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Fotos schießen gegen die Erinnerung

Wenn du dich ständig auf das Fotografieren als Gedächtnisstütze verlässt, beeinflusst das dein Erinnerungsvermögen.

Jemand, der sich an etwas nicht erinnern kann, im Museum of Modern Art via Wikimedia Commons

Wenn du deine Erinnerung stärken willst, solltest du deine Kamera zu Hause lassen. Zwei neue Studien, die in der Psychological Science veröffentlicht wurden, belegen, dass fotografierende Menschen, mehr Probleme haben, sich an spezifische Details von Objekten zu erinnern—geschweige denn, zu wissen, wo sie die fotografierten Gegenstände gesehen haben, oder ob sie sie überhaupt jemals gesehen haben.

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Die Psychologin Linda Henkel, von der Fairfield Universität, hat Menschen durch das Museum of Art der Universität geführt. Bei der Führung wurden die Teilnehmer gebeten, bestimmte Objekte zur Kenntnis zu nehmen, entweder indem sie sie fotografierten oder einfach nur durch das gute alte Betrachten.

Am nächsten Tag hatten die Teilnehmer mit der Kamera weniger genaue Erinnerung an die Objekte als diejenigen, die sich alles nur ansahen. Linda Henkel bezeichnet dieses Phänomen als „Beeinträchtigungseffekt durch Fotografie" Ein bisschen wie im Dialog von Phaedrus, als Platon davor warnte, dass geschriebene Wörter unsere Fähigkeit Dinge auswendig zu lernen, behindert.

„Wenn Menschen sich auf Technologie verlassen, um sich an etwas zu erinnern—also, darauf zählen, dass die Kamera die Veranstaltung aufnimmt und man so nicht mehr richtig anwesend sein muss—kann es einen negativen Einfluss auf die eigene Erinnerung haben." sagte Henkel.

Für Kamerahasser ist das die beste Nachricht seit der Erkenntnis, dass Instagram-Bilder von Mahlzeiten, das Essen schlechter schmecken lässt. Ich persönlich war ziemlich aufgeregt, denn nichts bringt mich mehr in Rage, als die Allgegenwart von Menschen, die überall und besonders im Museum Fotos schießen. Von jedem Gemälde gibt es in den meisten Fällen doch eh eine viel besserer digitale Version im Internet, warum muss also jeder seine eigene, wesentlich schlechtere Version haben?

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Manchmal kann ich es aber doch verstehen. Eigentlich geht es ja gar nicht um das Foto des Gemäldes, sondern um die Erinnerung daran das Bild gesehen zu haben. Es ist halt eher eine Art Souvenir.

Man kann es eigentlich niemandem übel nehmen, wenn sie sich diesen besonderen Moment irgendwie bewahren wollen. Unser Gedächtnis lässt in vielerlei Hinsicht zu wünschen übrig. In einer Studie, die letzten Monat in der PNAS erschienen ist, wurde belegt, dass selbst Menschen mit „hervoragendem autobiografischem Gedächtnis", die selbst Jahre später noch von tagesspezifischen Details wissen, manchmal dazu bewogen werden, sich falsch zu erinnern.

Henkels Forschung nun vergleicht die Erinnerung an den Vortagen von Betrachtern mit und ohne Kamera. Ihre Studie stellt da einige Unterschiede fest, und zwar auch in der Art wie Menschen im Alltag Fotos schießen—zum Beispiel, wenn wir spezifische Objekte selber auswählen.

„Diese Studie wurde sorgfältig kontrolliert. Teilnehmer wurden darauf verwiesen nur Bilder von bestimmte Objekten zu machen," sagte Henkel. „aber im Alltag machen die Menschen letztlich Bilder von Dingen, die ihnen wichtig sind, die von Bedeutung sind, an die sie sich erinnern wollen."

Die Testpersonen wurden außerdem auch nur darum gebeten, die Dinge bis zum nächsten Tag im Kopf zu behalten. Ein Foto von etwas zu haben ist vielleicht keine effektive Gedächtnisstütze für ein gestriges Ereignis, aber es kann unserem Gedächtnis weiterhelfen, wenn das Ereignis bereits ein Jahr zurück liegt. „Ich benutzte nur einen Tag Verzug in beiden Studien," schrieb mit Henkel in einer Email. „Es scheint wahrscheinlich, dass mit längeren Verzügen die Menschen sich an immer weniger erinnern können, besonders an die Details der Objekte. Wenn sie in der Lage wären sich die Fotos anzuschauen und sie noch einmal zu durchdenken—so wie wir das machen, wenn wir in Erinnerungen schwelgen—würde das helfen, Erinnerungen zu aufrechtzuerhalten."

Aber das Problem für manche Menschen ist schon, sich daran zu erinnern, wovon sie ein Foto gemacht haben. „Forschungen haben gezeigt, dass allein schon das Volumen und die fehlende Organisation von digitalen Erinnerungsbildern viele Menschen davon abhält, sich die Fotos erneuet anzuschauen und in Erinnerungen zu schwelgen," sagte Henkel. „Um sich zu erinnern, müssen wir uns die Bilder ansehen und mit ihnen interagieren und sie nicht nur anhäufen."

Es gibt noch einen anderen Weg sich besser an etwas zu erinnern. Und zwar wenn du auf Details zoomst und davon ein Bild machst. Die Testpersonen, die so Bilder gemacht haben, konnten sich an wesentlich mehr Details der Objekte erinnern, trotzdem konnten sie sich immer noch an weniger erinnern, als die Studienteilnehmer, die überhaupt keine Bilder geschossen haben.

Auch wenn es nicht die „Fotos zerstören dein Gehirn" Studie war, auf die ich gehofft habe, zeigen die Forschungsergebnisse zumindest, dass es sinnlos ist, alles ständig und immer zu fotografieren. Die Momente deines Lebens werden so auch nicht unvergesslicher.