FYI.

This story is over 5 years old.

Verbrechen

Fünf Krimi-Autoren, die selbst zu Mördern wurden

"In einem Szenario dreht er das Fleisch seiner Frau durch den Fleischwolf und verfüttert es an Tauben."
Links: Nancy Crampton Brophy | Foto: Portland Police Bureau || Rechts: Blake Leibel | Foto: Luis Sinco | Los Angeles Times | Getty Images

Am Morgen des 2. Juni lag Daniel Brophy auf dem Boden seiner Lehrküche. Brophys Blut umgab ihn in einer Lache, als seine Schüler den 63-jährigen Meisterkoch fanden. Drei Monate später wurde seine Frau Nancy Crampton Brophy in Portland, Oregon, verhaftet, sie soll ihn erschossen haben. Die 68-jährige Schriftstellerin hat unter anderem die Thriller-Romanze The Wrong Cop (Der falsche Polizist) geschrieben. Das Buch handelt von einer Frau, die "jeden Tag ihrer Ehe darüber fantasierte, ihren Mann umzubringen".

Anzeige

Die Hauptfigur ihres wenige Monate später erschienen Romans The Wrong Husband (Der falsche Ehemann) versucht, ihrem brutalen Mann zu entfliehen, indem sie ihren eigenen Tod vortäuscht. 2011 schrieb sie für ihren Blog See Jane Publish einen Essay mit dem Titel "How to Murder Your Husband":

"Als Autorin für Romantik-Thriller habe ich eine Menge über Mord nachgedacht, und zwangsläufig auch über das Vorgehen der Polizei", heißt es dort. "Wenn der Mord mich befreien soll, dann will ich definitiv nicht im Gefängnis sitzen müssen." Sollte Brophy schuldig gesprochen werden, wird aber genau das passieren.

Auch wenn der Fall für sich genommen schon fast filmreif ist, kommt es doch gar nicht so selten vor, dass die Fiktion von der Realität eingeholt wird. Wir haben ein paar der bizarrsten und grausamsten Beispiele dafür zusammengetragen, wenn Schriftstellerinnen und Schriftsteller sich zu sehr mit ihrem Werk identifizieren – und wegen Mordes verurteilt wurden.


Auch auf VICE: Die Geschichte des "Cleveland Stranglers"


Liu Yongbiao

Im August 2017 arbeitete der chinesische Schriftsteller Liu Yongbiao gerade an seinem neuen Buch, als die Polizei bei ihm auftauchte und ihn wegen vierfachen Mordes verhaftete. Die Taten hatten sich über 20 Jahre zuvor ereignet, waren aber bislang ungelöst. Lius kommendes Buch, Die schöne Autorin, die tötete, hatte er bereits im Vorwort seines vorletzten Roman angekündigt. Dessen Titel: Das schuldige Geheimnis. Es sollte "von einer Schriftstellerin handeln, die viele Menschen umgebracht hat, aber nie überführt wurde".

Anzeige

Der chinesischen Nachrichtenseite Sixth Tone zufolge wurde Liu im August 2017 in seinem Haus festgenommen, weil er dringend verdächtig war, 1995 mit einem Komplizen an einem brutalen Raubüberfall beteiligt gewesen zu sein. Die Polizei glaubt, dass die beiden Verdächtigen – Liu, 53, und Wang, 65 – ursprünglich zu einem Hostel in der Stadt Huzhou gegangen waren, um Gäste auszurauben. Ihr Plan geriet jedoch aus dem Ruder: Sie erschlugen einen Mann, wie der Guardian berichtet. Um die Tat zu vertuschen, töten sie auch noch das Besitzerpaar und ihren 13-jährigen Enkel.

Ein neues Verfahren der DNA-Analyse brachte die Polizei schließlich zwei Jahrzehnte später auf den Schriftsteller. Als er den Beamten die Tür öffnete, soll Liu Yongbiao gesagt haben: "Ich habe die ganze Zeit auf Sie gewartet."

In einem Brief an seine Frau soll Liu die Tat gestanden haben. Er schrieb: "Ich habe 20 Jahre in Angst gelebt. Ich wusste, dass dieser Tag kommen wird. Endlich kann ich frei von den geistigen Qualen sein, die ich so lange ausgehalten habe."

Der Daily Mail zufolge wurde Liu im Juli 2018 zu Tode verurteilt.

Richard Klinkhamer

1992, ein Jahr nach dem Verschwinden seiner Frau Hannelore, reichte der niederländische Krimiautor Richard Klinkhamer bei seinem Verlag ein Manuskript ein. Der Roman mit dem Titel Am Mittwoch gibt's Gehacktes war dem Guardian zufolge "eine grausame, detaillierte Ausführung von sieben Arten, auf die Klinkhamer möglicherweise seine Frau Hannelore umgebracht haben könnte. In einem der beschriebenen Szenarien dreht er das Fleisch seiner Frau durch den Fleischwolf und verfüttert es an Tauben."

Sein Verleger fand den Roman schlecht geschrieben und "scheußlich" und lehnte ab. Nichtsdestotrotz machten Auszüge des brutalen und scheinbar autobiographischen Romans in den Niederlanden die Runde. Klinkhamer wurde durch das Manuskript sogar eine Art Literatur-Berühmtheit und begann, in Fernsehsendungen aufzutreten. Immer wieder kokettierte er öffentlich mit der Idee, er könnte tatsächlich der Mörder seiner Frau sein. Was die Öffentlichkeit als Publicity-Stunt wahrnahm, nahm die niederländische Polizei durchaus ernst. Von Anfang an galt der Autor als Hauptverdächtiger, aber ohne Hannelores Leiche hatten die Beamten nichts gegen ihn in der Hand.

