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Was denken die Engländer über den deutschen WM-Kader?

Wir haben einen britischen Kollegen gefragt, was man da drüben so von der deutschen Mannschaft hält. Die Überraschung: Engländer lieben Deutschland!

Foto: Tom Johnson & Will Coutts

Die Deutschen nehmen diese Rivalität vielleicht nicht ganz so ernst, aber auf der anderen Seite des Ärmelkanals war sie schon immer die wichtigste von allen. England kann praktisch seine ganze Geschichte im 20. und 21. Jahrhundert anhand der Spiele gegen seinen größten Feind erzählen. Das dramatische Halbfinale 1990 elektrisierte das Land, es verschaffte Paul Gascoigne einen festen Platz im Herzen der Nation. Jede Niederlage im Elfmeterschießen verstärkte unsere im Hintergrund lauernden Minderwertigkeitskomplexe, und jeder Sieg, egal ob 1966 oder 2001, hat uns unser anmaßendes und kurzsichtiges Überlegenheitsgefühl bestätigt.

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Wie bei allem in England muss man sich auch beim Fußball klar machen, dass sich alle Engländer wünschen, es wäre noch 1995. Damals hatte England Spieler, die zum Selbstbild der Nation passten—tapfere Underdogs mit Stolz, ein Team voller Persönlichkeiten, Witzbolden, harten Kerlen, Rebellen, Psychopathen und Alkoholikern. Deutschland dagegen wurde—wie schon seit Anbeginn der Zeitrechnung—als ein Team von elf Robotern betrachtet, die keinen Humor haben, im Gleichschritt alles über den Haufen rennen und perfekte Elfmeter unter die Latte donnern. Damals konnten die englischen Boulevardzeitungen noch problemlos Parallelen zum Zweiten Weltkrieg aufstellen. Alles war einfach und in Ordnung.

Engländer nehmen den Fußball ernst. Foto: Jake Lewis

Aber dieser Zustand konnte nicht ewig währen. England verschlechterte sich, Deutschland auch. Die deutsche Mannschaft verlor die alte Identität und fuhr schließlich eine 5:1-Niederlage gegen den „Rivalen“ ein—ein Sieg, der uns aber hohl erschien, weil er so leicht war. England baute trotzdem weiter ab, was dazu führte, dass bei Turnieren so gut wie gar keine Erwartungen mehr an die Mannschaft gestellt wurden. Deutschland hingegen erfand sich neu und kam erneut als ein Team von Weltrang zur Geltung. Es hätte eine Rückkehr zu den guten alten Zeiten sein können.

Doch irgendwas ging bei der Neuerfindung verloren. Einige der neuen Spieler für Deutschland waren unter 1,90. Einige dribbelten und spielten kluge Pässe. Viele von ihnen waren attraktiv. Einige von ihnen waren nicht einmal weiß! Es war eine seltsame neue Ära. Und als sich die beiden Mannschaften 2010 gegenüberstanden, passierte das Vorhersehbare: England wurde vernichtend geschlagen.

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Nach dem Spiel geschah jedoch etwas Unerwartetes. England hätte wütend sein müssen, da Frank Lampards Tor nicht anerkannt wurde—und der Gleichstand den gesamten Verlauf der Partie verändert hätte. Am Ende verlor England zwar mit drei Toren, doch die letzten beiden waren Gegenangriffe auf ein erschöpftes Team, das verbissen der Führung nachjagte. So schmerzhaft die Niederlage auch war—man hätte sie recht einfach mit dem Schiedsrichterfehler wegerklären können.

Doch inzwischen hatte sich auch in England etwas verändert—niemand wählte den einfachen Weg. Stattdessen beschlossen Fans und Medien, über die Ungerechtigkeit hinwegzusehen und sich auf die Tatsache zu konzentrieren, dass die Engländer von einem Team besiegt wurden, das ihnen um Lichtjahre voraus war. Wenn es das ewige Hobby der englischen Mittelstands ist, Briefe an Parlamentsmitglieder zu schreiben, hat die Arbeiterklasse ein anderes: das Zuschauertelefon. Monatelang steckte das Land in einer hitzigen Debatte über Pässe, Fertigkeiten, ausländische Trainer, Nachwuchsförderung, Fußballschulen und darüber, wie England wieder auf das Niveau des großen Rivalen gebracht werden kann.

Foto: Tom Johnson & Will Coutts

Viele Leute interessierten sich aber plötzlich nicht mehr so brennend dafür, Deutschland die Niederlage heimzuzahlen. Denn Deutschland … die bloße Andeutung blieb einem im Hals stecken, aber … die Mannschaft war sympathisch. Es war ein junges, witziges Team aus interessanten Spielern, denen die spanische Frömmelei fernlag. Letzten Endes war ein Großteil der jungen Engländer für Deutschland. Man wollte, dass das Land gut abschnitt.

