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Vice Blog

Wie sich der österreichische Fußball für Flüchtlinge stark macht

Von Regionalliga-Vereinen über Bundesliga-Clubs bis hin zur Nationalmannschaft—der österreichische Fußball unterstützt Menschen auf der Flucht auf unterschiedlichste Arten.
Foto: Caritas Österreich

Als Kind habe ich in den Sommerferien regelmäßig meine Großmutter in Schweden besucht. Weil ich dort niemanden kannte und mir manchmal einfach langweilig war, habe ich irgendwann begonnen, bei der Jugendmannschaft des örtlichen Fußballvereins mit zu trainieren. Auch wenn ich beim Training manchmal so getan habe, als würde ich kapieren, was der schwedische Trainer und meine Mitspieler sagten: Wenn sie nicht gerade Englisch redeten, verstand ich kein Wort.

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Aber nach spätestens 10 Minuten Training war das ziemlich egal. Fußball funktioniert in Schweden nämlich auch nicht anders als in Österreich und ich habe auch so verstanden, was ich tun sollte. Ich lernte ein paar schwedische Kinder kennen und meine Ferien begannen, um einiges mehr Spaß zu machen. Es klingt vielleicht ein wenig abgedroschen und pathetisch, aber Fußball funktioniert als Kommunikationsmittel. Fußball ist ein Eisbrecher. Jeder, der irgendwann einmal mit fremden Leuten in fremden Ländern Fußball gespielt, oder vielleicht auch nur zugesehen hat—und sei es nur im Urlaub gewesen—, weiß das.

Trotzdem haben Fußball und Toleranz ein, sagen wir mal, ambivalentes Verhältnis. Auf der einen Seite gibt es kaum einen Sport, der sich auf offizieller Seite so regelmäßig und klar gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit positioniert. Auf der anderen Seite heißt es oft, dass der Sport diese klare Positionierung überhaupt erst nötig hat, weil die Realität des Sports oft eben ganz anders aussieht. Einige der fremdenfeindlichsten Szenen, die ich je erlebt habe, haben sich neben und in manchen Fällen sogar auf dem Rasen abgespielt.

Ein Umstand, der auch in der aktuellen Flüchtlingssituation offensichtlich wird: In Polen etwa sind in manchen Stadien Transparente mit Aufschriften wie: „Willkommen in der Hölle, umherirrende Schafe", die sich an Flüchtlinge richten, keine Seltenheit. Und in Ungarn haben Hooligans erst vor kurzem nach einem Länderspiel Refugees attackiert und verprügelt.

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In Anbetracht dessen ist es umso schöner zu sehen, wie bekannte österreichische Clubs und Spieler Solidarität für Flüchtlinge demonstrieren. In den letzten Wochen haben gleich mehrere Bundesliga-Vereine Flüchtlinge zu ihren Heimspielen eingeladen. So etwa Rapid Wien, oder der SV Grödig, der 48 Flüchtlinge aus Salzburg zu einem Heimspiel gegen Ried einlud. Red Bull Salzburg holte gleich 250 Flüchtlinge gratis ins Stadion, und kümmerte sich um An- und Abreise sowie Verpflegung. „Wir wollen ihren Alltag ein bisschen auflockern und dazu beitragen, dass sie fernab der Heimat auch ein wenig Ablenkung und Freude haben." erklärte Sportdirektor Jochen Sauer.

Flüchtlinge bei der wöchentlichen Trainingseinheit der Wiener Austria. via Facebook

Die Wiener Austria, die in der Vergangenheit immer wieder Probleme mit rechtsextremen Fans aus ihren eigenen Reihen hatte, bezieht in der aktuellen Debatte besonders klar Stellung und spricht ihre deutliche Unterstützung für Flüchtlinge aus. Man würde „über den Tellerrad hinausblicken" und wolle beweisen, dass die Austria mehr ist, als nur ein Sportclub. Seit Anfang September bieten die Favoritner jeden Freitag Nachmittag eine Trainingseinheit für Flüchtlinge in ihrer Akademie an, die von Austria-Trainern geleitet wird. Vor kurzem fand außerdem ein Benefizspiel gegen den Floridsdorfer AC statt, das zwar verloren ging, dessen Reinerlös—immerhin 7.000 Euro— aber der Flüchtlingshilfe zugute kommt. Auch Admira Wacker Mödling hat im Sommer eine eigene Kampagne begonnen und eine Sammelaktion gestartet, um Flüchtlinge in Traiskirchen zu unterstützen. Der Bundesligist forderte Fans auf, bei einem Heimspiel Sport-Ausrüstung und Geld zu spenden.