Anzeige

Klinkhamer verkaufte schließlich das Haus, in dem er mit seiner Frau gelebt hatte, und zog nach Amsterdam. Bei Renovierungsarbeiten fand ein Bagger einen Schädel unter dem Betonboden einer Gartenhütte. Es waren Hannelores sterblichen Überreste. Klinkhammer wurde 2000 verhaftet und gestand, seine Frau umgebracht zu haben. 2003 wurde er wegen guter Führung wieder entlassen. Richard Klinkhamer starb 2016 mit 78 Jahren als freier Mann.

Blake Leibel

Im Juni dieses Jahres wurde Blake Leibel wegen der Folter und Ermordung seiner Freundin Iana Kasian zu lebenslanger Haft verurteilt. Leibel hatte 2016 die Mutter der gemeinsamen, vier Wochen zuvor geborenen Tochter skalpiert, Teile des Gesichts abgeschnitten und ihren Körper ausbluten lassen. Der Staatsanwaltschaft zufolge ähnelte der Tatvorgang stark der Geschichte einer Graphic Novel, an der Leibel als Autor beteiligt gewesen war.

Staatsanwältin Beth Silverman nannte Leibels brutale Folter und Ermordung von Kasian "einen Fall, in dem das Leben die Kunst nachahmt". In der 2015 erschienenen Graphic Novel Syndrome gibt es ebenfalls Darstellungen vom Ausbluten eines Mordopfers. Auf dem Cover prangt eine skalpierte Babypuppe.

Krystian Bala

Der polnische Autor Krystian Bala wäre mit seinem Mord an einem Geschäftsmann vielleicht durchgekommen, hätte er nicht drei Jahre später sein Erstlingswerk Amok veröffentlicht. Darin erzählt er die Geschichte des polnischen Intellektuellen Chris (die englische Version von Krystian), der "eine Liebhaberin ohne Grund ermordet … und die Tat so gut vertuscht, dass er nie gefasst wird."

Die Beschreibung des Tathergangs – die Hände hinter ihrem Rücken zusammengebunden, das Seil an einer Schlinge um ihren Hals befestigt – ähnelte stark einem Mordfall, der Ermittler ein paar Jahre zuvor ratlos zurückgelassen hatte. 2000 hatten Spaziergänger die Leiche von Dariusz Janiszewski bei Breslau in der Oder gefunden. Der Körper des Mannes war ausgezehrt, man hatte ihn gefoltert. Seine Hände waren gefesselt.

Anzeige

"Ein Teil des Seils, das anscheinend mit einem Messer durchtrennt worden war, hatte seine Hände mit dem Hals verbunden und den Mann in eine extrem qualvolle Position gezwungen. Die leiseste Bewegung dürfte dazu geführt haben, dass sich die Schlinge um den Hals weiter zuzieht", schrieb David Gann im New Yorker.

Als Ermittler Jacek Wroblewski den Fall 2003 übernahm, stellte er fest, dass das Handy des Opfers wenige Tage nach der Tat in einem Internetauktionshaus verkauft worden war. Der Verkäufer war Krystian Bala. Wroblewski begann, sich für Bala zu interessieren, und stieß auf dessen Roman Amok.

"Er war perplex, insbesondere wegen der Methode des Killers: 'Ich schloss die Schlinge um ihren Hals'", heißt es im Artikel des New Yorker. Auch wenn das Buch selbst nicht als Beweisstück herangezogen werden konnte, stieß der Ermittler dadurch auf weitere Hinweise. Krystian Bala wurde schließlich wegen des Mordes zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Sein Motiv: Eifersucht. Anscheinend war das Opfer ein Bekannter seiner Ex-Frau gewesen.

Anne Perry

Bevor Anne Perry erfolgreiche Krimiautorin wurde, hatte sie für die Ermordung der Mutter ihrer besten Freundin fünf Jahre im Gefängnis verbracht. Perry, geboren als Juliet Hulme, war als 15-Jährige schuldig gesprochen worden, zusammen mit der damals 16-jährigen Pauline Parker deren Mutter umgebracht zu haben.

Das Verbrechen ereignete sich 1954. Hulmes Eltern hatten ihr zuvor eröffnet, dass sie sich scheiden lassen und sie zu ihrer Tante nach Südafrika schicken würden. Die beiden Mädchen, die eine innige Freundschaft verband, hatten gehofft, dass sie ihre Heimat Neuseeland gemeinsam verlassen könnten, aber Parkers Mutter stellte sich quer.

Anzeige

"Ihre Weigerung entfachte Parkers mörderische Wut. Hulme meinte, es ihrer Freundin schuldig zu sein, dabei zu helfen, Mrs Parker in einen Park in Christchurch zu locken und sie mit einem Ziegel in einem Strumpf zu erschlagen", schreibt der Guardian.

Nach ihrer Entlassung zog Hulme nach Schottland und erfand sich als Krimiautorin neu. Unter ihrem neuen Namen Anne Perry veröffentlichte sie bislang etwa 40 Romane. Ihre wahre Identität wurde 1994 öffentlich, als Regisseur Peter Jackson den Film Heavenly Creatures drehte, der auf der Tat der beiden Jugendlichen basierte.

In einem Fernsehinterview von 2012 sagte Perry, ihre Schuld an die Gesellschaft getilgt zu haben. "Man muss bezahlen, wenn man weiß, dass man unrecht hat. Das ist nichts Schlechtes, es ist etwas Gutes. Es ist heilend, zu zahlen und die Sache hinter dir zu lassen."

Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.