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Mittlerweile haben wir Engländer uns irgendwie in der unangenehmen Position eines Provinzvereins zurechtgefunden, dem die Rivalität zu einem anderen Verein alles bedeutet—während der andere Verein dieses Gefühl aber nicht wirklich erwidert, sondern sich eigentlich viel mehr Gedanken über andere, glamourösere Nachbarn macht. Auf Deutsch gesagt, England ist der TSV 1860 München zu Deutschlands 1. FC Bayern. Und das ist keine besonders angenehme Position.

Sollten sich die beiden Mannschaften in Brasilien treffen, wird diese Begegnung eine grundsätzlich andere sein. England wird davon ausgehen, das Spiel zu verlieren. Wir werden erwarten, zutiefst erniedrigt zu werden. Wir werden bei einer Niederlage keinen Schmerz empfinden, sondern eine gewisse Bewunderung und Respekt für den Gegner. Das Undenkbare ist passiert—England hat als Nation endlich akzeptiert, was dem Rest der Welt längst klar war: Dass sie einfach scheiße sind.

Die wichtigsten Spieler aus Deutschland:

Mesut Özil

Foto: Steindy | Wikimedia | CC BY-SA 3.0

Mesut Özil wird vielen englischen Fans bekannt sein, da er in der Premier League spielt. Das tut er für Arsenal, ein Team mit scheinheiligen und gezierten Fans, das mit seiner Tradition des Geizes gebrochen hat und letzten Sommer einen kolossalen Betrag dafür ausgab, ihn unter Vertrag zu nehmen. Leider entpuppte er sich als scheiße und machte nicht viel, außer über den Platz zu flanieren und deutlich zu zeigen, dass er keinen Bock hatte. Deshalb ist davon auszugehen, dass viele englische Fans verzweifelt darauf hoffen, ihn gut abschneiden zu sehen, und jeden seiner Pässe wie Kunstwerke bejubeln werden.

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Bastian Schweinsteiger

Foto: Mohan | Flickr | CC BY 2.0

Wenn Engländer etwas mögen, dann jemanden, der allen nationalen Stereotypen gerecht wird. Aus diesem Grund haben sie größten Respekt vor Bastian Schweinsteiger. Er sieht nicht nur aus wie jemand, der sich auf dem Oktoberfest voll und ganz zu Hause fühlt, sondern erinnert auch an die guten alten Zeiten der deutschen Fußballer, die einfach geradeaus stürmen und alles über den Haufen rennen, was ihnen in die Quere kommt, um mit einem harten Schuss den Ball in die obere Ecke zu befördern. Außerdem hat er einen witzig klingenden Namen und ist diesen Sommer mit Manchester United in Verbindung gebracht worden.

Miroslav Klose

Foto: Michael Kranewitter | Wikimedia | CC-by-sa 3.0/at

Er ist wahrscheinlich der letzte wahre Schurke des deutschen Teams, aus einem einzigen Grund: Er droht, die Rekorde von legendären WM-Torschützen wie Pele, Ronaldo und Gerd Müller zu vernichten, obwohl er nicht mehr als ein schmerzhaft durchschnittlicher und schwerfälliger Rohling ist. Ihn will niemand gut abschneiden sehen.

Per Mertesacker

Foto: Michael Kranewitter | WikimediaCC BY 3.0 AT

Kennst du die alte Legende, nach der Wissenschaftler behaupteten, dass es für Hummeln aus physikalischen Gründen unmöglich sei zu fliegen? So ähnlich ist es auch mit Per Mertesacker. Er ist so groß, dass es schon wieder komisch ist. Er ist schwerfällig, unbedarft, grauenhaft langsam, nicht sonderlich hartnäckig und kann nichts mit einem Ball anfangen. Er hat den Wendekreis eines Flugzeugträgers in einem Sirup-Meer. Doch irgendwie scheint er trotzdem als professioneller Fußballer zu arbeiten. Es ist faszinierend.

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Toni Kroos

Foto: Steindy | Wikimedia | CC BY-SA 3.0

Toni Kroos entspricht genau den Vorstellungen eines heterosexuelles Manns von einem attraktiven Mann und wurde ebenfalls mit Manchester United in Verbindung gebracht. Im Grunde genommen ist er die verbotene Frucht Englands, die wir niemals haben können. Kroos ist ein junger, dynamischer Mittelfeldspieler, der tatsächlich passen und Tore schießen kann und weiß, was man auf einem Fußballfeld macht. So sieht Neid aus.

Für mehr britische Fußball-Weisheiten könnt ihr Callum auf Twitter folgen: @Callum_TH