Onyx, Houston: Eine Frau mit langem Haar und langen Fingernägeln macht akro
Where Dreams Lie. Alle Fotos: Adrienne Raquel
Menschen

Fotos aus dem berühmtesten Stripclub in Houston

Drake und Megan Thee Stallion haben den Stripclub ONYX in ihren Texten erwähnt. Adrienne Raquels Fotos geben einen Blick hinter die Kulissen.

Der neue Fotoband von Adrienne Raquel, ONYX, beleuchtet das Nachtleben in einem der bekanntesten Stripclubs von Texas. Als starker Kontrast zu Raquels üblichen Hochglanz-Studioarbeiten musste sie für die Aufnahmen im Klub ihre Komfortzone verlassen. Die entstandenen Bilder zeigen die neonbeleuchtete Intensität, die Dynamik und den Eskapismus der Kluberfahrung. Die Backstage-Portraits verankern diese Fantasiewelt in der Realität. Sie zeigen die Schwesternschaft und die Individualität der Stripperinnen, die Raquel während des Projekts kennenlernte. Wir unterhielten uns mit der aus Houston stammenden Fotografin über Stripclubs, das Ausklammern von Männern und das Aufbrechen von Stereotypen. 

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Onyx, Houston: Eine Frau in einem Kettenbikini im Backstage-Bereich

Backstage

VICE: Welchen Stellenwert haben Stripclubs in Houston?
Adrienne Raquel:
Stripclubs sind ein Markenzeichen des US-amerikanischen Südens. In Houston sind sie eine große Sache. Die Menschen gehen normalerweise donnerstags, freitags oder samstags hin. Dann ist der Klub am vollsten, das Geld fällt von der Decke. Man sieht Männer, aber auch Frauen, die die Tänzerinnen anfeuern. Stripclubs sind hier eher für die Party nach der Party; der Klub ist meistens erst nach 2 Uhr nachts voll.

Onyx, Houston: Eine Frau lehnt an einer Pole-Dance-Stange

All Eyes On Cali

Wie kamst du auf das ONYX?
Das Konzept von Stripclubs hat mich schon immer fasziniert. Aber erst, als ich im ONYX war, wurde es zu mehr als das. Meine Tante war 2017 in Houston, um ihren 50. Geburtstag zu feiern. Das ONYX war einer der Läden, in denen wir waren, was sehr überraschend war. Das kam ziemlich spontan. Ich bin mit meiner Mutter, meiner Tante und einigen ihrer Bekannten in den Klub gegangen. Ich war die jüngste von allen. Wir bekamen einen eigenen Bereich und haben uns ein paar Flaschen und Essen gegönnt. Wir waren so vier bis fünf Stunden dort.

Es war eine spannende Erfahrung. Meine Mom sagte die ganze Zeit: "Oh, ist alles OK bei ihr? Ist sie hingefallen?" Sie war so richtig im Muttermodus. Stripclubs sind natürlich mit einem Tabu behaftet, aber abgesehen davon kann es schon ein wenig befremdlich sein, einen zu betreten. Die Atmosphäre ist anders. Das Machtverhältnis, die sexy Kleidung, die Musik, die Energie. An all das muss man sich erst einmal gewöhnen.

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Onyx, Houston: Eine Stripperin kniet auf Dollarscheinen auf dem Boden

Rain Dance

Da habe ich angefangen, auf die Frauen im ONYX zu achten. Wie sie sich im Klub bewegen, wie sexy und selbstbewusst sie sind; wie sie die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und zusammenarbeiten, um ihr Geld zu bekommen und aufeinander aufpassen. Da war diese Dynamik außerhalb des Arschwackelns und des fliegenden Geldes. Ich sagte zu meiner Mom: "Wenn ich eines Tages erfolgreich bin, will ich zurück ins ONYX und den Klub dokumentieren." Und, na ja, Jahre später hat sich die Möglichkeit ergeben.

Wie war es, im Klub zu fotografieren?
Ich bin Studiofotografin. Ich bin es gewohnt, alles kontrollieren zu können: Beleuchtung, Energie, Stimmung, Bühnenbild … Im Stripclub ist alles original. Alle meiner Bilder sind durch das Klublicht beleuchtet. Ich war gezwungen, wirklich den Moment einzufangen.

Onyx, Houston: Eine Stripperin räkelt sich auf Dollarscheinen am Boden

Cash Is King

Ich beschreibe mich selbst gerne als Mauerblümchen, als extrovertierte Introvertierte und etwas zurückhaltend. Der Klub ist überhaupt keine zurückhaltende Umgebung. Schüchtern sein gibt es da nicht. Wenn ich ein Foto von einer Person machen wollte, musste ich ihr erklären, was ich mache, sie eine Einverständniserklärung unterschreiben lassen und aus meiner Komfortzone herauskommen. Ein paar der Mädchen waren so: "Was willst du? Wer bist du?" Die waren nicht zum Spaß da. Sie haben gearbeitet und ans Geld gedacht.

Ich kam jeden Abend, wenn der Klub leer war. Die Mädchen waren dann Backstage in ihrer Alltagskleidung, haben gegessen, SMS geschrieben, sich geschminkt. Irgendwann war der Klub voll und hinter der Bühne war Chaos: Leute sind rein und raus gerannt, Namen wurden auf die Bühne gerufen. Einige Tänzerinnen waren aufgeregt, weil sie ordentlich Geld verdient hatten, andere sauer, weil sie einen Dreck verdient hatten und seit Stunden da waren. Es ist eine interessante Dynamik.

