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AfD

Jemand hat "Wehrmachts-Stolpersteine" vor der AfD-Zentrale in Berlin verlegt

Die Steine erinnern an "die Leistungen deutscher Soldaten", auf die Alexander Gauland so stolz ist.
Screenshot: Rocco und seine Brüder

"Der Soldat ist im Ostraum nicht nur ein Kämpfer nach den Regeln der Kriegskunst, sondern auch ein Träger einer unerbittlichen, völkischen Idee und der Rächer für alle Bestialitäten, die deutschem und artverwandtem Volkstum zugefügt wurden. Deshalb muss der Soldat für die Notwendigkeit der harten aber gerechten Sühne am jüdischen Untermenschentum volles Verständnis haben."
– Befehl des Generalfeldmarschalls Walther von Reichenau vom 10. Oktober 1941

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Alexander Gauland findet, dass die Deutschen sich nicht mehr für die Verbrechen der Vergangenheit schämen müssten. "Man muss uns diese zwölf Jahre jetzt nicht mehr vorhalten", hatte der Parteichef der AfD in einer Rede Anfang September erklärt. "Sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr."

Aber nicht mehr schämen, das reichte Gauland noch lange nicht. Er ging noch einen ganzen Stechschritt weiter und forderte, vor allem auf die Wehrmacht müssen wir jetzt auch einfach mal wieder stolz sein dürfen. "Wenn die Franzosen zu Recht stolz auf ihren Kaiser sind, und die Briten auf Nelson und Churchill, haben wir das Recht, stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen."

Um Gauland an all diese herausragenden Leistungen zu erinnern, hat das Künstlerkollektiv "Rocco und seine Brüder" vor knapp drei Wochen vor der Berliner AfD-Zentrale eine Reihe von "Wehrmachts-Stolpersteinen" verlegt. Sie ähneln den Stolpersteinen, die in vielen deutschen Städten ermordeten Juden gedenken. Nur dass die Wehrmachts-Steine an etwas anderes erinnern: an die Verbrechen von Offizieren und Verbänden im Zweiten Weltkrieg.

Die Wehrmacht fiel während des Zweiten Weltkriegs unprovoziert in ganz Europa ein und beging dann in Zusammenarbeit mit dem "Sicherheitsdienst", der Gestapo und der SS auf dem ganzen Kontinent Massenmorde, Massaker und diverse andere Kriegsverbrechen. Konservative Schätzungen gehen davon aus, dass die Wehrmacht allein 3,3 Millionen sowjetische Kriegsgefangene – fast 60 Prozent der Gefangenen – sterben ließ, weil niemand es nötig fand, sie zu ernähren.

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Für die Einweihung der "Stolpersteine" vor der AfD-Zentrale bauten die Künstler sogar einen kleinen AfD-Stand auf, komplett mit selbstgebastelten Plakaten, die sie als "Alexander Gaulands Wehrmachts-Stolpersteine" ausweisen. Dazu kamen dann noch zwei große Transparente, auf denen in Frakturschrift "Identität braucht Erinnerung" stand.

Warum das alles? "Es ist erschreckend, wie Deutschland auf einmal den Respekt vor der eigenen Vergangenheit verliert", sagt die Künstlergruppe gegenüber VICE. "Der Nationalsozialismus wird immer weniger Tabuthema. Zwar redet jeder davon, aber kaum einer macht etwas."

Die Installation überlebte nur einen Tag, dann wurden die Stolpersteine und der falsche AfD-Stand wieder abgebaut. Offiziell hat die AfD nicht auf die Provokation reagiert. Auf der Facebook-Seite der Gruppe haben ein paar augenscheinliche AfD-Fans den Künstlern allerdings ihre Meinung gesagt. "Systemnuttenverein", schreibt einer. "Linkes Zeckenpack!", ein anderer. Und: "Traut euch an die AfD ran, aber mit Sicherheit nicht an die SAntifaschwuchteln (sic!) oder an die Schariafans!"

Was genau die Fans an der Aktion so stört, erklären sie nicht. Dabei könnte Alexander Gauland selbst ganz zufrieden sein, dass Menschen sich Mühe geben, nichts unter den Tisch fallen zu lassen. In seiner Rede im September hatte er nämlich auch gesagt: "Wer Geschichte säubert, zerstört unsere Identität."

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