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Fußball-Videos sind gern mal ein bisschen überdramatisch inzeniert. Aber wenns für so einen Zweck ist, dann geht das schon klar.

Vielleicht noch wichtiger als die Positionierung vieler Clubs ist die klare Position des ÖFB selbst: Die Nationalmannschaft ist jetzt auch laut FIFA-Weltrangliste die beste, die wir jemals hatten—Zlatko Junuzović, ein ehemaliges Flüchtlingskind, ist dafür ebenso verantwortlich, wie ein ganzer Haufen Spieler, deren Eltern man wohl per Definition auch als „Wirtschaftsflüchtlinge" bezeichnen könnte (wenn man denn wollte).

Junuzović selbst fand Anfang September klare Worte: „Man darf nicht wegschauen. Das ist die Chance für jedes Land, seine Menschlichkeit zu zeigen. Man muss helfen, wo man kann und sollte die Flüchtlinge willkommen heißen. Ihnen geht es wirklich schlecht, sie brauchen Unterstützung". Kurz darauf zog die gesamte Nationalmannschaft mit einem deutlichen Statement nach:

Nationalheiligtum David Alaba besuchte erst vor kurzem öffentlichkeitswirksam ein Flüchtlingsheim im Wien, verschenkte Fußballschuhe und machte darauf aufmerksam, wie wichtig es ist, „jetzt in der Flüchtlingshilfe aktiv zu sein". Aber nicht nur Bundesligisten und Nationalmannschaft, auch Clubs aus niedrigeren Spielklassen, etwa der Wiener Sportklub, machen transparent, dass sie pro Flüchtlinge sind. Nachdem Heinz-Christian Strache im ORF-Sommergespräch Bezug zu seiner Vergangenheit als Jugendspieler beim Wiener Traditionsverein nahm, stellte der Sportklub kurzerhand klar, wie er den Botschaften Straches gegenübersteht:

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Herr Strache, bevor Sie uns zu vereinnahmen versuchen: So sieht unser aktuelles Trikot aus! — Wiener Sportklub (@WienerSportklub)17. August 2015

Solche solidarischen Gesten findet man quer durch alle Spielklassen. Der UFC Podersdorf zum Beispiel—er spielt in der 2. Klasse, der niedrigsten Spielklasse im Burgenland—hat aus Mangel an Spielern kurzerhand ein Probetraining einberufen und vier der Flüchtlinge, die im Ort untergebracht sind, in seine Mannschaft geholt.

Man könnte vieler dieser Aktionen als nette Gesten oder als simple Eigen-PR abtun. Aber Fußball ist ein gar nicht so unbedeutender gemeinsamer Nenner zwischen Menschen auf der Flucht und der breiten Masse der Bevölkerung in Österreich. Hunderttausende Österreicher lieben Fußball, und auch in Ländern wie Syrien ist er die beliebteste Sportart überhaupt. Natürlich sind unter den österreichischen Fußball-Fans nach wie vor viele Asyl-Skeptiker oder Leute, bei denen einfach noch Überzeugungsarbeit geleistet werden muss.

Solche Statement erfordern eben doch ein Stück weit Mut. Courage und Engagement für flüchtende Menschen kommen bei weiten nicht bei allen Fußball-Fans an. Genau wegen solchen Fans ist es doppelt so wichtig, dass der ÖFB sowie seine Clubs und Spieler transparent machen, wo sie in dieser Angelegenheit stehen.

Sicher, Fußballclubs könnten auch einfach Geld spenden: Der FC Bayern hat das erst vor kurzem gemacht und eine Milllion Euro für Flüchtlingshilfe bereitgestellt, ebenso wie Real Madrid. Die finanziellen Mittel österreichischer Clubs sind natürlich begrenzter, und viele setzen eben nicht auf Unterstützung auf finanzieller, sondern auf menschlicher und—ziemlich naheliegend—sportlicher Ebene. Das ist nicht nur in Ordnung. Es ist als Ergänzung zu Geld- uns Sachspenden auch dringend notwendig.

Folgt Tori auf Twitter: @TorisNest