Die Parkourläufer, die auf einem Militärschiff laufen

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Extremsport

Die Parkourläufer, die auf einem Militärschiff laufen

Die Mitglieder der französischen West Coast Family (WCF) sind permanent auf der Suche nach diesen Plätzen, um ihre Abenteuerlust zumindest vorübergehend zu befriedigen. Dieses Mal auf der Colbert in der Bretagne.

Das Leben eines Parkourläufers ist eine dauerhafte (manchmal schmerzhafte) Suche nach dem idealen Ort, der die Tricks sensationeller aussehen lässt, an dem man neue Stunts ausprobieren kann und wo im Idealfall noch niemand war.

Die Mitglieder der französischen West Coast Family (WCF) sind permanent auf der Suche nach diesen Plätzen, um ihre Abenteuerlust zumindest vorübergehend zu befriedigen. Deswegen waren sie auch schon in München und Wien aber auch in Ägypten, wo sie die Pyramiden, die Dünen und Ausgrabungsstätten für ihren Sport nutzten.

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Im August 2015 sind sie auf ein Militärschiff, die Colbert, gefahren um dort ihren Lieblingssport zu betreiben. Der alte Kreuzer der französischen Marine war zwischen 1956 und 1991 auf den Meeren unterwegs. Lange befand er sich auf dem Schifffriedhof in Landévennec, in der Bretagne, bevor er irgendwann in Gironde verschrottet werden wird.

Ein paar Mitglieder der WCF sind trotzdem in die Bretagne gefahren, um dort fünf Tage illegal auf dem Schiff zu verbringen. Kurz bevor sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten, wurden sie auch noch von Polizisten angehalten. Später sollte eine Anzeige der nationalen Marine folgen. Nicht nur deshalb haben wir uns mit einem Mitglied der WCF getroffen, um mit ihm über den Trip zu sprechen.

VICE Sports : Wie wurde die West Coast Family gegründet?
Charles Brunet : Die West Coast Family wurde vor neun Jahren gegründet und besteht aus 14 Personen die alle im Westen Frankreichs leben. Also in Saint-Malo, Rennes, Trebeurden, Tours, Nantes, Laval und so weiter… Seitdem wir uns bei den parkour days das erste Mal gesehen haben, haben wir uns im Anschluss regelmäßig wieder getroffen. Also hat sich die Gruppe schon natürlich gebildet. Wir haben gemeinsam trainiert und Ausflüge gemacht, weil man ja immer großartige Orte entdecken könnte. Deswegen sind wir zum Beispiel auch nach München, Wien oder Ägypten gereist.

Woher kam die Idee auf einem Militärschiff Parkour zu laufen?
Wir waren in Poitiers mit allen französischen Parkourläufern und ein Typ aus Brest hat uns seinen Plan verraten. Es gäbe ein verlassenes Militärschiff, das nur noch darauf wartet bis es in alle Einzelteile zerlegt wird. Ein paar von uns haben eine neue Location gesucht und als wir einen passenden Zeitpunkt gefunden hatten, sind wir mit dem Willen, Spaß zu haben, hingegangen. Natürlich wollten wir davon auch ein verdammtes Video machen—außerdem war noch keine Mensch auf einem Militärboot um Parkour zu machen.

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Wie war es dann vor Ort? Wie habt ihr es hinbekommen, Spaß zu haben, obwohl ihr wusstet, dass es verboten ist, dort zu sein?
Wir sind zu siebt los, um fünf Tage auf der Colbert zu verbringen. Wir sind letztlich auch erst am letzten Tag der Polizei begegnet. Aber wenn du weißt, dass es gesetzlich verboten ist, dort zu sein, wirst du natürlich ein bisschen paranoid. Deswegen war auch die erste Nacht echt stressig. Du schläfst schlecht, weil du die Vorstellung des Verbotenen nicht aus dem Kopf bekommst. Außerdem bist du im Inneren des Schiffes nicht gut gelaunt, dir fällt das Atmen schwer und es ist dunkel und feucht. Ein zweites Team hat uns dann auch Atemmasken vorbeigebracht, denn wir wussten ja, dass das Schiff mit Asbest befallen ist. Aber in deinem Inneren weißt du, dass es nur wenigen Leuten möglich ist, die dieselbe Erfahrung machen. Das ist wiederum ein geniales Gefühl. Es gab verschiedene Gerüche, die Natur holt sich zurück, was ihr gehört. Es gibt enorm viele Vögel und Pflanzen auf dem Boot. Da erlebt man schon einzigartige Momente.

Wir schliefen in den Hängematten und im Laufe der fünf Tage, gab's keinen einzigen Moment der Langeweile, denn es gab in dieser wunderschönen Umgebung dermaßen viele Sachen zu tun und zu sehen! Wir haben alle Szenen innerhalb dieser fünf Tage gedreht. Es war unmöglich, alle Interessen in einem Video zu vereinen. Egal, ob das Urban Exploration, Parkour, tauchen oder auch klettern wären.

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Und am letzten Tag kamen die Cops…
Genau, wir waren schon auf dem Abflug, als sie uns festgehalten haben. Sie haben unsere Namen aufgeschrieben und uns gehen lassen, nachdem sie uns gesagt haben, dass es das nächste mal eine Geldstrafe gäbe. Ehrlich gesagt, waren sie cool drauf. Erst als wir auf France 3 Bretagne (Anm. d. Red.: Französischer TV-Sender) zu sehen waren, hat die französische Marine gegen uns eine Klage eingereicht, denn das Betreten des Schiffes war ja verboten.

Wurdet ihr deshalb auch vorgeladen?
Ja, wir wurden verhört. Die sechs Mitglieder der Gruppe, die nach Puy du Fou (Anm. d. Red.: Vergnügungspark in Westfrankreich) gereist sind, mussten im August nach Brest, ich dann Anfang September. Die Polizisten waren richtig nett, sie sind sogar nach Guingamp gekommen um mich zu sehen. Meine Aussage hat ungefähr eineinhalb Stunden gedauert. Als sie wieder gegangen sind, haben sie uns noch gesagt, dass sie für uns plädieren würden. Sie sind wohl zu dem Ergebnis gekommen, dass wir nette Leute sind. Wir waren ja nicht auf der Colbert um die Verantwortlichen bloßzustellen und außerdem haben wir ja auch alles so hinterlassen, wie wir es vorgefunden haben.

Warum habt ihr euch diesen Ort ausgesucht?
Die Idee hinter Parkour ist es, neue Orte zu entdecken, an denen noch keiner diesen Sport gemacht hat oder die im besten Fall generell noch niemand gesehen hat. Wenn du der Einzige bist, der das gemacht hat, ist das ein unbeschreibliches Gefühl. Wenn man Parkour läuft, entscheidet man sich für ein einzigartiges Leben, worunter es auch fällt, auf einem Militärschiff Spaß zu haben.

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Außerdem ist es eine Suche nach Freiheit. Man ist frei in seinen Bewegungen, Entdeckungen und man lebt am Limit. Außerdem fühlt man sich lebendig, nur muss man dafür eben auch mal illegale Sachen machen. Der Mensch ist einfach dazu bestimmt Neues zu entdecken. Das Erkunden liegt uns in den Genen.

Wie findet ihr neue Orte?
Es gibt verschiedene Wege, wie wir in der Hinsicht arbeiten. Das heißt wir suchen auf Google Maps oder wir erfahren per Hörensagen von solchen Orten. Die Leute, die da sind,schicken uns dann Fotos und wenn es uns gefällt, kommen wir schnellst möglich vorbei.