-to-Mouth von einem Organ auf das andere übertragen werden. Außerdem kann, wie beim Tripper, schon die manuelle Stimulation des Partners ein Risiko darstellen. Du solltest deshalb eventuell vorhandene Bläschen niemals mit den Händen berühren—selbst wenn es dir aus unerfindlichen Gründen verlockend erscheinen sollte.

THUMB: Eine potentiell gefährliche Situation in Köln

Filzläuse

Filzläuse sind generell kein Zeichen von Unreinlichkeit oder mangelnder Hygiene. Sie fühlen sich auch in einer perfekt zurecht gestutzten und mit Babyshampoo gewaschenen Intimfrisur wohl, solange genug Schamhaare übrig sind, an denen sie sich festhalten und ihre Eier festkleben können. Die Insekten sind mit einer Größe von 2 Millimeter groß genug, um sie mit bloßem Auge zu erkennen, aber wer macht sich im Eifer des Gefechts schon die Mühe, die Schamhaare oder Bettwäsche seines Partners nach unerwünschten Krabbeltieren abzusuchen? Dass du selbst unter Filzlausbefall leidest, merkst du spätestens dann, wenn es anfängt, bestialisch zu jucken. Die nächsten acht bis zehn Tage darfst du dann damit verbringen, deinen Intimbereich mit Salbe einzureiben, täglich deine Bettwäsche zu waschen und darüber nachzudenken, ob ein radikaler Kahlschlag deines Busches all das Leid hätte verhindern können. Dich auch im Gesicht zu rasieren ist dagegen ganz unnötig – denn in Bärten wohnen die kleinen Biester nicht. Dafür mögen sie Achselhöhlen.

Wikipedia | Ed Uthman | CC BY 2.0

Und nun, liebe Freunde, ziehet los und genießt die Freuden der körperlichen Liebe! Wir hoffen, wir haben euch nicht den Spaß verdorben.