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The Moral Compass Issue

Die grosse Kurve

Solange wir in einem euklidischen dreidimensionalen Raum leben, was so sein scheint, wird das Bevölkerungswachstum durch die Geometrie begrenzt.

Illustration von Kamran Samimi Leser der Werke von H. P. Lovecraft kennen die nichteuklidische Geometrie als die Grundlage der Architektur der grausigen versunkenen Leichenstadt R’lyeh, aber für Mathematiker ist sie einfach nur eine andere Methode, um Winkel, Flächen und Formen aufzuteilen, die auch niemanden in den Wahnsinn treibt. Wir sind hier alle aber eher Lovecraft-Leser als Mathematiker und haben daher John C. Stillwell angerufen, einen Mathematikprofessor an der University of San Francisco, um uns etwas über die nichteuklidische Geometrie erzählen zu lassen. Die meisten Leute haben eine ungefähre Vorstellung davon, was euklidische Geometrie ist. Es ist die Geometrie der ebenen Oberflächen, wie eine Tafel oder ein Tisch. Die typischen Merkmale dieser Oberflächen sind parallele Linien und Dreiecke, deren Winkel zusammen 180 Grad ergeben, sowie Rechtecke—Figuren also, die ausschließlich aus rechten Winkeln bestehen. Es ist eine Form der Geometrie, die sehr einfach und übersichtlich ist und deren Eigenschaften wir in großen Teilen einfach voraussetzen, z. B. wenn wir maßstabsgetreue Zeichnungen eines Hauses anfertigen, die kleiner als das echte Haus sind, aber exakt die gleiche Form haben. Es gibt jedoch auch viele andere Formen der Geometrie. Die, die von den meisten Menschen noch am leichtesten verstanden wird, ist die Geometrie der Kugelfläche, weil wir auf einer Kugel leben. Auf einer Kugelfläche ist die Geometrie eine andere. Es gibt auf einer Kugel „Geraden“, genauer gesagt große Kreise, wie z. B. den Äquator. Für die Wesen, die auf der Kugel leben, sind diese Linien gerade, aber sie verhalten sich dennoch anders als Geraden auf einer ebenen Fläche. Die Winkel eines solchen elliptischen Dreiecks ergeben mehr als 180 Grad und die Geraden sind nicht endlos, sondern kommen zu ihrem Ausgangspunkt zurück. Zudem hängt die Form eines Dreiecks von seiner Größe ab—je größer es ist, desto größer ist die Summe seiner Winkel. Das alles bezeichnet man also als nichteuklidische Geometrie. Diese Form der Geometrie beruht auf der Krümmung. Eine konvexe Krümmung wie die des Kreises nennt man positive Krümmung, aber es gibt auch eine negative Krümmung, von der man bei einer sattelförmigen Oberfläche spricht. Wenn man versucht, eine Anzahl identischer sattelförmiger Oberflächen miteinander zu verbinden, um eine endlose Oberfläche zu erhalten, wird man feststellen, dass diese Oberfläche voller Dellen ist und sich nicht in einen euklidischen dreidimensionalen Raum einfügen lässt. Aber im Prinzip können solche Oberflächen dennoch existieren. Hyperbolische Geometrie ist die Geometrie einer unendlichen Oberfläche mit einer konstanten negativen Krümmung. Das ist das, was normalerweise gemeint ist, wenn man von der nichteuklidischen Geometrie spricht. Die hyperbolische Geometrie ist der euklidischen aber näher als die elliptische Geometrie, da die Geraden hier ebenfalls unendlich lang sind. Der wichtigste Unterschied ist, dass jede Gerade zahllose Parallelen haben kann, von denen einige sich immer weiter annähern können, ohne sich je zu kreuzen. In der euklidischen Geometrie bleibt die Entfernung zwischen den Parallelen hingegen immer gleich. Diese Besonderheit, viele Parallelen zu haben, führt dazu, dass sich die hyperbolische Geometrie noch auf viele andere Weisen von der euklidischen unterscheidet. So ist z. B. die Summe der Winkel eines Dreiecks immer kleiner als 180 Grad und der Umfang eines Kreises wächst exponentiell zu seinem Radius (anders als auf ebenen Flächen, wo Radius und Umfang proportional sind). Dank dieses exponentiellen Wachstums kann der Umfang eines von der Größe her moderaten Kreises riesig sein. Das ist auch der Grund, warum die Oberfläche einer negativen Krümmung dellig wird, wenn sie größer wird. Der euklidische dreidimensionale Raum ist kein gutes Umfeld für exponentielles Wachstum. Das ist leider eine schlechte Nachricht für die menschliche Bevölkerung, die ebenfalls exponentiell wächst. Solange wir in einem euklidischen dreidimensionalen Raum leben, was mit hoher Wahrscheinlichkeit der Fall zu sein scheint, wird das Bevölkerungswachstum also durch die Geometrie begrenzt.