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Onyx, Houston: Eine Frau mit rotem Nagellack hält ein dickes Bündel Geldscheine

Cash Out

In deinem Buch gibt es einen klaren Bruch zwischen den polierteren Fotos von der Bühne und den Portraits, die Backstage entstanden sind.
Die Arbeit ist im Prinzip in zwei Kategorien aufgeteilt. Zum einen sind da die energiegeladenen Auftritte mit einer sexy Stimmung, wo es um Geld geht. Zum anderen gibt es die intimeren Momente. Ich wollte unbedingt den Kontrast zwischen beidem zeigen.

Wenn Leute an Stripclubs denken, denken sie an Geld, Nacktheit, Sexualität, Männer, Macht, Frauen, die als Objekte betrachtet werden. In Wirklichkeit sind das ganz normale Mädchen und auf ihre eigene Art Performance-Künstlerinnen. Sie bemühen sich, hübsch auszusehen, reden über Probleme in der Liebe und im Leben. Vielleicht haben sie keine Lust zu arbeiten, vielleicht sind sie niedergeschlagen. Oder vielleicht sind sie aufgeregt. Ich wollte wirklich den Gegensatz zwischen diesen Momenten einfangen. Ich glaube, die intimeren Fotos hinter der Bühne holen das ganze aus der Fantasiewelt. Daran sieht man das echte Leben.

Onyx, Houston: Eine sitzende Frau in einem Kettenbikini

Untitled

Hast du dich bewusst dazu entschlossen, keine Männer auf den Bildern festzuhalten?
Für ONYX keine Männer zu fotografieren, war eine sehr wichtige, bewusste Entscheidung. Ich glaube, was meine Arbeiten über die Jahre wirklich vorangebracht hat, ist, dass ich eine Schwarze Frau bin und Schwarze Frauen durch meinen eigenen weiblichen Blick fotografiere. Ich fotografiere Frauen auf eine Weise, die uns in einem sehr schönen Licht zeigt. Unsere Kraft, unsere Sinnlichkeit, unsere Sanftheit, unsere Erhabenheit.

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Onyx, Houston: Eine Frau im weißen Netzbikini tanzt an einer Pole-Dance-Stange

Blue Dreamin’

Ich wollte bei diesem Projekt keine Männer einbeziehen. In ONYX geht es ganz um die Frauen. Ich wollte mich auf sie konzentrieren, ihre Verbundenheit, den Zusammenhalt innerhalb des Klubs. So lassen sich Strippen und Sexarbeit entstigmatisieren.

Ich glaube, wenn ich Männer einbezogen hätte, hätte sich die Arbeit völlig verändert und das Projekt wäre nicht so wirkungsvoll geworden. Dann wären es einfach Fotos aus einem Stripclub, wie bei einer normalen Reportage. Das hätte von den Frauen abgelenkt, und ich wollte, dass sich alles kuratiert und sehr bewusst anfühlt. Ich möchte, dass diese Arbeit eine Botschaft vermittelt.

Mit welchen Narrativen und Klischees wolltest du in deinem Werk brechen?
Wenn ich mich an mein erstes Mal im ONYX zurückerinnere, fällt mir die Körpersprache von einigen der Freundinnen meiner Tante ein. Ich erinnere mich an das Urteilen und das Unbehagen in ihren Augen. Das war das erste Mal, dass sie diese Art von Erfahrung machten. Im Laufe der Nacht hat sich das alles geändert.

Wenn einige Menschen das Wort "Stripperin" hören, denken sie: "Oh, du ziehst für Geld deine Kleidung aus. Du bist billig oder geldgeil. Du hast keine Selbstachtung und kein Selbstwertgefühl, du bist kaputt …" Aber einige Frauen machen das, weil sie die Aufmerksamkeit wirklich mögen. Oder sie tun es, weil es ihnen hilft, Selbstvertrauen zu entwickeln. Es ist wirklich spannend zu zeigen, wie einige der Mädchen diese Vorurteile widerlegen.

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Onyx, Houston: Nahaufnahme zweier Füße in sehr hohen Schihe

Final Fantasy

Vor zehn bis fünfzehn Jahren hätte ich eine andere Antwort gegeben, aber Sexarbeit ist ein prominentes Thema geworden. Es gibt Serien wie P-Valley, Filme wie Zola, Hustlers … Ich habe den Eindruck, dass Stripdance auf gewisse Weise fast schon cool ist. Während des Projekts kam ich acht oder neun der Frauen besonders nahe und habe mich schließlich auf sie konzentriert. Das sind ganz normale Mädchen. Sie haben Träume, Ängste, Sorgen. Sie sind wirklich facettenreiche Frauen.

Als ONYX im Fotografiska in New York ausgestellt wurde, meldeten sich viele Menschen bei mir, die bei der Ausstellung waren. Sie sagten, sie hätten ihre Mütter und Großmütter mitgenommen, und dass sie es "so schön" fanden. Sie dankten mir für das Projekt, aber auch dafür, die Einstellung ihrer Familien geändert zu haben. Ich hoffe wirklich, dass diese Fotos die Sichtweise von Menschen ändern können, die irgendwelche Vorbehalte gegen Stripdance oder Sexarbeit haben.

ONYX ist über den Damiani Verlag erhältlich.

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